Dieser Schädel eines T. rex – "Tristan Otto" – wurde durch das Forschungsteam untersucht.
Foto: RSNA / Charlie Hamm, M.D.

Die Vorstellung eines hungrigen Tyrannosaurus rex in freier Wildbahn ist beunruhigend. Die eines hungrigen T. rex mit Zahnschmerzen noch mehr – andererseits aber auch bemitleidenswert. Dass die räuberischen oder aasfressenden Legenden der Kreidezeit mit solchen Problemen zu kämpfen hatten, unterstreichen die Analysen eines deutschen Forschungsteams: Es untersuchte den versteinerten Unterkiefer eines Tyrannosaurus und stieß auf eine Wucherung, die wahrscheinlich im Zuge einer Krankheit entstanden ist. Die Ergebnisse wurden am Mittwoch auf der Jahrestagung der Radiologischen Gesellschaft Nordamerika (RSNA) vorgestellt.

Bei dem gescannten Individuum handelt es sich um "Tristan Otto" – eines von nur zwei originalen T.-rex-Skeletten, die in Europa ausgestellt sind. Und noch dazu eines der besterhaltenen – knapp die Hälfte der Skelettteile musste ergänzt werden, sein Schädel ist jedoch zu 98 Prozent komplett und beeindruckt seit 2015 im Berliner Museum für Naturkunde interessierte Gäste. Der rekonstruierte Tristan Otto ist zwölf Meter lang und etwa dreieinhalb Meter hoch; nach dem aktuellen Besuch in Kopenhagen soll er 2022 nach Berlin zurückkehren. Das zweite europäische Skelett eines T. rex trägt den Namen "Trix" und ist in den Niederlanden ausgestellt.

Schwierige Untersuchung von Tristan Otto

Dass es bei uns nur so wenige Ausstellungsstücke gibt, hat auch damit zu tun, dass in Europa bisher keine Exemplare entdeckt wurden. Man geht davon aus, dass sie in erster Linie in Nordamerika lebten. Im Westen des Kontinents gibt es die meisten Funde, Tristan stammt beispielsweise aus dem heutigen US-Bundesstaat Montana, wo er sich im Boden eines Privatgrundstücks versteckte und 2012, nach etwa 68 Millionen Jahren, wieder das Licht der Welt erblickte. Das Tier dürfte etwa 20 Jahre alt geworden sein und lebendig etwa sieben Tonnen gewogen haben.

In Berlin wird der Originalschädel separat vom Rest des Skeletts und den rekonstruierten Teilen ausgestellt: Er ist zu schwer.
Foto: AFP PHOTO / John MacDougall

Nach dem Fund wurde das Skelett Eigentum des dänischstämmigen Investmentbankers und Mäzens Niels Nielsen und seines Kompagnons Jens Jensen; der Name Tristan Otto setzt sich zusammen aus den Vornamen ihrer Söhne. Das Berliner Museum bekam den Tyrannosaurus als Leihgabe zur Untersuchung, Rekonstruktion und Ausstellung.

Vor kurzem erhielt ein Team der Radiologie an der Charité Berlin die Möglichkeit, einen großen Teil des linken Unterkiefers zu analysieren. Bei früheren Fossilstudien wurde oft Material entnommen und zerstört, um herauszufinden, wie sich die Überreste zusammensetzen. Und gerade bei massiven Fundstücken – Tristans Schädelknochen allein bringen es auf 180 Kilogramm – ist eine nicht invasive Untersuchung schwierig. Der Unterkieferteil zeichnet sich durch besonders hohe Dichte aus, die die Computertomografie erschwert und irreführende virtuelle Artefakte produzieren kann.

Antibiotika für den Fleischfresser

Durch die sogenannte Dual-Energy-Computertomografie (DECT) gelang es dem Forschungsteam dennoch, aussagekräftige Bilder zu produzieren. Dabei werden einfach gesagt Röntgenstrahlen auf zwei verschiedenen Energieniveaus statt auf einem einzigen verwendet.

Der Pfeil zeigt auf die abnorme Wucherung am Kieferknochen – links (A) in der CT-Rekonstruktion, bei B und C ist die Verteilung von Kalzium beziehungsweise von Fluor gekennzeichnet.
Foto: RSNA / Charlie Hamm, M.D.

So fiel eine Verdickung an der Oberfläche des Kiefers auf, die sich innen offenbar bis zur Wurzel eines Zahnes ausdehnte. In dieser Masse befindet sich auch eine Ansammlung des Elements Fluor, was auf eine verminderte Knochendichte hinweisen kann. Daraus leiten der Radiologe Charlie Hamm und sein Team die Diagnose einer Knocheninfektion ab – genauer gesagt einer Osteomyelitis. Diese kann beim Menschen mit Schmerzen einhergehen und wird mit Antibiotika und chirurgischen Mitteln behandelt. Dem fleischfressenden Saurier dürften diese Methoden kaum zur Verfügung gestanden haben, außer vielleicht, er hat mit bestimmten antibakteriell wirkenden Pflanzen gute Erfahrungen gesammelt.

Zahnweh bei Tyrannosaurus

Tristan war sicherlich nicht der einzige Tyrannosaurus mit Zahnproblemen: Bisherige Untersuchungen am Skelett von "Sue", das im naturhistorischen Museum von Chicago ausgestellt ist, heben Schädigungen am Unterkiefer hervor. Diese werden teilweise als Bissspuren, aber auch als Spuren bakterieller Infektionen interpretiert.

Tyrannosaurus Sue verfügt über einen eigenen Twitteraccount.

Sue steht bereits auf der Liste der Fossilien, die das deutsche Forschungsteam gerne untersuchen möchte. "Mit jedem Projekt ist unser Kooperationsnetzwerk gewachsen und hat sich zu einer multidisziplinären Gruppe an Experten aus den Bereichen Geologie, Mineralogie, Paläontologie und Radiologie entwickelt", sagt Charlie Hamm. "Das unterstreicht das Potenzial und die Relevanz der Ergebnisse für verschiedene wissenschaftliche Felder." (sic, 1.12.2021)