Ab 1. Februar kommt die Impfpflicht, Strafen sind aber erst ab 15. März zu zahlen.

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Einigkeit ist offensichtlich das Gebot der Stunde, wenn es um die Impfpflicht geht. Das wurde auch bei der Präsentation der Eckpunkte durch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Neos-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger deutlich. "Es war wichtig, dass die Opposition da eingebunden ist", hieß es von Edstadler. "Wir brauchen nun die Solidarität von allen in diesem Land. Die gemeinsame inhaltliche Arbeit gibt mir Zuversicht, dass wir gemeinsam aus der Pandemie kommen können", sagte Mückstein, das Virus kenne keine Parteipolitik.

Meinl-Reisinger merkte allerdings schon an: Die Regierung habe es verabsäumt, die Situation rechtzeitig unter Kontrolle zu bekommen. Pamela Rendi-Wagner von der SPÖ war nicht am Podium. Sie unterstützt den Entwurf jedoch, ließ sie ausrichten. Ihr Fernbleiben, so heißt es aus SPÖ-Kreisen, könne aber auch als mehr oder minder subtile Regierungskritik, was das Pandemiemanagement generell angeht, verstanden werden.

Abseits des Atmosphärischen wurden auch inhaltliche Fragen geklärt, das meiste davon war vorab schon durchgesickert. Ein fertiger Entwurf wurde am Donnerstag um kurz vor 23 Uhr auf der Parlamentshomepage veröffentlicht – dem STANDARD lag er bereits davor vor. Die Eckpunkte wurden Donnerstagmittag präsentiert.

So wird die Impfpflicht laut Mückstein ab 14 Jahren gelten, die Ausnahmen blieben die bekannten – also für Schwangere, Genesene (180 Tage lang) und für jene, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können. Was Strafen angeht, so soll es einerseits abgekürzte Verfahren geben, bei denen das Höchststrafmaß bei 600 Euro liegt. Wird ein ordentliches Verfahren eingeleitet – etwa wenn die Strafe nicht bezahlt wird –, steigt das Strafmaß auf bis zu 3.600 Euro. Eine Strafe kann alle drei Monate verhängt werden, Ersatzfreiheitsstrafen soll es keine geben. Außerdem wurde ein Enddatum für die Impfpflicht kommuniziert: Das Gesetz soll bis Ende Jänner 2024 gelten.

Sorge um Ausnahmeatteste

Heftig diskutiert wurde vorab die Frage, wer denn ein Ausnahmeattest von der Impfpflicht ausstellen darf. Nun ist – zumindest im Entwurf – fix, dass das neben Amtsärztinnen und Amtsärzten auch Ärzte und Ärztinnen aus einer breiten Palette anderer Fachrichtungen dürfen, etwa Hausärzte, Kinderärztinnen, Psychiaterinnen und Hautärzte. Von der Ärztekammer, aber auch von Juristen kam zum Teil Kritik an dieser Bestimmung, weil das einerseits die behandelnden Ärzte und Ärztinnen unter Druck bringt und andererseits die Gefahr von Gefälligkeitsgutachten besteht. Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres sagte am Donnerstagabend in der "ZiB2", dass man versuchen werde, dass neben Amtsärzten nur eine beschränkte Gruppe von Experten Atteste ausstellen sollen darf. Dafür seien noch Gespräche am Laufen.

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Seit Donnerstag gibt es auf der Website des Sozialministeriums jedenfalls eine Guideline, in der geregelt ist, welche Erkrankungen ein Ausnahmegrund sein können. Außerdem sollen im Impfpflichtgesetz auch dafür Strafen vorgesehen sein: Für Ärzte und Ärztinnen, die ein falsches Ausnahmeattest ausstellen, wird es eine Verwaltungsstrafbestimmung mit einem Strafausmaß von bis zu 3.600 Euro geben.

