Unorthoxen Zahlungen und Geldflüssen gehen die Ermittler in der Causa Wienwert nach.

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Kritik an der Verwendung der Anleihegelder, an Aufsichtsrats- und Vorstands- und Beiratsvergütungen spicken das Gutachten zur gleichnamigen Causa. Allein zwei Berater kassierten von September bis November 2017, kurz vor Insolvenzeröffnung, 32.500 Euro. Freilich "ohne nachvollziehbare Tätigkeit/Leistung", wie es in der Expertise des Sachverständigen heißt, die die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Auftrag gegeben hat. Sie ermittelt gegen 22 Beschuldigte, für die die Unschuldsvermutung gilt.

Die Immobilienentwicklungsgesellschaft, die Anleihen von fast 46 Millionen Euro (WW Holding, ihre Tochter Wienwert AG und eine weitere Gesellschaft) nicht mehr bedienen konnte, fiel Anfang 2018 um, hunderte Gläubiger verloren ihr Geld.

1,2 Millionen für einen Tag

Im Kapitel "Vermögensabflüsse zum Schaden von Gläubigern oder (...) Eigentümern" analysierte Gutachter Matthias Kopetzky "ausschließlich betriebswirtschaftlich fragwürdige" Geschäftsfälle, wie er festhielt – und kam dabei auf Riesensummen. Er fand überhöhte Bezüge, doppelte Vergütungen, Entnahmen von Verrechnungskonten, verlorene Angelder, Spenden und Sponsorings, bei denen er die Gegenleistungen vermisst.

Zudem auf der Liste: Eine "kurzzeitige Auszahlung" der Wienwert von 1,2 Mio. Euro aufs Privatkonto eines Exmanagers, der das Geld im März 2017 als Bonitätsnachweis für einen geplanten Immobilienkauf in Südfrankreich gebraucht haben soll. Das Geld überwies er ganz schnell wieder zurück – freilich ohne dafür Zinsen zu zahlen oder die Überweisungsspesen zu berappen. Davon abgesehen machte er seine Hausbank nervös, die ihn fortan mit Argusaugen beobachtete, wenngleich sie damals keine Geldwäscheverdachtsmeldung erstattet haben soll.

Maximalschaden 31 Millionen Euro

Wie auch immer: Der für den kurzfristigen Geldtransfer angesetzte Schaden von 2488 Euro wirkt vergleichsweise mickrig. Der "Maximalschaden" aus den Vermögensabflüssen soll nämlich bis zu 31 Mio. Euro betragen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil davon landete laut Gutachten bei Beschuldigten aus der Wienwert bzw. ihrem Dunstkreis.

Selbst Möbel finden sich in der Schadensaufstellung. Als es mit Wienwert schon steil bergab ging, im Herbst 2017, wurden Häuser verkauft, wollte doch der neue Chef Stefan Gruze die Gesellschaft neu ausrichten, Richtung leistbares Wohnen. Als ein Gebäude am Wiener Getreidemarkt veräußert wurde, ging das Mobiliar laut Gutachten mit, "ohne erkennbares Entgelt". Der Schaden wird mit 296.000 Euro beziffert. Notabene: Die Beschuldigten bestreiten all diese Vorwürfe.

Millionen an Angeld verloren

Ein besonders großer Verlustposten entfällt auf Angelder. Die werden als Sicherstellung für die Erfüllung von Verträgen vorausbezahlt und verfallen, wenn der Deal doch nicht stattfindet. Im Falle Wienwert geschah das laut Sachverständigem vor allem unter Gruze, der 2016 in den Vorstand kam: Für vier Projekte flossen 4,95 Mio. Euro als Angeld, davon waren 4,25 Mio. Euro perdu. Allein mit der Nichtumsetzung eines Deals in Tulln waren 3,25 Mio. Euro weg.

Gruze, der zum Kreis der Beschuldigten zählt, betont auf Anfrage, dass Angelder gängige Instrumente bei größeren Immobilientransaktionen seien. Die rund drei verlorenen Millionen für den Tullner Deal seien erst durch die Insolvenzeröffnung verloren gegangen, argumentiert er: Der Masseverwalter hätte die Möglichkeit gehabt, das Geld durch einen Weiterverkauf zu retten, habe das aber nicht getan.

100.000 Euro für ein Term Sheet

Und wie erklärt Gruze die 100.000 Euro, die er laut Gutachten Mitte 2017 dafür bekam, dass Wienwert für 2017 eine (inzwischen höchst umstrittene) positive Fortbestehensprognose vom Prüfer bekam? Das stimme so gar nicht, sagt er. Das Geld sei, mit Aufsichtsratsbeschluss, für den Abschluss eines wichtigen Syndikatsvertrags mit einem Joint-Venture-Partner gewesen. Genauer für ein "Term sheet", also quasi den fixen Vertragsentwurf.

Was damit gemeint ist: Die Partnerschaft mit der staatlichen Bundespensionskasse, mit der Wienwert fortan Projekte entwickeln wollte. Aus der geplanten gedeihlichen Zusammenarbeit sollte dann aber nicht mehr viel werden, denn die Wienwert-Pleite kam dazwischen. (Renate Graber, 8.8.2021)