Das neue iPad 2021 bietet wenig Überraschungen – und das ist gut so.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Neben diversen anderen Gadgets hat Apple im Herbst auch eine neue Version seines 10,2 Zoll großen iPad auf den Markt geworfen. Dieses kann im mehrwöchigen Test des STANDARD auf ungewöhnliche Weise überzeugen – nämlich dadurch, dass es schlichtweg seine Aufgaben erfüllt und auch jene Dinge beibehält, die bei anderen Gadgets heutzutage fehlen. Und das zu einem Preis, der vergleichsweise günstig ist: Während das iPad Mini laut Apple-Website 549 und das iPad Air 649 Euro kosten, ist das "normale" iPad 2021 – auch bekannt als iPad der neunten Generation – ab 379 Euro zu haben.

Netzteil ist inkludiert

Dass Dinge beibehalten werden, die an anderer Stelle fehlen, fällt schon beim Unboxing auf. Denn während bei den neuesten iPhones lediglich noch ein Kabel und kein Ladegerät vorhanden ist, ist dieses beim iPad beigelegt. Klar, der Hersteller argumentiert das Weglassen des Ladegeräts mit dem Vermeiden von Elektroschrott – gerade Erstkunden freuen sich aber, dass sie hier kein zusätzliches Teil kaufen müssen.

Apfelwelt

Außerdem betont Apple in puncto Umweltgewissen, dass diverse Teile des iPad 2021 aus recycelten Materialien bestehen – so besteht das Chassis zu 100 Prozent aus recyceltem Aluminium. Erhältlich ist das iPad 2021 übrigens in Grau und Silber.

Viele, viele Anschlüsse

Der Ausflug in die Retro-Welt setzt sich fort, wenn man sich die Anschlüsse des iPad 2021 ansieht. Denn das Gerät fügt neben einem Lightning-Port am – im Hochkantformat betrachtet – unteren Ende des Geräts auch über jenen Klinken-Kopfhöreranschluss, der heutzutage bei so vielen Geräten weggelassen wird. Das bedeutet in der Praxis, dass es gleich mehrere Möglichkeiten zum Anschließen eines Kopfhörers gibt: über Apples hauseigenen Lightning-Stecker, über den Klinkenanschluss – der mit den meisten, auch günstigeren Kopfhörern funktioniert – und natürlich drahtlos via Bluetooth.

Die älteren Leserinnen und Leser erinnern sich: In solche Löcher haben wir früher unsere Kopfhörer gesteckt.
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Auf der rechten Seite des Geräts befinden sich die Lautstärketasten, die einen angenehmen Widerstand haben. Selbiges gilt für die Ein-Aus-Taste, die sich ebenfalls an der oberen Seite des Geräts befindet. Über Konnektoren an der linken Seite kann diverses Zubehör – wie smarte Cover und Tastaturen – angeschlossen werden.

Kein 5G, keine Gesichtserkennung

Ebenfalls nicht ganz zeitgemäß für das Jahr 2021 ist allerdings die mobile Internetverbindung, für die ein SD-Karten-Slot reserviert wurde. Diese setzt nämlich nur auf 4G, nicht auf das heutzutage von der Branche so stark propagierte 5G. Auf Wunsch gibt es aber auch eine Version, die nicht auf Mobilfunk, sondern nur auf WLAN setzt.

Das Entsperren des Geräts erfolgt entweder über PIN oder über den Fingerabdruckscanner, der sich auf der Home-Taste befindet. Im Gegensatz zu den neuen iPhones setzt man hier also nicht auf Gesichtserkennung – was in Zeiten des Maskentragens ohnehin eine praktikablere Lösung ist.

Ein Display, das knapp besser ist als Full HD

Apple betont, wie toll das iPad in der Arbeit oder in der Schule genutzt werden kann – aber seien wir uns einmal ehrlich: Die meisten Menschen verwenden diese Geräte, um im Bett Netflix – pardon: Apple TV+ – zu schauen. Und dafür ist die Qualität des Displays entscheidend.

Perfekt, um den STANDARD zu lesen.
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Dieses hat wie eingangs erwähnt eine Größe von 10,2 Zoll – also weniger als gängige Laptops, aber mehr als zum Beispiel das iPad Mini (8,3 Zoll). In der Praxis heißt das, dass die Größe locker ausreicht, um sich abends zu zweit eine Serie reinzuziehen, falls der Weg auf die Couch doch zu weit erscheint. Auch für die Darstellung digitaler Zeitungen – also des E-Paper des STANDARD – wirkt die Größe optimal. Und zum Surfen im Web sowieso.

Die Auflösung des iPad 2021 liegt bei 2.160 mal 1.620 Pixeln, was zwischen Full HD und 4K liegt und bei einem Bildschirm dieser Größe für die meisten Menschen auch ausreichen dürfte. Kritik gibt es an der in den Werbematerialien beschriebenen "Fingerprint-resistenten oleophobischen Beschichtung": Das klingt toll, aber machen wir uns bitte keine Illusionen – nach einem Abend mit fettigen Chips ist auch dieses Display reif für den Putzlappen.

Eine Kamera, die folgt

Ein weiteres Anwendungsszenario eines iPads sind Videokonferenzen, die auf dem größeren Screen natürlich mehr Spaß machen als auf einem kleinen Smartphone, während sich das iPad doch einfacher in der Wohnung herumtragen lässt als ein herkömmlicher Laptop.

