Ja, da kann ich nur zustimmen. Ich wollte niemals so spät Mutter werden. Meine Mutter war mit mir schwanger, als sie – statistisch gesehen – am Höhepunkt ihrer Fruchtbarkeit war, mit 23. Mit 38 war ihre Schwiegermutter dadurch schon Oma. Es ist medizinisch erwiesen, dass die Fruchtbarkeit schon vor dem 30. Lebensjahr zu sinken beginnt. Das ist kein Geheimnis. Trotzdem werden Frauen heute immer später Mütter – in Österreich durchschnittlich mit 31. Ab 35 wird schon von einer Risikoschwangerschaft gesprochen. Die meisten Frauen lassen also den fruchtbarsten Zeitpunkt ihres Lebens verstreichen.

Warum habe ich ihn verstreichen lassen? Weil ich erst mit 30 meinen ersten unbefristeten Arbeitsvertrag mit fixem Einkommen hatte. Weil da kein geeigneter Partner war. Wenn wir Frauen vorwerfen, dass sie zu spät Mütter werden, sollten wir vielleicht auch nachfragen: Wo sind die Männer, die Mitte 20 schon Väter sein möchten? Oder sollen wir junge Frauen Mitte 20 nur mit 35- oder 40-jährigen Männern verkuppeln?

Kinder und erfülltes Berufsleben

Und ja, Frauen wollen vielleicht wirklich erst später Mütter werden. Weil sie diejenigen sind, die die Doppelbelastung von Familie und Beruf zu tragen haben. Das hat nicht erst die Pandemie gezeigt. Viele Frauen möchten heute eben beides: Kinder und ein erfülltes Berufsleben – anscheinend muss das auch 2021 noch betont werden.

Wann war für Sie der richtige Zeitpunkt für Kinder?
Foto: Imago

Die meisten Frauen werden trotzdem auch noch mit 30 plus problemlos schwanger. Gemeinhin sagt man, dass "nur" eines von sechs beziehungsweise eines von sieben Paaren mit Unfruchtbarkeit zu kämpfen hat. Tendenz allerdings steigend. Die Medizinerin Shanna Swan sieht gar das Überleben der Menschheit bedroht. Sie warnt in ihrem Buch "Count Down" deutlich: Die Spermienqualität ist in den letzten 40 Jahren so drastisch gesunken, dass bis 2045 die meisten Paare die Reproduktionsmedizin brauchen werden. Der Grund: Umweltgifte im Plastik, in Kosmetika und der hohe Einsatz von Pestiziden.

Trotzdem findet das Thema kaum Platz in der Öffentlichkeit. Es gibt ja immer noch "genug" Kinder. Und wer spricht schon darüber, wenn es einfach nicht klappen will mit dem Nachwuchs? Die Lösung gibt es bereits: die künstliche Befruchtung. Dass hinter einer Erfolgsrate von etwa 30 Prozent pro Versuch (bei Frauen über 35) auch 70 Prozent stehen, die kein Kind bekommen, wird gern verdrängt oder vergessen. Seit mein Mann und ich mit dem Thema beschäftigt sind, sprießen allein in Wien die spezialisierten Kinderwunschzentren wie Schwammerl aus dem Boden. Der Markt ist da – und angeboten werden viele, zum Teil sehr kostspielige Behandlungen. 2019 lag der Marktwert von Fruchtbarkeitsbehandlungen weltweit bei knapp 15 Milliarden Dollar.

Das Alter der Frau nicht das Hauptproblem

Der Staat fördert die In-vitro-Fertilisation (IVF) über den sogenannten IVF-Fonds und übernimmt dabei 70 Prozent der Kosten – nur bis zum 40. Lebensjahr der Frau. Diese künstlich eingezogene Grenze kann wissenschaftlich genauso kritisiert werden wie die Grenze von 35 Jahren für Risikoschwangerschaften. Selbst die Volksanwaltschaft hat sich jahrelang in ihren Berichten für eine Änderung des IVF-Fonds-Gesetzes ausgesprochen. Die Altersgrenze für einen staatlichen Kostenzuschuss bei In-vitro-Fertilisation sollte auf mindestens 42 Jahre gelegt werden.

Also: Ja, Frauen bekommen heute später Kinder – und die fruchtbaren Jahre liegen weit vor den 30ern. Es ist einfach, das Alter der Frauen zum Hauptproblem zu machen, greift aber viel zu kurz. Wir müssen uns mit den Tatsachen auseinandersetzen: Zum einen sinkt in den westlichen Ländern die Spermienqualität bereits stetig, und immer mehr Paare werden mit Unfruchtbarkeit zu kämpfen haben – unabhängig vom Alter. Zum anderen haben gesellschaftliche Veränderungen wie später Berufseinstieg und späte Mutterschaft schon längst stattgefunden. Deshalb sollten wir nicht länger über den richtigen Zeitpunkt für Mutterschaft diskutieren, sondern darüber, welche politischen, sozialen und juristischen Maßnahmen notwendig sind, um diesen Entwicklungen zu begegnen. (Christina Mayermann, 19.10.2021)