Mit 33 Jahren eröffnete Wolfgang Puck sein erstes eigenes Restaurant, das Spago am Canon Drive in Beverly Hills. 1982 erschien das vielen gewagt, doch Pucks französische Interpretation der kalifornischen Küche – die offen war – wurde rasch zum Phänomen; und das Spago zum Ort, an dem sich Hollywoodstars labten. Die Disney-Dokumentation Wolfgang zeichnet nun die steile Karriere des Kärntners als ein exemplarisches Stück "American dream" nach, von seinen schwierigen Anfängen in Villach über seine Ausbildung beim Drei-Sterne-Koch Raymond Thuillier in Frankreich bis zum Sprung in die USA. Mittlerweile zählen über hundert Restaurants zu Pucks Imperium. Im Gespräch betont er zu Beginn gleich sein sehr amerikanisches Credo: Er möchte mit dem Film den "jungen Leuten" vermitteln, "dass es im Leben Hindernisse gibt, die man überwinden muss".

Wolfgang Puck kümmert sich auch um die Menüs bei den Oscars – heuer konnte man sich auch eines liefern lassen.
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STANDARD: Sie beziehen sich auf die dramatische Szene zu Beginn des Films, wo Sie auf der Brücke über der Drau Ihrem jungen Leben fast ein Ende bereiten wollen. Der Grund war ein übergriffiger Küchenchef. Hat sich da viel verändert?

Puck: Ja. Aber in den 1960ern konnte man schlagen oder Fußtritte verpassen – das war normal. Mein Stiefvater war genauso, er hat mich misshandelt. Der Küchenchef war ein ähnliches Kaliber. Niemand hat sich darüber beschwert. Wenn das heute in Amerika passiert, wird man sofort rausgeworfen. Das hat man auch an Chefs wie Mario Patali gesehen, die mit dem Vorwurf sexuellen Missbrauchs konfrontiert waren. Egal ob man Commis oder Abwäscher ist, mittlerweile wird man als Mensch behandelt, nicht wie ein Sklave.

STANDARD: Warum hat dieses Umdenken erst jetzt stattgefunden?

Puck: Als ich in Villach lernte, wiederholte der Küchenchef ebenjene Methoden, die er selbst erlebt hatte. Das hat sich fortgesetzt. Im Parkhotel schlug er einmal einem Mädchen die Nase blutig – dann kamen die Kellnerinnen und bedrohten ihn, bis er in der Ecke zitterte.

STANDARD: Wie gewährleistet man, dass es zu keiner "toxic kitchen" kommt?

Puck: Ich sage jedem, dass man mit Leuten positiv umgehen muss. Man muss jedem Menschen zeigen, wie man es richtig macht, und nicht dafür bestrafen, wenn es falsch läuft.

STANDARD: Es arbeiten immer noch wenige Frauen in Küchen. Womit hängt das zusammen?

Puck: Das hat viele Gründe. Es gibt mittlerweile schon einige, die mindestens gleich gut wie Männer sind. Es ist keine Frage des Geschlechts, die Leidenschaft ist das Wichtigste. Aber Frauen bekommen auch Kinder, wollen Familie – und auf einmal ist man 30 oder 32 Jahre alt und muss sich entscheiden, was man will. Da geht dann eher der Mann arbeiten.

STANDARD: Ist das immer noch so?

Puck: Ja, bei vielen schon. Bei meinem Sohn vielleicht nicht mehr, der hat jetzt den Ph.D. gemacht, aber seine Frau verdient besser als er. Er kocht auch sehr gut, er kann also daheimbleiben.

STANDARD: Kochen Frauen anders?

Puck: Ich glaube, Frauen sind weniger egoistisch. Wenn ein Mann zum Tisch geht, fragt er die Gäste, wie er gekocht hat. Eine Frau fragt: "Wie hat es Ihnen geschmeckt?"

STANDARD: Wie sieht es mit der kulturellen Diversität in der Küche aus – in Hollywood ist das ja gerade das Wichtigste.

Puck: Als wir mit dem Spago angefangen haben, war klar, dass wir viele Kulturen bedienen, in Los Angeles gibt es viele ethnisch diverse Viertel – chinesisch, koreanisch oder äthiopisch, auch meine Frau ist Äthiopierin. Als wir während der Pandemie geschlossen hatten, haben wir Take-out gemacht, da haben wir an drei Tagen persisch gekocht. Das waren die erfolgreichsten Tage. Die Leute fragen mich immer noch, wann es wieder persisches Essen gibt. In Beverly Hills stammt ja ein Drittel der Bevölkerung aus dem Iran.

STANDARD: Im Film erzählen Sie, dass Sie als Kind Wiener Schnitzel liebten – allerdings mit Kartoffelpüree. Das hat uns gewundert.

Puck: Vielleicht ist das kärntnerisch? Im Winter hatten wir die großen Erdäpfel, die für den Salat nicht gut waren, und als Kinder haben wir Püree geliebt. Am Sonntag gab’s dann Schnitzel, da habe ich eine Hälfte mit so viel Püree gegessen, dass ich abends die andere Hälfte noch übrig hatte.

STANDARD: Aber ohne Sauce.

Puck: Ohne Sauce. Im Spago servieren wir immer drei Salate dazu. Ich habe jetzt sogar in Frankreich Schnitzelteller in Auftrag geben lassen, mit drei verschiedenen Compartiments, damit die Panier schön trocken bleibt.

STANDARD: Ist es wirklich so, dass man immer zur Küche der Kindheit zurückkehrt?

Puck: Es ist oft so. Ich erinnere mich noch an Billy Wilder, der, als er älter wurde, in die Küche kam und sagte: "Wolfgang, kannst du mir Palatschinken machen?" Das habe ich dann für ihn gemacht. Er wollte auch Wiener Schnitzel und Backhendl zu einer Zeit, als das noch nicht auf der Karte stand.

STANDARD: Ihre berühmte Lachspizza geht auf Joan Collins zurück. Gibt es noch andere Rezepte, die von Stars inspiriert wurden?

Puck: Sean Connery war ein guter Gast, der während seiner Drehs darauf geachtet hat, dass er leicht isst. Ich habe ihm dann immer einen Gemüsesalat gemacht, mit frischem Gemüse vom chinesischen Bauernhof. Das war zwar kein Connery- oder Bond-Salat, aber dieser Chopped Chino Vegetable Salad wurde sehr populär. Es gibt jetzt auch eine Variante mit Hummer.

STANDARD: Das ist also der Salat, der Connery so schlank gehalten hat.

Puck: Genau, Haare sind ihm davon aber keine mehr gewachsen.

(Severin Corti, Dominik Kamalzadeh, 23.6.2021)