Es gibt viele Wissenslücken zu füllen: Im Financial Life Park in Wien soll jungen Menschen Wissen über Geld und Finanzen spielerisch nähergebracht werden.

Foto: Erste Bank/Marlena König

Was ist ein Bankkonto? Die meisten Jugendlichen wissen darauf keine Antwort. "Viele denken, dass die Bankomatkarte das Konto ist", sagt Bettina Fuhrmann. Als Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik hat sie nicht nur etliche Studien über Finanzbildung erhoben, sie besucht auch Schulen und klärt über Geld auf. Die Forscherin weiß: "Die Wissenslücken sind enorm."

Nicht nur die Frage nach dem Bankkonto, auch der Geldwert ist für junge Menschen oft ein Rätsel. Laut einer Studie glauben zwei Drittel der Befragten, der Wert des Geldes steige, wenn die Preise steigen. "Dass genau das Gegenteil der Fall ist, haben sie nicht verstanden", sagt Fuhrmann. Zinsen hingegen können viele nachvollziehen – nicht immer jedoch ausrechnen. Zinseszinsen sind schon weniger vertraut. "Dabei sind es gerade die Zinseszinsen, die Verschuldeten oft zum Verhängnis werden", sagt Fuhrmann.

Nationale Schulstrategie

Dieses Unwissen hat im Übrigen nichts mit Desinteresse oder jugendlicher Lethargie zu tun. Fuhrmann bemerke bereits in den Volksschulen großes Interesse an dem Thema Geld. Eine Frage, die Kinder immer stellen: Warum drucken wir nicht mehr Geld, dann gibt es keine armen Menschen mehr? Erklärt man den Kindern, dass mehr Geld nicht mehr Rohstoffe bedeutet, verstehen sie das Konzept.

Das Problem liegt vielmehr am Lehrplan. Finanzbildung spielte bislang eine sehr untergeordnete Rolle an österreichischen Schulen. Rund ein Drittel der Jugendlichen hat laut eigenen Angaben im Unterricht noch nie über den sorgsamen Umgang mit Geld gesprochen. Weniger als ein Drittel hat das Thema nur vereinzelt behandelt. Das belastet die Jungen bereits während der Schulzeit.

Nicht gut vorbereitet

Laut aktuellem YEP-Jugendbericht fühlt sich jeder zweite Jugendliche (14 bis 20 Jahre) in Sachen Finanzbildung nicht ausreichend auf die Zukunft vorbereitet. Auf einer Skala von eins bis zehn strafen die Schülerinnen und Schüler die finanzielle Wissensvermittlung im Unterricht mit einem kläglichen Wert von 3,6 ab. Zudem hat bereits jeder Fünfte Angst, geborgtes Geld nicht zurückzahlen zu können. Für Bernd Spalt, Chef der Erste Group, läuten an dieser Stelle die Alarmglocken. Er sieht die Politik in der Pflicht und fordert, "die nationale Finanzbildungsstrategie mit Leben zu füllen".

Zur Erklärung: Vor wenigen Wochen hat Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) gemeinsam mit Nicola Brandt, Leiterin des OECD Berlin Centre, den Fahrplan zur nationalen Finanzbildungsstrategie vorgestellt. Umgesetzt werden soll dieser in den kommenden fünf Jahren.

Kein eigenes Schulfach

Er beinhaltet kein eigenes Schulfach für Finanzbildung. Das Thema soll allerdings fächerübergreifend ab der Volksschule in den Lehrplänen verankert sein. Lehrerinnen und Lehrern werden Schulungen angeboten. Beinhalten soll das Konzept Geldanlage, Verbraucherinnenrechte sowie -pflichten, Sensibilisierung für Betrug und Betrugsfälle sowie sicheren Umgang mit Krediten.

Ob es gelingt, dieses Konzept auch in die Schule zu integrieren, ist laut Fuhrmann aber eine andere Frage. Pädagogen hätten häufig Vorbehalte, über Wirtschaft und Geld zu sprechen. "Da können auch unangenehme Fragen der Schüler kommen, etwa ob man selbst einmal das Konto überzogen hat oder auf Internetbetrüger hereingefallen ist." Fuhrmann empfiehlt, Lehrer mit guten Unterrichtsmaterialien auszustatten und zu ermutigen, das Thema trotzdem zu besprechen.

Schuldner immer jünger

Schlechte Finanzbildung hat gesamtgesellschaftliche Auswirkungen. Fuhrmann: "Überschuldung ist zunächst für den Einzelnen eine Tragödie, die nicht selten zu psychischen Problemen führt und sich somit auch auf das soziale Umfeld auswirkt." Umso wichtiger sei es, jeden zu befähigen, das finanzielle Wohlbefinden zu regeln. Kommt es zu einer großen Zahl von Insolvenzen, betrifft es schließlich alle Mitglieder einer Gesellschaft.

Die drastischen Auswirkungen von nicht vorhandener Finanzbildung zeigt der jährlich erscheinende Schuldnerreport. Knapp ein Viertel der Klientinnen und Klienten der Schuldnerberatung war im Vorjahr 30 Jahre oder jünger. 13,5 Prozent der Privatkonkurseröffnungen betrafen zudem Personen unter 30.

Viele Junge in Konkurs

Laut Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der Schuldnerberatung, hat das verschiedene Gründe, aber der unsichere und unerfahrene Umgang in wirtschaftlichen Belangen spiele eine große Rolle. "Das ist ein Ruf nach mehr Finanzbildung", sagt Mitterlehner. Gerade der Beginn des Berufslebens, die erste eigene Wohnung oder die Zeit der Familiengründung ist eine "riesige Herausforderung, mit dem Einkommen ein Auslangen zu finden. Da muss man gar keine großen Fehlentscheidungen treffen."

Die Statistik zeige, eine gute Ausbildung schütze am besten vor Armut und Überschuldung. Mitterlehner: "Wenn zu einer schlechten Schulbildung ein geringes Finanzwissen dazukommt und vielleicht auch von der Herkunftsfamilie wenig Unterstützung möglich ist, ist die Gefahr groß, in jungen Jahren in finanzielle Probleme zu kommen."

Jugendliche einbinden

Um die Jungen sichtbar und ihre Forderungen nach mehr Finanzbildung hörbar zu machen, hat der Erste Financial Life Park (Flip) einen Jugendbeirat gegründet. "Das fünfköpfige Gremium soll uns unterstützen, die Themen zu bearbeiten, die den Jugendlichen wichtig sind", sagt Flip-Leiter Philip List.

Die Jugendlichen einzubinden, empfindet Fuhrmann als durchaus sinnvoll. Allein, man dürfe sich nicht erwarten, dass die Zielgruppe für alle inhaltlichen und didaktischen Fragen die besten Experten sind. "Bildung soll auf die Zukunft vorbereiten." Umso wichtiger ist, ein gutes Programm zu erstellen. (Julia Beirer, 15.11.2021)