Saskia Esken erhielt 76,7 Prozent Zustimmung, der neue Chef Lars Klingbeil 86,3 Prozent.

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Viele Parteitage hat die SPD in den vergangenen Jahren absolviert. Doch dieser hier ist ungewöhnlich. Denn diesmal geht ein Parteivorsitzender ohne Groll und Frust. Vielmehr sieht der 69-Jährige Norbert Walter-Borjans, der seit 2019 gemeinsam mit Saskia Esken die SPD übernahm, seine Mission erfüllt. "Vor zwei Jahren hat das noch ganz anders ausgesehen. Wir haben bittere Niederlagen hinter uns gehabt", sagt er in seiner Abschiedsrede und erinnert noch einmal daran, dass die SPD verhöhnt worden war, als sie Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten machte. Doch, so Walter-Borjans: "Dieser belächelte Traum ist Realität."

Daher tritt er nun ab und macht Platz für einen jüngeren: für Lars Klingbeil (42), den bisherigen Generalsekretär der Partei. Dieser gilt als logischer Nachfolger für Walter-Borjans. Er kennt die SPD gut und hat den erfolgreichen Wahlkampf für Scholz organisiert.

Dennoch sagt Klingbeil in seiner Bewerbungsrede: "Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, mit wie viel Demut und Ehre ich in diesen Parteitag gegangen bin."

Harte Zeiten

Auch er erinnert noch einmal an die zurückliegenden harten Zeiten für die SPD – insbesondere nach der Bundestagwahl 2017, wo sie auf einen historischen Tiefstand gesunken war, der in den Jahren darauf dann in Umfragen noch unterboten wurde: "Wir standen mit dem Rücken zur Wand, aber wir haben zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Wir haben an uns geglaubt, als die anderen uns abgeschrieben haben."

Und jetzt habe er schon Lust auf mehr. "Ein Sieg bei einer Bundestagswahl reicht mit nicht" sagt er. Die Partei könne ein "sozialdemokratisches Jahrzehnt" prägen. Dafür dürfe sie nicht um sich selbst kreisen und müsse flügelübergreifend zusammenstehen.

Auch Scholz hatte schon erklärt, er habe nicht vor, nach vier Jahren das Kanzleramt wieder zu verlassen.

Gute Chancen

Klingbeil sieht dafür gute Chancen denn: "Dieses Land klopft gerade Staub ab und bricht in eine neue Zeit auf." Er spricht vom "Muff der Konservativen" und sagt: "Mit der Politik des Abwartens ist nun Schluss." Denn die Union sei "in den Neunziger Jahren stehen geblieben". Dort herrsche "reine Fixierung auf Profit". Klingbeil: "Eine Partei, die so denkt, wählt auch Friedrich Merz zum Vorsitzenden."

Die SPD aber sei anders. Es gehe jetzt "in einen Transformationsprozess, der rasant sein wird". Es müsse "der Anspruch der SPD sein, dass aus den Veränderungen Verbesserungen" für die Menschen werden. Er appelliert außerdem an die Genossinnen und Genossen, die Geschlossenheit beizubehalten. Auch diese habe zum Wahlsieg beigetragen.

Klingbeil und Esken werden – gleich im Doppelpack – zu neuen SPD-Vorsitzenden gewählt. Esken erhält 76,7 Prozent Zustimmung, Klingbeil 86,3 Prozent. Sie bekommen fünf Vizes: den nordrhein-westfälischen SPD-Landesvorsitzenden Thomas Kutschaty, Arbeitsminister Hubertus Heil, die neue Bauministerin Klara Geywitz sowie die Chefin der Saar-SPD, Anke Rehlinger und die Vorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein, Serpil Midyatli. Der neue Generalsekretär (mit 77,78 Prozent Zustimmung) ist der frühere Juso-Chef Kevin Kühnert. Auch dieser will Kanzler Scholz unterstützen, hat aber schon gefordert, dass die SPD "hungrig" bleiben müsse.

Scholz: "Fortschritt ist möglich"

Der neue Kanzler Scholz war ebenfalls am Parteitag anwesend. Er erklärte, viele hätten das Gefühl in Deutschland "dass da jetzt etwas geschehen kann in dem Land". Er hoffe, "dass alle mittun wollen, dass dieser Aufbruch gelingt". Die Ampelkoalition "bedeutet Zukunft für unser Land". Aber: "Wir müssen die richtigen Antworten geben."

Die Menschen würden sich fragen ob das "alles" eigentlich gut ausgehe – "für mich, meine Kinder und Enkelkinder". Die Antwort der Sozialdemokratie darauf müsse sein: "Ja, es geht gut aus. Der Fortschritt ist möglich." (Birgit Baumann aus Berlin, 11.12.2021)