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PRO: Eine sinnvolle Maßnahme

von Klaus Taschwer

Noch sind die Infektionszahlen in Österreich relativ niedrig. Doch die Zahlen steigen, früher als vor einem Jahr. Zwei weitere Dinge sind anders als im Sommer 2020: Einerseits haben wir es nun mit einer sehr viel infektiöseren Virusvariante zu tun. Andererseits können wir uns künftig vor allem dank der Impfungen höhere Inzidenzen "leisten", ohne die Spitäler zu überlasten. (Allerdings erhöhen mehr Infektionen auch das Risiko der Entstehung neuer Mutanten.)

Als eine der nachweislich wirksamsten Maßnahmen gegen das Ansteigen der Infektionszahlen haben sich in Österreich regionale Kontrollen bei der Ausreise aus Hochinzidenzgebieten bewährt. Das passiert nun in zwei Gemeinden Osttirols, die bei den Infektionszahlen Werte überschritten haben, die man vorab auf Basis von Expertenempfehlungen festlegte.

Sind diese Kontrollen überzogen? Nein. Denn erstens gilt im Unterschied zur früheren Ausreisetestpflicht eine Zwei-G-Regel: Wer doppelt gegen Covid-19 geimpft ist oder eine Impfung nach Genesung erhalten hat, braucht keinen negativen CoV-Test. Zweitens bieten die Kontrollen einen sanften Anreiz, sich impfen zu lassen: In einer der beiden Gemeinden beträgt die Impfquote noch unter 40 Prozent, in der anderen unter 50 Prozent. Drittens müssen wir davon ausgehen, dass die vierte Welle kommen wird. Und wir haben es in der Hand, sie abzumildern – einerseits durch Impfungen und andererseits durch sinnvolle Vorsichtsmaßnahmen wie Ausreisekontrollen. (Klaus Taschwer, 12.8.2021)

KONTRA: Der Eingriff geht zu weit

von András Szigetvari

Erstaunlich, mit welchem Achselzucken Grundrechtseinschränkungen derzeit akzeptiert werden. Obwohl Menschen in den Osttiroler Gemeinden Innervillgraten und Oberlienz für fast zwei Wochen an der Ausreise gehindert werden, sofern sie nicht geimpft oder getestet sind, gibt es an dieser Maßnahme kaum Kritik. Dabei ist das keine Kleinigkeit. Die Bewegungsfreiheit ist eines der Grundrechte laut unserer Verfassung. Es geht hier nicht bloß darum, dass Menschen kein Konzert besuchen können ohne Impf- oder Testnachweis: Sie dürfen sich fast gar nicht bewegen.

Nun mag man einwenden, dass ein Test nur eine kleine Unannehmlichkeit ist. Stimmt. Aber nicht jene, die ihre Rechte in Anspruch nehmen, müssen begründen, warum sie das tun, sondern jene, die Freiheiten einschränken. Ansonsten findet eine Beweislastumkehr statt, und das ist für eine freie Gesellschaft bedrohlich. Aber wo sind die stichhaltigen Argumente?

Es besteht breiter Konsens darüber, dass das Ziel in der Pandemie sein muss, eine Überlastung der Spitäler zu verhindern. Daher kam es im Herbst zu Abriegelungen. Bloß ist die Sache jetzt anders. Die Corona-bedingte Auslastung der Intensivstationen in Österreich liegt bei zwei Prozent. Es gibt keinen Notstand. Dass sich das im kommenden Herbst ändern könnte, rechtfertigt jetzt diese Einschränkungen nicht. Für all jene, die sich schützen wollen, gibt es wirksame Impfungen. Die Eingriffe in Osttirol gehen zu weit, es braucht mehr Widerspruch.(András Szigetvari, 12.8.2021)