Die Stadt Wien, hier ein Sujet der MA 48, gab 2020 rund 24 Millionen Euro für Werbung aus. Inklusive Tochtergesellschaften waren es 32 Millionen Euro.

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Wirtschafts- und Medienstadtrat Peter Hanke.

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Wien – Rund 223 Millionen Euro haben Österreichs staatliche Stellen und staatsnahe Betriebe im Jahr 2020 für Werbung ausgegeben, während in die Presseförderung gerade einmal neun Millionen Euro geflossen sind. Allein die türkis-grüne Regierung hat im Vorjahr gut 47 Millionen Euro in Inserate investiert, heuer waren es im ersten Halbjahr knapp 25 Millionen Euro. Dem gegenüber stehen 24 Millionen Euro der Stadt Wien, die 2020 in Werbung gepumpt wurden, beziehungsweise 32,5 Millionen Euro, wenn man die Tochtergesellschaften dazurechnet.

ÖVP-Politiker Andreas Hanger hat am Donnerstag in seinem Rundumschlag die Stadt Wien für ihre "Scheinheiligkeit" und "Doppelmoral" in Sachen Werbeausgaben kritisiert – DER STANDARD berichtete. Das ganze System sei vom Ex-Kanzler und früheren SPÖ-Wohnbaustadtrat Werner Faymann eingeführt worden. Es werde bis heute in der Stadt Wien praktiziert, sagte Hanger bei einer Pressekonferenz. Während die Bundesregierung für Inserate 5,3 Euro pro Einwohner ausgebe, seien es in Wien 19 Euro pro Kopf.

"Absurdes" Rechenbeispiel

Die Kritik will Martin Schipany, Leiter des Presse- und Informationsdienstes der Stadt Wien, nicht auf sich sitzen lassen. Das Rechenbeispiel sei absurd: "Wien ist größter und bedeutendster Medienstandort in Österreich mit einer Vielzahl an Medienkanälen und einem viel höheren Wettbewerb am Markt um die verfügbaren Zielgruppen", sagt Schipany zum STANDARD. Hanger berufe sich bei seiner Zahl auf die Werbeausgaben der Stadt Wien inklusive Unternehmenstöchtern, während bei der Regierung Unternehmen im Staatsbesitz nicht dabei seien.

Wo Wien inseriert

Von gleichen Methoden oder einem "System Faymann" könne nicht die Rede sein, denn die Stadt Wien orientiere sich bei ihren Mediaschaltungen an der erstmals 2018 durchgeführten Mediendiskursstudie, die Aufschluss über die Mediennutzung der Wienerinnen und Wiener gibt. "Die Mediendiskursstudie ist unser primärer Orientierungspunkt und die Basis für unsere Kalkulation", so Schipany. Größte Empfänger der Wiener Werbegelder – ohne die ausgelagerten Betriebe wie Wiener Linien oder Wien Holding – waren 2020 die Gratiszeitung "Heute" mit 3,7 Millionen Euro vor der "Kronen Zeitung" mit 3,5 Millionen und der Mediengruppe Österreich mit 3,2 Millionen Euro. An den STANDARD gingen 2020 1,9 Millionen Euro, im ersten Halbjahr 2021 sind es 1,2 Millionen Euro.

Wo sich Wienerinnen und Wiener informieren

Laut der kürzlich veröffentlichen Wiener Mediendiskursstudie geben 28 Prozent an, "Heute" zumindest mehrmals die Woche zu lesen, gefolgt von der "Kronen Zeitung" mit 25 Prozent. DER STANDARD steigerte sich – wie berichtet – von 22 Prozent auf 24 Prozent und liegt bei den Tageszeitungen somit an dritter Stelle, bei derStandard.at sind es 25 Prozent. "Österreich"/"Oe24" wird insgesamt von 20 Prozent der Wienerinnen und Wiener mehrmals die Woche gelesen, der "Kurier" von 19 Prozent, die "Presse" von 15 Prozent und die "Wiener Zeitung" von acht Prozent.

Für die Studie wurden insgesamt 2.022 Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner ab 16 Jahren befragt. Die Befragungen wurden vom Meinungsforschungsinstitut Ifes im Zeitraum vom 2. bis 28. Juni 2021 durchgeführt.
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Warum DER STANDARD trotz mehr Leserinnen und Lesern weniger Werbespendings als etwa die Mediengruppe Österreich erhält, erklärt Schipany folgendermaßen: "Es gibt nicht nur den einen Schlüssel für den Mediamix, sondern dieser ergibt sich aus den Kommunikationsprojekten mit Zielgruppen, Themeninteressen und Mediengattungen. Bei jedem Projekt heißt es, sich neu in die Daten zu vertiefen und den Mediasplit projektbezogen zu kalkulieren." DER STANDARD würde jedenfalls vom neuen Berechnungssystem profitieren, so Schipany, der betont: "Wir haben zu sämtlichen Medienhäusern ein Äquidistanzverhältnis."

Wiener Medieninitiative wird verlängert

In die Verlängerung gehen dürfte die im Herbst 2019 gestartete und bis 2022 befristete Wiener Medieninitiative. "Wir möchten sie auf weitere zwei Jahre und mit jeweils drei Millionen Euro verlängern", sagt Medienstadtrat Peter Hanke zum STANDARD. Die Wiener Medieninitiative ist bei der Wirtschaftsagentur Wien angesiedelt. Bis dato wurden 73 Projekte gefördert – insgesamt stehen 7,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Fördersummen, die von einer Jury vergeben werden, reichen von 10.000 Euro für Ideen von Start-ups bis zu 100.000 Euro für Projekte von Medienhäusern. Hier beträgt die Förderquote bis zu 60 Prozent der Kosten.

Hanke spricht von einem Erfolgsmodell: "Wir haben gesehen, dass oft das betriebswirtschaftliche Know-how fehlt. Die Ideen sind gut, journalistisch ist alles vorhanden, aber um es auf operative Beine zu setzen, bedarf es mehr. Wir sind mit dieser Förderung einer der Vorreiter in Europa."

Wien: Inseratenbudgets sinken seit 2015

In Sachen Werbung verweist Hanke darauf, dass die Stadt Wien die Ausgaben für Inserate seit dem Jahr 2015 sukzessive reduziert habe. Das war nicht zuletzt eine Forderung der Wiener Grünen für eine Koalition mit der SPÖ. Ohne Tochtergesellschaften gab Wien im Jahr 2015 noch 28,2 Millionen Euro aus. 2019 waren es beispielsweise 19,2 Millionen und 2020 aufgrund der Wien-Wahl mit über 24 Millionen wieder etwas mehr, was laut Hanke 0,15 Prozent des Stadtbudgets entspricht. "Es ist legitim, dass die Politik das kommuniziert, was sie tut. Ich stehe für Information und Transparenz", so Hanke. Im kommenden Jahr soll es einen Kommunikationsbericht für das Jahr 2021 geben.

Medienexpertinnen und -experten sind die Summen für die Regierungswerbung bereits seit längerer Zeit ein Dorn im Auge. Sie fordern eine Umverteilung der Gelder hin zu einer Journalismusförderung, die sich an Qualitätskriterien und Transparenz orientieren sollte. Nach dem Credo: Weniger Geld für Inserate und mehr Geld für die Medienförderung. (Oliver Mark, Grafik: Philip Pramer, 25.10.2021)