Formulierung laut Experten zu vage

Meinhard Lukas, Rektor der Johannes-Keppler-Universität in Linz, wirft dazu aber noch einen weiteren Problempunkt ein: nämlich was denn eigentlich so ein Ausnahmegrund sein kann. Im finalen Entwurf ist die Rede von Schwangeren – Mückstein betonte am Donnerstag aber, dass es dennoch empfohlen sei, sich auch als Schwangere zu impfen –, aber auch von "Personen, die nicht ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit geimpft werden können". Das ist nach Ansicht von Lukas viel zu weit gefasst. Denn: Eine Gefahr für die Gesundheit sei freilich auch schon durch erwartbare Nebenwirkungen oder Impfreaktionen gegeben. Bleibt die Formulierung dann, wenn das Gesetz in Kraft tritt, derart vage, würde das Tür und Tor für eine Flut an Ausnahmeattesten öffnen.

Zwar ist ebenfalls geregelt, dass der Gesundheitsminister "durch Verordnung inhaltliche Vorgaben im Hinblick auf den Ausnahmegrund" festlegen kann, laut Lukas muss das aber auch im Gesetz schon vorgegeben sein: "Gesetze dürfen dem Verordnungsgeber nicht einen beliebigen Spielraum einräumen, das ist ein verfassungsrechtlicher Grundsatz."

Die Passage müsse also im Gesetz schon entsprechend enger definiert werden, "stünde da jetzt 'maßgebliche Gesundheitsgefährdung', dann wär das schon besser", sagt Lukas. Denn: jegliche Gesundheitsgefährdung könne man freilich auch nicht in Kauf nehmen, "das wäre auch nicht verfassungskonform", sagt Lukas.

Rattenschwanz an Konsequenzen für die Rechtsordnung

Was Lukas ebenfalls anmerkt: Er ist der Ansicht, dass bisher unterschätzt wurde, wie sehr sich die Impfpflicht auf andere Rechtbereiche auswirken wird. Kürzlich schloss Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) etwa mehr oder minder deutlich aus, dass die Impfpflicht "spezifische arbeitsrechtliche Konsequenzen" haben werde. Lukas dazu: "So eine allgemeine Impfpflicht greift in das Uhrwerk der Rechtsordnung erheblich ein", da würden sich im Arbeitsrecht neue Fragen auftun, genauso wie im Schulunterrichtsrecht oder bei Schadenersatzansprüchen – etwa, wenn ein Geimpfter durch einen Ungeimpften mit Corona infiziert wird. "Das ist keine Kleinigkeit", sagt Lukas, "ich glaube, dass das zu wenig bedacht worden ist."

Danach wurde auch Edstadler am Donnerstag befragt, sie sagte in Bezug auf arbeitsrechtliche Konsequenzen: "Es wird möglich sein, an die Impfpflicht auch Konsequenzen zu knüpfen", dem könne sie aber nicht vorgreifen.

Noch am Donnerstag soll das Gesetz jedenfalls in Begutachtung gehen und zwar bis zum 10. Jänner. Erwartbar ist, dass es zu zahlreichen Stellungnahmen kommt. Im Zuge der Reform des Covid-19-Maßnahmengesetzes und des Epidemiegesetzes wurden zigtausende derartige Stellungnahmen abgegeben, in vielen Fällen wortgleiche Anmerkungen aus der Corona-skeptischen Szene. FPÖ-Chef Herbert Kickl rief am Donnerstag ebenfalls dazu auf, Stellungnahmen abzugeben. Der war übrigens nicht in die Gespräche zur Impfpflicht eingebunden.

Selbigen Aufruf startete Kickl in Bezug auf eine Änderung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes. Dort geht es um die Beugehaft, die nach Ansicht Kickls nun auch Ungeimpfte treffen könnte. Das schlossen Regierungsmitglieder aus, auch Verfassungsjurist Bernhard Müller betonte kürzlich im STANDARD, dass im Rahmen der Impfpflicht keine Beugehaft infrage kommen würde. Fast 3.000 Stellungnahmen gingen dazu bereits ein. (Gabriele Scherndl, 9.12.2021)