Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) darf sich freuen.

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Wien – Es war ein langes Tauziehen, nun hat es ein Ende: Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist finalisiert. Das Paket, über das am Mittwoch im Nationalrat abgestimmt wird, soll den Weg zu Österreichs nachhaltigen Energiezielen ebnen. Bis 2030 soll hierzulande der gesamte Strom aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Grüne, ÖVP und – die für die Zweidrittelmehrheit notwendige – SPÖ präsentierten am Dienstagnachmittag das Paket. Die Einigung sei "ein enormer Schritt in Richtung Klimaneutralität", sagte die für Klimaschutz zuständige Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Rahmen einer Pressekonferenz.

Das heimische Energiesystem soll mit einer Fördersumme von einer Milliarde Euro pro Jahr bis 2030 umgebaut werden. Ziel der Regierung ist es, die Stromproduktion aus sauberen Quellen bis 2030 um 27 Terawattstunden (TWh) zu steigern. Das entspricht in etwa dem Stromverbrauch aller Haushalte Österreichs innerhalb von zwei Jahren – und sind 50 Prozent mehr als die bestehende Ökostromleistung (55,6 TWh). Davon sollen elf TWh von der Photovoltaik kommen, zehn von Windkraft, fünf von Wasserkraft, eine TWh von Biomasse.

"Gansl wird erst zum Schluss knusprig"

In den vergangenen Wochen sei laut Gewessler intensiv verhandelt worden. "Vieles wird besser, wenn wir gemeinsam daran arbeiten", sagte sie in Richtung SPÖ. Deren Energiesprecher Alois Schroll zeigte sich am Dienstag durchwegs zufrieden mit dem Ergebnis. "Das Gansl wird erst zum Schluss knusprig", fasst der rote Politiker die Gespräche zusammen. Erst eine halbe Stunde vor der Pressekonferenz sei das Paket finalisiert worden. Schroll ortet einen "großen Tag für zigtausende Arbeitnehmer". 90 Prozent der SPÖ-Forderungen wurden seiner Ansicht nach umgesetzt. Durch den Erneuerbaren-Ausbau würden zahlreiche neue Jobs im Land geschaffen werden, sagte Schroll. Die Verhandler rechnen damit, dass das Paket Investitionen in der Höhe von 30 Milliarden Euro auslösen wird.

Insgesamt sollen österreichweit rund 550.000 Haushalte keine oder reduzierte Ökostromabgaben bezahlen. Neben der bereits vorgesehenen Befreiung für die rund 300.000 einkommensschwachen Haushalte, die keine Fernseh- und Rundfunkgebühr (GIS) zahlen, wurde laut Ministerium eine weitere Maßnahme zur sozialen Abfederung eingebaut. Auf diese hatte vor allem die SPÖ stark gedrängt. Die Abgabe ist für Haushalte mit geringem Einkommen, die nicht GIS-befreit sind, mit 75 Euro gedeckelt. Dazu können zum Beispiel Pflegegeld- oder Studienbeihilfeempfänger zählen.

Die Regierung rechnet durch den Erneuerbaren-Förderbeitrag und die Erneuerbaren-Förderpauschale in den nächsten fünf Jahren mit einer maximalen Belastung von rund 114 Euro im Jahr für einen durchschnittlichen Privathaushalt. Zuletzt lag der Betrag bei weniger als 100 Euro.

100 Millionen Euro für Fernwärme

Auch ein weiterer Punkt war vor allem für die roten Verhandler wichtig: Das Paket sieht vor, den Rückstau beim Ausbau der Fernwärme abzuarbeiten, 100 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Laut Ministerium sind insgesamt 173 Projekte betroffen, die seit 2011 auf eine Umsetzung warten. Zusätzlich will die Regierung bis 2024 jährlich 15 Millionen Euro in den Ausbau der Fernwärme pumpen.

Auch die Infrastruktur von Wasserstoff und Grünem Gas soll mit 80 Millionen Euro pro Jahr angekurbelt werden. Die Mittel sollen – so der Plan – in die Dekarbonisierung der Industrie fließen. Zusammen mit jenen Geldern, die im Wiederaufbaufonds der EU für Wasserstoff vorgesehen sind, wird der Topf bis 2030 rund 500 Millionen Euro schwer sein.

