Wagen und deren Lenker in der Mythengeschichte der Menschheit gibt es reichlich, der Bursche am Steuer von Helios’ Solarwagen hat sich sogar in die jüngere VW-Konzerngeschichte eingetragen: Phaet(h)on. Kein Glanzkapitel, vom Absatz her. Nun sozusagen Aphroditos, ein Meerschaumgeborener, ebenfalls mythisches Szenario. Denn. Im Cupra Born kommen Materialien zum Einsatz, in den Sitzen etwa, die aus rezykliertem (Mikro-)Plastik stammen. Das Teufelszeug – kein natürlicher Meerschaum, sondern anthropogener Müll – wird aus dem Meer gefischt und wird in mehreren Schritten zu Granulat. Das dient dann als Basismaterial für einen Mikrofaserstoff.

Der Cupra soll Spaß machen und sexy sein, dazu passt die dynamische Optik. Er lässt sich aber auch kommod fahren.
Foto: Cupra

Cupra kooperiert da mit der spanischen Seaqual-Initiative. Vorbildlich, aber schweißtreibend am Rücken, wie einst beim gefürchteten Franzosenplüsch, dachten wir – aber nein, der Verdacht bestätigte sich bei den ersten Testfahrten in und um Barcelona keineswegs.

Und das mit den Sitzen ist noch längst nicht alles, etliche weitere Bauteile bestehen aus wiederverarbeiteten Kunststoffen.

Bleiben wir noch kurz im Ökokapitel. Gebaut wird der partialvegane Cupra im schönen sächsischen Zwickau, er läuft vom selben Band wie VW ID.3 und Audi Q4 e-tron, und dort wird netto-CO₂-neutral produziert, unter anderem durch Einsatz von österreichischem Ökostrom.

Ob letztlich das erste Elektromobil der jungen, dem Leistungsgedanken affinen Seat-Submarke das Zeug zur Legende hat, werden wir in ein paar Jahrzehnten wissen.

Foto: Cupra

Jedenfalls, aus den Doppelauspuff-Endrohren der E-Boost-Topmodelle kommt nur – Quatsch, gar nichts kommt raus, es gibt ja keinen Auspuff. Aber apropos E-Boost: Leistet 170 kW, gibt’s mit 58- und 77-kWh-Akku (Reichweiten: 420 und 540 km), Cupra pflegt damit sein junges, sportliches Image, die Eskalationsstufen sind per Knopf im Volant anwählbar – die Versionen mit 110 (45-kWh-Batterie, 349 km Reichweite) und 150 kW (58 kWh, 423 km Reichweite) haben das nicht.

Der nächste Punkt wäre der mit dem Öko-Fragezeichen. Die Franzosen haben ihren EU-zertifizierten Atom-Sauberstrom (Achtung: Ironie!), wir unseren unter anderem von der schönen blauen Donau, jedes Land hat so seine eigene bessere oder schlechtere Bilanz. Damit wären wir beim Saft-Laden selbst.

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Kann der Born in diversen Abstufungen, jeweils bezogen auf die Kapazität der Batterien. Die kleine (45 kWh netto) ist bei Wechselstrom mit 7,2 kW in sechsdreiviertel Stunden voll, bei Gleichstrom mit 50 kW in 42 Minuten zu 80 Prozent und mit (optional) 110 kW in 31. Beim 58-kWh-Akku sind es mit 11 kW (Wechselstrom) sechseinviertel Stunden, mit 120 (Gleichstrom) 35 Minuten, und beim großen Unterflur-Packerl (77 kWh) vergehen bei 11 kW siebeneinhalb Stunden, bei 170 38 Minuten. Erfreulich: Die 11-kW-Wallbox gehört zur Serienausstattung.

Aufgeräumtes, ergonomisches Cockpit, viel Stauraum.
Foto: Cupra
Grafik: Der Standard

Die ersten tausend Borns ("Born Alpha", ab Mitte November) sind übrigens schon weg, gegen Jahresende geht es weiter mit der Kombination 150 kW / 58 kWh, Marktstart für die restlichen Modelle ist im ersten Quartal 2022, wer jetzt bestellt, kommt irgendwann im Februar oder März zu ihrem respektive seinem Auto. Das dauert, meinen Sie? Die Halbleiterkrise wirft eben die ganze Branche zurück in ihren Auslieferplänen. Für das zweite Elektromodell, den Tavascan, hält Cupra aber an der Ab-Prognose von Herbst 2024 fest – in China ein Jahr früher.

Beim Design liegt der Born außen von der Silhouette her und auch innen näher am ID.3 als die beiden Audi Q4 e-trons. Dennoch ist ein überzeugender optischer Auftritt gelungen, sieht schnittig und dynamisch und vorwärtsorientiert aus, die vielen markentypischen Kupferakzente runden den sympathischen Eindruck ab. Ob die Katalanen echtes Kupfer verwenden? Falls ja, wird sich bald Patina zeigen. Dann wäre der Cupra auch in dem Punkt grün.

Im Fahrkapitel braucht der Born sich vor der rasch wachsenden Konkurrenz keinesfalls zu verstecken, die Ingenieure haben eine tadellose Fahrwerksabstimmung mit fühlbar eigenständigem Charakter hinbekommen, und was für ein Segen, denkt man sich oft bei dieser MEB-Konstellation mit 50:50-Achslast und Heckantrieb: Vorn lenken, hinten antreiben, herrlich entspannt und ausbalanciert fährt sich das. Nur übertreiben muss man es nicht in den Kurven, der Masse wegen. Prima Auto, der Born Aphroditos. (Andreas Stockinger, 23.10.2021)