Der Künstler und Fotograf Simon Brugner hat mitten in Hartberg ein denkmalgeschütztes Barockhaus gekauft und möchte dieses nun putzen, freilegen, studieren, analysieren und öffentlich zugänglich machen.

"Ich bin durch den Ort spaziert, einmal quer durch Hartberg durch, und dann sah ich an einem der vielen leerstehenden Schaufenster einen Zettel mit einer Telefonnummer: ‚Zu verkaufen!‘ Bei der Telefonnummer hat nie wer abgehoben, aber ich konnte einfach nicht anders, ich bin hartnäckig geblieben, mich hat das Haus irgendwie magisch angezogen. Spätestens als ich dann den schönen, verwunschenen Innenhof gesehen habe, war es um mich geschehen. Das Gute ist: Das Haus war nicht teuer. Das weniger Gute ist: Die Sanierung wird sich wahrscheinlich ins Geld und in die Länge ziehen.

Noch in der Kennenlernphase: Simon Brugner in seinem Barockhaus im steirischen Hartberg.
Foto: Florian Albert

Aber ich mag das, und ich freue mich auf den Prozess. Ich stehe auf Bastlerhits, und für mich ist dieses Objekt ein Haus mit großer Geschichte und riesigem Potenzial – mit so großer Geschichte, dass ich fast zu viel Respekt habe, Hand anzulegen und gleich mit den Sanierungsarbeiten anzufangen, bevor ich das Haus überhaupt kennengelernt und verstanden habe. Wie kann man umbauen, wenn man nicht einmal weiß, was hier alles ist und was hier alles schon passiert ist?

Gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin Petra habe ich mich entschieden, das Haus erst einmal zu putzen, die hässlichen, nachträglichen Zubauten zu entfernen und die alten, historischen Schichten freizulegen. Das hat sich angefühlt wie Archäologie, und das war es ja auch. Zu Beginn war das eine Tuchmacherei, später dürfte das eine Bäckerei gewesen sein, in den letzten Jahrzehnten dann ein Friseursalon und zuletzt ein Handyshop. Als wir die neuen Laminatböden und all die nachträglich aufgedoppelten Schichten entfernt haben, kam die ursprüngliche Bauweise zum Vorschein. Und ich finde es unglaublich, was in der Schüttung und im Fußbodenaufbau alles zu finden ist, wenn man erst einmal zu stierln begonnen hat – von Ziegelschutt über Keramikscherben bis zu alten Münzen.

Das denkmalgeschützte Haus war im Lauf der Zeit schon Tuchmacherei, Bäckerei, Frisiersalon und Handyshop.
Fotos: Florian Albert

Besonders spannend war das vorsichtige Freilegen der Farb- und Putzschichten im Mauerwerk. Unter den Rigipsplatten kamen Pastellfarben, psychedelische Sechziger- und Siebzigerjahre-Tapeten, braune Wandfarben und ziemlich kräftige Rot- und Blautöne aus der Barockzeit zum Vorschein. Ein Restaurator, mit dem wir zusammengearbeitet haben, meinte, dass in diesem Haus die Farb- und Tapetenmoden, die sich im Schnitt alle 30 Jahre ändern, wunderbar abzulesen seien.

Es ist, als würde man ein Überraschungsei aufmachen. Und im Laufe der letzten Monate habe ich gemerkt, wie meine Sensibilität für dieses Überraschungsei mehr und mehr gestiegen ist. Wenn man sich so Schicht für Schicht durcharbeitet und in buchstäblicher Millimeterarbeit erfährt, wie viele Leben dieses denkmalgeschützte Haus schon überlebt hat, dann entwickelt man eine gewisse Demut gegenüber der Geschichte – und dann weiß man, dass man selbst eines Tages auch nur eine millimeterdicke Farbschicht sein wird und nicht mehr.

Im Rahmen eines Kunstprojekts plant Simon Brugner darin nun Lesungen, Konzerte und Ausstellungen.
Foto: Florian Albert

Die dünne Tapetenschicht, die hier oben im ersten Stock hinter der Küche zu sehen ist, berührt mich in gewisser Weise. Es fühlt sich an, als sei irgendeine der vielen Vorbesitzerinnen, der vielen Bewohnerinnen kurz schnell außer Haus, und so schaut’s halt aus. Vorerst wohnen wir hier so, wie es ist. Wir wollen noch nichts ändern, wir wollen uns mit den Umbauarbeiten Zeit lassen, und wer weiß, vielleicht wird das auch so bleiben.

"Vorerst wohnen wir hier so, wie es ist. Wir wollen noch nichts ändern, wir wollen uns mit den Umbauarbeiten Zeit lassen, und wer weiß, vielleicht wird das auch so bleiben", sagt Simon Brugner.
Foto: Florian Albert

In dieser Zeit des Haus-Kennenlernens wollen wir das Gebäude im Rahmen unseres Kunstprojekts "Haus lebt!" für die Öffentlichkeit öffnen. Während wir hier wohnen, möchten wir Leute zu Lesungen, Konzerten, Ausstellungen einladen und im Lauf der Zeit von den Hartbergern und Hartbergerinnen Geschichte und Geschichten lernen – und darüber laut nachdenken, wie wir in Zukunft mit Baugeschichte und Leerstand in unseren Gemeinden umgehen. Häuser leer stehen und verfallen zu lassen ist meiner Meinung nach ein Schaden an der Gesellschaft und an der Kultur, die wir gemeinsam aufgebaut haben." (Wojciech Czaja, 25.10.2021)