Auf der Baustelle fliegt alles. Um diese Jahreszeit die Blätter von den Bäumen; die Funken, wenn der Schmied den Hammer auf den glühenden Nagel schnellen lässt; die Splitter, wenn der Steinmetz einen Brocken in brauchbare Stücke schlägt. Ständiges Klopfen, Hauen, Ratschen, Klacken, Hämmern als Hintergrundgeräusch. Nur wenn der Wind den Lärm der B 317 herüberweht, bekommt die Illusion Risse.

Das sieht doch schon gar nicht schlecht aus. Wann die Burg fertig sein soll, ist nicht klar. Ihr Image hat sich aber enorm verbessert, seitdem man erste Ergebnisse sieht.
Foto: Pollerhof

Die Illusion: eine Rückkehr ins Mittelalter. Zumindest auf diesem Gelände in der kleinen Gemeinde Friesach in Nordkärnten, an der Grenze zur Steiermark. Hier wird seit 2009 eine Burg gebaut. Und das ohne technische Hilfsmittel. Sondern nur mit Methoden, die jenen des Mittelalters nachempfunden sind.

Auch die Arbeitshütten wurden selbst gebaut.
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"Wir sagen immer ‚nachempfunden‘, weil wir ja nicht wissen können, ob damals wirklich so gearbeitet wurde", sagt Gerald Krenn, Projektleiter des Burgbaus. "Wir haben durch verschiedenste Aufzeichnungen zwar eine gute Ahnung, aber mit Sicherheit können wir es nicht sagen."

Sicher ist, dass die Arbeiter im Mittelalter keine Lkws benutzt haben. Die kommen auch in Friesach nur zum Einsatz, wenn sie Steine oder Schotter bis vor den Eingang der Baustelle fahren. "Früher gab es dort einen Steinbruch", sagt Krenn und zeigt auf die gegenüberliegende Seite des Tals, "aber der ist nicht mehr im Einsatz. Deswegen müssen wir die Steine liefern lassen." Sind die Felsen abgeladen, übernehmen die Noriker die Schwerstarbeit.

Die Pferde ziehen schwer...
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...die Nägel sind selbstgeschmiedet.
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Idee aus Frankreich

Und Schwerstarbeit ist an jeder Ecke zu finden. Zwei Arbeiterinnen durchtrennen mit einer Zugsäge einen Baumstamm, der Schmied befeuert mit Schüben aus dem Blasebalg seinen Ofen, und mittendrin hieven sieben Männer einen Balken für eine neue Hütte auf die Stützen.

Wenn es etwas Schweres zu heben gibt, wird schonmal die eigene Arbeit liegen gelassen.
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Die Idee für den Burgbau zu Friesach kommt aus Frankreich. In Guédelon begann man 1997 mit dem Projekt, mittlerweile steht dort ein prächtiges Konstrukt.

Das Ganze in Kärnten umzusetzen, war die Idee der Archäologin Renate Jernej. Seit Baustart im Jahr 2009 gab es aber einige personelle Veränderungen. Jernej ist seit 2012 nicht mehr dabei, seitdem leitet Krenn die Baustelle. Hinter den Kulissen gab es Streitigkeiten, ob man nun die wissenschaftliche Korrektheit oder den Tourismus in den Vordergrund stellen wolle. Wenn die Burg einmal steht, soll ein Mittelaltermarkt drumherum entstehen.

Schon vor Beginn stand das Projekt auf der Kippe. Am Ende war es eine politische Entscheidung, unter anderem des ehemaligen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider. Nach einem Besuch in Guédelon kündigte Haider den Burgbau an – ohne konkreten Plan.

Bäh!

So hätte es vor allem am Anfang sehr viel Gegenwind gegeben. "Der ganze Bauplatz war ja früher ein Wald. Wir haben die ersten Jahre damit verbracht, alles frei zu hacken. Und wenn dann die Menschen die Bilder aus Frankreich gesehen und bei uns in den ersten Jahren keinen wirklichen Fortschritt erkannt haben, wurden kritische Stimmen laut. Das hat unserem …" Bäh!, unterbricht ihn eine der Ziegen, die frei auf dem Bauplatz herumlaufen. Sie sollen die Grünflächen abgrasen. "Das hat unserem Image am Anfang geschadet", wiederholt Krenn.

Skeptischer Blick. Kein Wunder, wenn jemand auf dem Mittagessen herumtrampelt.
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Dabei steckt hinter dem Projekt vor allem ein sozialer Aspekt. Der Bau wird unter anderem von der Europäischen Union, dem Land Kärnten und dem Arbeitsmarktservice finanziert. Denn neben den explizit dafür ausgebildeten Vorarbeitern (in der Regel Meister ihres Fachs, die noch einmal eine Weiterbildung vom Bundesdenkmalamt in Sachen mittelalterlichen Handwerks bekommen haben) und einer Handvoll Saisonarbeitern sind es vor allem Langzeitarbeitslose, die auf der Baustelle mitarbeiten. Man wolle sie auf den Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt vorbereiten.

Der Schmied lässt die Funken fliegen.
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Entschleunigung

Die Burg Friesach ist wohl das nachhaltigste Bauprojekt in ganz Österreich. Das Holz kommt entweder vom Baugrundstück oder vom Nachbarn. Den Kalk, der zusammen mit Schutt zu Mörtel verarbeitet wird, brennt man hier ebenfalls selber. Stämme, die nicht für den Bau geeignet sind, werden ausgehöhlt und zu Wasserrinnen umfunktioniert. Sogar die Werkzeuge und Nägel werden selber geschmiedet. "Wir nutzen hier alles, bis es wirklich nicht mehr geht", sagt Krenn. "Wenn wir etwas auseinander bauen, ziehen wir die Nägel wieder heraus und schmieden sie nach. Wenn man weiß, wie viel Arbeit in so einem Nagel steckt, schmeißt man den nicht einfach weg."

Burg Friesach hat sogar ein eigenes Wassersystem.
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Die Arbeit an der Burg hätte seinen Blick auf moderne Baustellen verändert, sagt Krenn. "Heutzutage muss alles immer schneller und schneller gehen. Hier geht es vor allem um Entschleunigung. Um die Faszination des Handwerks."

Wann das Projekt fertig sein soll, ist nicht klar. Auf der Internetseite stehen zwar 35 bis 40 Jahre, laut Krenn hängt das aber vor allem von der Finanzierung ab.

Bis dahin hackeln die Handwerkerinnen und Handwerker weiter und sorgen für den Soundtrack der Mittelalter-Baustelle. Stein für Stein. Funke für Funke. Blatt für Blatt. (poll, 23.10.2021)