Hier kommt die Ultraweitwinkel-Frontkamera mit 12 MP Auflösung zum Einsatz, die im Test bei der Bildqualität üblichen Ansprüchen entspricht. Das Besondere ist hier aber der "Folgemodus", bei dem sich die Kamera automatisch mitbewegt, wenn man sich bewegt. Zudem kann sie heraus- und hineinzoomen, wenn man sich vom iPad wegbewegt oder ein weiterer Gesprächspartner hinzukommt. Im Test hat dies problemlos funktioniert.

iPadOS 15

Das neue Betriebssystem iPadOS soll zahlreiche Funktionen bieten, die das Leben des Tablet-Users angenehmer gestalten. Eine dieser Funktionen ist die Splitscreen-View, bei der Apps im Horizontalformat nebeneinander angezeigt werden können. Ob dies wirklich funktioniert, hängt aber von der Unterstützung der jeweiligen App ab. So konnten wir das STANDARD-E-Paper neben der Keynote öffnen (was eventuell praktisch zum Erstellen von Präsentationen im Unterricht sein könnte), Netflix hingegen unterstützt dieses Feature nicht.

Gleichzeitig STANDARD lesen und "Foundation" schauen? Ja, warum eigentlich nicht ...
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Eine andere Funktion ist jene zum Erstellen von Schnellnotizen. Hier streicht man mit dem Finger (oder Pen) von der Bildschirmecke rechts unten diagonal hinauf, anschließend kann man handschriftlich oder via Tastatur eine Notiz festhalten. Das ist nett, aber nicht wirklich ein Must-have – im Alltag habe ich die Funktion so gut wie nie genutzt.

Außerdem werden Apps in iOS 15 auf Wunsch automatisch gruppiert, und Text in einem Bild kann automatisch erkannt werden – so wie man es vom iPhone kennt. Und auch hier gibt es die Fokus-Funktion, mit der man sich aus Benachrichtigungen ausklinken und konzentriert arbeiten (oder mal in Ruhe schlafen!) kann.

Leistung ist nicht alles ...

Ach herrje, über den Chip und die Rechenleistung haben wir noch gar nicht gesprochen ... Ja, der ist natürlich toll, zumindest in der Theorie. Es handelt sich um einen A13 Bionic, der – wenig überraschend – besser ist als jener des Vorgängers. Und zwar um 20 Prozent. Außerdem schreibt Apple, dass das neue iPad damit dreimal schneller als das meistverkaufte Chromebook und sechsmal schneller als das meistverkaufte Android-Tablet ist.

Das ist super. Allerdings ist es nun einmal so, dass diese Leistung in den meisten Fällen vermutlich ohnehin nicht ausgereizt wird – da eben die meisten Menschen Tablet-PCs ohnehin zum Schauen von Filmen und zum Lesen des STANDARD nutzen. Der Vollständigkeit halber habe ich aber auch diverse Games aus dem Apple-Arcade-Universum auf dem neuen iPad getestet, und sie liefen – Überraschung! – allesamt flüssig.

Auch Filme lassen sich auf dem iPad schneiden.
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Auch wer in iMovie einen Familienfilm schneiden möchte, kann sich nur begrenzt beklagen, wiewohl hier halt immer nur eine Videospur plus maximal einer Audiospur geschnitten wird. Im Test war es tatsächlich der Fall, dass der Schnitt bei einem einzigen Clip ruckelte, dies könnte aber auch am Material gelegen haben – denn alle anderen Dateien ließen sich problemlos schneiden. Einen Wermutstropfen gibt es beim Filmschneiden aber doch: Der auf den neuen iPhones angepriesene "Cinematic Mode" lässt sich in iMovie für iPad aktuell noch nicht bearbeiten – auf dem iPhone funktioniert das problemlos.

... außer beim Thema Akku

Der Akku hält laut Apple "für einen ganzen Tag" – was aber freilich sehr vage ausgedrückt und von der Verwendungsweise abhängig ist. In meinem Alltag kam ich zum Beispiel mehrere Tage mit einer Akkuladung aus, da ich einen Tablet-PC – im Gegensatz zu einem Smartphone – nicht durchgehend verwende.

Den Video-Hardcoretest habe ich aber natürlich auch durchgeführt – mit dem Ergebnis, dass ich mit einem voll aufgeladenen Akku rund fünfeinhalb Stunden lang 4K-Videos im WLAN auf Youtube abspielen konnte, bevor sich das Gerät ausschaltete. Wer also einen längeren Serienmarathon im Bett plant, der kommt mit einem voll aufgeladenen iPad recht gut durch den Abend.

Fazit

Ach, was soll man sagen? Tablet-PCs sind nun einmal die Stiefkinder der Tech-Gadgets, bei denen die Innovations- und Produktlebenszyklen deutlich länger sind als zum Beispiel bei Smartphones. Es ist natürlich ein wenig schade, dass das iPad der aktuellen Generation kein 5G unterstützt – aber braucht man das, um im Bett Serien zu schauen? Macht es überhaupt einen Unterschied, dass der Chip schneller ist? Ist es in der Praxis nicht eigentlich wichtiger, dass man jeden Kopfhörer der Welt anschließen kann?

Mein Fazit fällt äußerst positiv aus – aber nicht wegen der kleinen Innovationen, die Apple in dieses Gerät gepackt hat. Sondern wegen dem, was nicht weggelassen wurde. Wegen der einfachen und intuitiven Nutzbarkeit. Wegen der unaufgeregten Anwendungsszenarien. Und das alles zu einem Preis, der vertretbar ist. Wer große Sprünge und ein High-End-Produkt sucht, der ist beim iPad 2021 an der falschen Adresse. Wer aber ein solides Gerät mit einem brauchbaren Preis-Leistungs-Verhältnis braucht, der findet hier ein Gerät, das man vermutlich auch über die nächsten Jahre hinweg noch nutzen kann. (Stefan Mey, 31.10.2021)