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Die COP 26 dauert offiziell noch bis Freitag.

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Ein Reporter der britischen BBC fand am Dienstagabend ein ungewöhnliches Bild für die politischen Verhandlungen in Glasgow. Der Weg zu einer Abschlusserklärung bei der Weltklimakonferenz sei wie ein Schachspiel – in mehreren Dimensionen und mit Spaghetti statt Figuren. Was der Journalist sagen wollte: Es gilt unzählige Interessen zusammenzubringen. Dass beim Klimagipfel unter dem Strich eine Einigung erreicht wird, mit der alle Parteien leben können und die gleichzeitig auch in Sachen Klimapolitik ambitioniert genug ist, ist alles andere als selbstverständlich.

Wie eine Einigung aussehen könnte, steht jedenfalls seit der Nacht auf Mittwoch fest. Die britischen Ausrichter der Konferenz legten einen Entwurf für die politische Abschlusserklärung vor. Darin werden die Staaten aufgerufen, den Ausstieg aus Kohle zu beschleunigen und Subventionen für fossile Energieträger wie Öl oder Gas zu streichen. Um das Pariser Klimaziel von höchstens plus 1,5 Grad im Vergleich mit der vorindustriellen Zeit noch erreichen zu können, müsse der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase schnell, stark und nachhaltig sinken, heißt es. Die Rede ist von einer Reduktion um 45 Prozent bis 2030 auf netto Null zur Jahrhundertmitte.

Und: Staaten sollen laut Entwurf bis Ende nächsten Jahres ihre Klimapläne für 2030 aktualisieren. Auch wenn Glasgow keinen Plan bringen dürfte, der den Planeten auf Kurs Richtung Pariser Ziel lenkt, hoffen vor allem ärmere Staaten, die die Auswirkungen der Erderwärmung besonders stark spüren, aber auf stark nachgebesserte Klimapläne im kommenden Jahr.

Am Mittwochabend haben die beiden größten Treibhausgasemittenten der Welt, China und die USA, eine Vereinbarung für mehr Klimaschutz geschlossen. Der chinesische Klimagesandte Xie Zhenhua sagte: "Beide Seiten erkennen an, dass es eine Kluft zwischen den gegenwärtigen Bemühungen und den Zielen des Pariser Klimaabkommens gibt." Die Industriestaaten werden in dem Dokument aufgefordert, ihre Gelder für die Klimaanpassung "mindestens zu verdoppeln".

Kritik von Greenpeace

Aktivisten zeigen sich erfreut, dass im Entwurf überhaupt von der Abkehr von fossilen Energien die Rede ist. Bei vergangenen Konferenzen war man in diesem Punkt immer vage geblieben. Jetzt gehe es bei den Verhandlungen darum, dass sie nicht wieder aus dem Papier gestrichen werden, heißt es. In Summe fallen die Reaktionen aber überwiegend negativ aus.

So kritisiert etwa Greenpeace den Entwurf als ambitionslos. Jennifer Morgan, Chefin der Organisation, nannte den Plan eine höfliche Bitte an Staaten, "vielleicht, wenn möglich" im nächsten Jahr mehr zu tun. "Die Verhandler sollten gar nicht erst darüber nachdenken, diese Stadt zu verlassen, ohne einen Deal geschlossen zu haben, der den Herausforderungen gerecht wird", sagte sie. Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich, kritisiert die schwammigen Formulierungen und das Fehlen eines fairen Klimafinanzierungsbeitrags. Für den grünen EU-Abgeordneten Thomas Waitz "brauchen wir konkrete Vorschläge mit konkreten Zahlen – beides ist jetzt noch nicht vorhanden".

Der Entwurf betont, wie wichtig die Finanzierung der globalen Anstrengungen nicht nur im Kampf gegen den Klimawandel sind. Es brauche auch Geld für die Anpassung von Gesellschaften an die Klimawandelfolgen. Allerdings fehlen "echte Zahlen" und ein Finanzplan, kritisiert Greenpeace-Chefin Morgan. Das Kapital für Klimahilfen müsse hunderte Milliarden Dollar vorsehen.

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Gleich am Fluss Clyde in Glasgow findet die Weltklimakonferenz statt.
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Bereits 2009 in Kopenhagen haben die Industriestaaten dieser Welt zugesagt, ab 2020 insgesamt 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr an Klimafinanzierung zu mobilisieren. Im Mittwochfrüh vorgelegten Entwurf wird "mit Bedauern" festgehalten, dass diese Zusagen noch nicht eingehalten worden sind. Und dass es mehr als 100 Milliarden Dollar pro Jahr brauche. Die Industriestaaten wollen ihren Verpflichtungen ab 2023 nachkommen. Das begrüßt der Entwurf für die Abschlusserklärung. Betont wird aber, dass es besser wäre, wenn das Geld früher fließen würde.

Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000, kritisierte: "In diesem Entwurf ist kein Plan enthalten, wie die Klimapläne der einzelnen Staaten an die wissenschaftlich klar notwendigen Emissionsreduktionen angepasst werden sollen. Es gibt auch keinen Plan, wie man die Finanzierung von Klimaschäden abdecken will". Er sagt: "Das darf nicht das Ergebnis von Glasgow werden!"

Annäherungen

Am frühen Nachmittag gab es vonseiten der Verhandler kurze Stellungnahmen über die bisherigen Verhandlungen. Der britische COP-Präsident Alok Sharma sagte, dass er weiterhin erwarte, dass die Konferenz pünktlich am Freitagnachmittag abgeschlossen werden könne, man sei bereits weit. Am Ziel ist man aber noch lange nicht, wie man aus den Berichten der Verhandlungsgruppen hören konnte. Der norwegische Umweltminister Espen Barth Eide sagte etwa, dass es bei den Gesprächen zum Emissionshandel Einigkeit gebe, dass Glasgow ein Ergebnis bringen müsse. Aber man stehe noch nicht vor einer Einigung.

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Am Mittwoch ging es abseits der politischen Verhandlungen auf der COP 26 um das Thema Verkehr.
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Auch Regelungen, wie die verschiedenen Klimaziele vergleichbar gemacht werden können, fehlen noch. Die Schweizer Umweltministerin Simonetta Sommaruga berichtete von teilweise sehr unterschiedlichen Auffassungen in der Frage, in welchen Zeitabständen Staaten ihre Klimaziele nachbessern müssen. Allerdings sei Bewegung in den Gesprächen. Die Verhandler berichteten von einem Willen zur Einigung.

Was auch immer beim mehrdimensionalen Spaghetti-Schach am Ende herauskommt: Die Beschlüsse der Konferenz sind zwar völkerrechtlich bindend, wer sich nicht daran hält, muss aber mit keinen Sanktionen rechnen. Bestraft wird eine Nichteinhaltung durch die Natur. (Aloysius Widmann aus Glasgow, 10.11.2021)