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PRO: Politische Hygiene

von Irene Brickner

Die Corona-Pandemie erlegt allen Menschen in Österreich schwere Bürden auf. Die meisten verhalten sich konstruktiv, halten die Regeln zur Verzögerung von Ansteckungen so gut wie möglich ein und lassen sich impfen. Sie setzen damit dem Virus solidarisch etwas entgegen.

Eine Minderheit von Seuchen-Trittbrettfahrern hingegen pfeift auf die Eindämmungsversuche. Rechtsextreme, Verschwörungstheoretiker und leider auch ein Großteil der FPÖ nutzen Aberglauben, flottierende Ängste und die oft berechtigte Kritik am Regierungsvorgehen als Ticket zur politischen Einflussnahme. Die Straße haben sie schon, jedes Wochenende ergießt sich die Wut eines aufgestachelten Mobs in die Innenstädte. Das prägt die Außenwahrnehmung des Landes.

Für viele kooperative Menschen in Österreich ist das in hohem Maß frustrierend, denn sie haben bis dato keine Stimme. Hier hakt der Plan für die als Lichtermeer bezeichnete Kerzen-Spalieraktion ein, die für kommenden Sonntag geplant ist. Sie will den über Gebühr geforderten Ärztinnen und Ärzten sowie dem Pflegepersonal Unterstützung signalisieren und Gelegenheit für Trauer um die inzwischen bereits mehr als 13.000 Corona-Toten in Österreich geben.

Und sie soll, unter Wahrung von Abständen und Maskenpflicht, wofür die Organisatoren zu sorgen haben, dokumentieren, dass die Konjunktur der Schreihälse ein Ende haben muss – ein wichtiger Beitrag zur politischen Hygiene. (Irene Brickner, 15.12.2021)

KONTRA: Kerzerlchaos

von Markus Rohrhofer

Woche für Wochen marschieren derzeit die Maßnahmen- und Impfgegner lautstark und aggressiv durch die Straßen. Zugegeben, man tut sich vor allem angesichts der steten Präsenz von Vertretern aus der rechtsradikalen Ecke immens schwer, hier noch das Recht auf Demonstrationsfreiheit hochzuhalten.

Es braucht eine starke Gegenstimme zu den schwurbelnden Krakeelern. Womit der Grundgedanke der Initiatoren des Gedenklichtermeeres durchaus nachvollziehbar ist.

Dennoch drängt sich die Frage auf, ob eine Großveranstaltung nicht die mit Abstand schlechteste Variante ist, der 13.000 Corona-Toten zu gedenken und vor allem den Maßnahmenbefürwortern eine Plattform zu geben. Jene Bürger, die sich in den letzten Wochen, Monaten, und Jahren an die Empfehlungen von Politik und Wissenschaft gehalten haben – keine großen Menschenansammlungen, Abstand halten, Masken –, jetzt zur Großveranstaltung zu laden, ist etwa so nachvollziehbar, wie Veganer zum Leberkäs-Catering zu bitten.

Hinzu kommt die wohl berechtigte Angst vieler Maßnahmenbefürworter, sich eventuell mit den Gegnern die Straße teilen zu müssen. Die Gefahr ist somit groß, dass die Zahl der Beteiligten beim Lichtermeer deutlich unter den Erwartungen bleibt. Der dann wohl unausweichliche Vergleich der Demos ist letztlich nur Futter für die Problembären. Auch ein "Fensterlichtermeer" allein kann ein starkes Zeichen sein. (Markus Rohrhofer, 15.12.2021)