Energiegemeinschaften

Das Gesetz sieht darüber hinaus die Umsetzung von Erneuerbare-Energiegemeinschaften vor. Diese sollen die gemeinsame Nutzung von lokal produzierter erneuerbarer Energie ermöglichen. Als Beispiel nennt man im Ministerium eine Siedlung, in der sich mehrere Nachbarn zusammenschließen und die Energie einer großen Photovoltaikanlage gemeinsam nützen.

Durch ein zweites Modell soll die Nutzung auch auf einem überregionalen Level möglich sein. So könnte eine Gruppe von Menschen aus unterschiedlichen Bundesländern gemeinsam in ein Solarstromprojekt investieren. Die dort produzierte Energie könne gemeinsam von allen Teilnehmern genutzt und die überschüssige Energie verkauft werden, hieß es am Dienstag. Die Netzkosten fallen dabei allerdings weiterhin an.

Recht auf Netzanschluss

Das Paket sieht zudem vor, dass ein Recht auf einen Netzanschluss zur Produktion von erneuerbarer Energie kommt. Eine öffentlich zugängliche Datenbank für Bezieher von Fernwärme soll zudem für mehr Transparenz sorgen. Und auch für E-Auto-Fahrer soll es ein Zuckerl geben: Ein Open-Data-Ladestellenverzeichnis soll die Grundlage für transparente Tarife schaffen.

Das EAG würde dem Staat "ein neues Betriebssystem" geben, sagte Lukas Hammer, Klimasprecher der Grünen. Er versprach: "Wir werden aus Öl, Kohle und Gas aussteigen." Im Bereich der Wasserkraft sollen laut Hammer bestehende Kraftwerke wesentlich effizienter genützt werden, unberührte Flüsse geschützt bleiben. Unterm Strich soll "Energie dort produziert werden, wo sie gebraucht wird":

Nach der Abstimmung am Mittwoch im Nationalrat wird das Paket am 14. Juli im Bundesrat behandelt. Große Teile sollen schon dann in Kraft treten – zum Beispiel die Förderung für kleinere Anlagen sowie die Umsetzung der Energiegemeinschaften.

Lob von Umweltorganisationen

Von Umweltorganisationen kommt größtenteils Lob, Global 200 beispielsweise begrüßt die Einigung. WWF-Klimasprecher Karl Schellmann bewertet die Schutzkriterien für ökologisch wertvolle Fluss-Strecken als "Durchbruch", weil damit "zumindest die schädlichsten neuen Kraftwerke von Subventionen ausgeschlossen werden". Völlig verfehlt seien hingegen die "Schlupflöcher für Verbauungen in Schutzgebieten sowie für Kleinwasserkraft-Anlagen, die für relativ wenig Stromgewinn sehr viel Natur zerstören".

"Um die Energiewende Wirklichkeit werden zu lassen, wird es jedoch nicht reichen, lediglich erneuerbare Kapazitäten zu erhöhen", meint Greenpeace-Klimaexpertin Jasmin Duregger. "Wir müssen dringend insgesamt weniger Energie verbrauchen – allem voran muss dafür ein neues und besseres Energieeffizienzgesetz als nächster, wichtiger Schritt verabschiedet werden.

Reaktionen

NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker bezeichnete die Einigung als "zähe Geburt". Die letzten Monate seien von großer Planungsunsicherheit für Betriebe im Sektor erneuerbare Energie geprägt gewesen. "Gut, dass sich das nun ändern soll."

Die Arbeiterkammer hofft, dass das EAG auch positive Beschäftigungseffekte bringen wird und begrüßt die Deckelung der jährlichen Förderkosten mit einer Mrd. Euro. Für eine Erhöhung bedürfe es jetzt einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Für Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf ist das Gesetzespaket "ein großes Investitions- und Innovationsvorhaben". Die WKÖ "steht zur Energiewende und zum 100-prozentigen Ausbau erneuerbarer Elektrizität bis 2030." (lauf, APA, 6.7.2021)