Die Initiative funktioniert ein bisschen wie die Ö3-Wundertüten-Aktion, wenngleich freilich in kleinerem Rahmen: Man sortiert alte Sachen aus – und spendet sie für einen guten und nachhaltigen Zweck. "Hinter dem Lieblingsstapel an Kleidung verbirgt sich immer noch der eine Stoß, den man nie anzieht und jemandem geben könnte, der ihn dringend benötigt", sagt Gregor Kury, einer der beiden Gründer des jungen Wiener Textilunternehmens Mjuks, das Medizinkleidung herstellt.

Wenn Kury von überschüssiger Kleidung spricht, meint er jene Arbeitswäsche, die Tausende Ärztinnen, Physiotherapeuten, Pflegerinnen oder Zahnarzthelfer tagtäglich tragen. Vieles davon schlummere – weil aus der Mode gekommen, ausgewaschen, zu klein oder zu groß – ungetragen in den heimischen Garderoben und könnte anderswo, in Tansania oder Kenia beispielsweise, noch einen wertvollen Dienst erfüllen.

Viel zu oft fehle es in afrikanischen Ländern noch an medizinischer Kleidung, die bei uns oft ungetragen im Kasten herumliegt. Das Wiener Start-up will den Transfer bewerkstelligen.
Foto: mjuks

"Unsere Partnerorganisationen vor Ort berichten uns, dass medizinisches Personal da teils immer noch mit Straßenkleidung, mit Jeans und T-Shirt im Operationssaal oder Behandlungsraum steht", sagt Kury dem STANDARD. Die fehlende Arbeitskleidung sei eine gefährliche Infektionsquelle. Freizeitkleidung könne im Klinikalltag schnell zum Bakterienbrutkasten werden, erklärt Jakob Hohenberger, der zweite Firmengründer. Korrekte Arbeitskleidung sei deshalb ein "essenzieller Teil der Hygienemaßnahmen im medizinischen Umfeld", und dafür wolle man mit der aktuellen Aktion Bewusstsein schaffen.

Keinerlei Kosten für Spender

Die Aktion sieht so aus: Vor Weihnachten kann man schnell und unbürokratisch helfen. Jeder und jede, der oder die überschüssige Medizinkleidung zu Hause hat und helfen will, kann sich online ganz einfach registrieren. Kurz darauf bekommt man dann das Versandlabel zugesandt, mit dem man sein Paket mit der gesammelten Kleiderspende kostenlos bei der nächsten Postfiliale abgeben kann. Alles von Hosen über Kasacks bis hin zu Kitteln sei erwünscht. Das junge Team kümmert sich dann um die Vorsortierung und darum, dass die Kleidung auch dort in Afrika ankommt, wo sie hinsoll. Bis 5. Dezember läuft die Aktion.

Manch einer könnte jetzt dazu verleitet sein, zu glauben oder zu sagen, dem Unternehmen gehe es doch nur darum, in den Kästen des Medizinpersonals Platz für die eigenen Produkte zu schaffen. Aber der Charity-Gedanke spielte bei Mjuks schon seit der Firmengründung Anfang des Jahres eine wichtige Rolle. Ein Teil des Gewinns wandert nämlich seit jeher an die Africa Amini Alama Foundation, ein 2007 von zwei Wiener Ärztinnen gegründetes Hilfsprojekt, das bereits Schulen, Waisenhäuser und mittlerweile auch ein Krankenhaus für Kinder in Tansania erbaute.

Von der IT in die Textilproduktion

Neben dem Charity-Aspekt geht es dem Unternehmen hauptsächlich um Komfort und Nachhaltigkeit. "Wenn sich die Leute ohnedies schon um mein kaputtes Knie kümmern müssen, sollte wenigstens deren Arbeitskleidung bequem sein", befindet Kury.

Die aus Kärnten stammenden Firmengründer kommen eigentlich aus der IT-Branche. Der Umstieg sei anfangs schwergefallen, zu einfach und schnell habe man sich vieles vorgestellt. Letzten Endes habe man aber den richtigen Weg gefunden und die Arbeitsprozesse angepasst. Für den Wechsel in die Textilproduktion soll eine jener Zoom-Telefonkonferenzen unter Freunden verantwortlich sein, die während des ersten Corona-Lockdowns zumindest für ein Minimum an Sozialkontakten sorgten. Ein befreundeter angehender Mediziner habe sich so über den fehlenden Komfort der Arbeitskleidung echauffiert, dass Kury ihm was Gutes tun wollte.

Jakob und Gregor kommen aus der IT-Branche und machen jetzt Medizin-Kleidung.
Foto: mjuks

Ein erster Prototyp mit modernem Schnitt gefiel, sodass sich Kury und Co im Zusammenspiel mit knapp 100 anderen Menschen aus dem Gesundheitsbereich Gedanken machten, was medizinische Kleidung denn heute so brauche. Neben mit einer Silberschicht überzogenen Stoffen, die Bakterien das Leben schwermachen sollen, waren es vor allem recht einfach zu lösende Designwünsche, die bisher viel zu oft vernachlässigt wurden.

Eine Tasche mehr hier, ein Gummibund für mehr Tragekomfort da. Ein Arzt, der beim Operieren seinen Ehering abnehmen muss und diesen in der Folge schon viermal verloren hat, wünschte sich eine kleine Ringtasche in der Hose und bekam den kleinen Wunsch von den Mjuks-Gründern erfüllt. Der Firmenname kommt übrigens vom schwedischen Wort "mjuk", das so viel wie weich oder zart bedeutet – die Kleidermarke soll sich schließlich auch gut anfühlen.

Produziert wird unter fairen Bedingungen in Portugal. Das Team machte sich selbst vor Ort ein Bild von den Arbeitsbedingungen, die gerade in der Textilindustrie nicht immer vorbildlich sind. Versendet wird nachhaltig ohne Plastikverpackungen in Kartons.

Vorerst liegt der Fokus aber einmal auf anderen Paketen – jenen, die in Afrika für sichere Arbeitsbedingungen sorgen sollten, nämlich. (Fabian Sommavilla, 13.11.2021)