Für den damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) war es schon fast Routine. "Sie wissen ja, ich habe eine gewisse Erfahrung mit so einer Situation. Es ist sehr unangenehm, wenn man ein reines Gewissen hat", kommentierte Blümel, nachdem Ermittler im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am 6. Oktober erneut das Finanzministerium durchsucht hatten.

Es war der große Schlag der WKStA, der später zum Rücktritt von Sebastian Kurz und seinem engsten Umfeld führen sollte – und wieder einmal standen das türkise Finanzministerium und dessen einstiger Generalsekretär Thomas Schmid im Mittelpunkt. Die Behörden sollen nun aufklären, dann werde sich die Angelegenheit wohl von selbst erledigen, meinte Blümel damals. Auch in seinem Ministerium wollte er die Sache untersuchen und ordnete zwei Tage nach dem Besuch der Staatsanwälte eine interne Untersuchung an.

Thomas Schmid – einst Generalsekretär im Finanzministerium, dann Öbag-Chef – steht im Zentrum der Ermittlungen.
Foto: APA / Hans Punz

Diese Untersuchung zeigt nun aber: Die Angelegenheit erledigt sich nicht von selbst. Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, fasste es am Donnerstag bei der Präsentation des Berichts so zusammen: "Der Vorwurf, den die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erhoben hat, hat sich nicht entkräften lassen. Das wurde vor Wochen ja noch anders gesehen." Blümel äußerte sich nicht zu den Ergebnissen, er ist bekanntlich vor zwei Wochen von all seinen politischen Ämtern zurückgetreten.

Mangelhafte Dokumentation

Die Ergebnisse der internen Untersuchung haben es in sich. Sie zeigen, dass die Kommunikationsabteilung im Finanzministerium über Jahre in Eigenregie und ohne Vergleichsangebote einzuholen Aufträge für Studien, Umfragen und Inserate vergeben hat, dass dafür die Kosten regelrecht explodierten und es kein Controlling oder Qualitätskontrolle gab.

Die Dokumentation dieser Vorgänge ist dabei mangelhaft: Von 28 Studien, die im Untersuchungszeitraum vergeben wurden, waren nur zwei im entsprechenden elektronischen Akt zu finden. Die anderen mussten von den Prüfern andernorts gesucht werden, zwei Studien tauchten gar nicht auf, eine nur teilweise. Alle drei sind aus der Feder von Sabine B., deren Anwältin sich in der Sache derzeit nicht äußern möchte.

Finanzminister Magnus Brunner muss für Aufklärung sorgen.
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In der Zusammenarbeit mit B., die ja auch den Kern der Inserate-und-Umfragen-Affäre darstellt, gibt es laut dem Bericht die größten Unregelmäßigkeiten. Für B.s Studie über Wirtschafts- und Budgetpolitik wurde am Ende mehr als viermal so viel ausgegeben als ursprünglich geplant. Die Kosten stiegen von 34.680 Euro auf 155.940 Euro. Warum es neun zusätzliche Rechnungen bis zum Endbetrag brauchte, sei lediglich mit "weiteren notwendigen Arbeiten" begründet worden.

Inserate als Gegenleistung

Sabine B. ist eine der Schlüsselpersonen in den Vorwürfen, die die Staatsanwaltschaft erhebt. Die lauten bekanntlich, dass es ab 2016 einerseits Inserate des Ministeriums als Gegenleistung für positive Berichterstattung über Sebastian Kurz in den Medien der Österreich-Gruppe gab.

Den Deal soll das Team Kurz genutzt haben, um den damaligen Außenminister als besseren ÖVP-Obmann denn Reinhold Mitterlehner zu inszenieren und um dann Kurz’ Weg ins Kanzleramt zu unterstützen. Für diese positive Berichterstattung sollen auch Umfragen verwendet worden sein, die Meinungsforscherin B. im Auftrag des Finanzministeriums erstellt haben soll.

Laut den Ermittlern soll es sich hier um Umfragen "mit ausschließlich (partei)politischen Inhalten" handeln. Die Kosten dafür seien "zuerst verdeckt" über Österreich abgerechnet worden. Danach habe B.s Unternehmen "mittels Scheinrechnungen" Studien für das Finanzministerium abgerechnet.

Verschwiegene Studien

Für diese Vorwürfe führen die Ermittler Chatnachrichten an. So schrieb B. beispielsweise an Thomas Schmid: "Was ich noch fragen wollte: Kann ich den Betrag für die Erhebung bei der qualitativen Studie dazurechnen?" Schmid bejaht eine Minute später. Ein anderes Mal wollte er nur persönlich über die Rechnungslegung sprechen – für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Der Bericht zeigt aber auch, dass das Parlament getäuscht bzw. den Abgeordneten Studien verschwiegen wurden. Das zeigt sich konkret, wenn man sich die Anfragebeantwortungen an die Neos bezüglich Studien ansieht.

Wie untersuchte das Finanzministerium nun die Vorgänge im eigenen Haus – insgesamt ziemlich genau neun Wochen lang? Fünf Personen der internen Revision, darunter der Leiter der Abteilung, Hannes Schuh, prüften alle Vergaben (Studien, Inserate) seit 2015, an welchen die Kommunikationsabteilung des Ministeriums beteiligt war, "auf ihre ordnungsgemäße Abwicklung". Fokussiert habe man sich dafür auf die "offizielle Welt", das heißt, es wurden vor allem elektronische Akten und zusätzlich übermittelte Dokumente durchgesehen.

Beschuldigter meldet sich zu Wort

Interviews mit in der Kommunikationsabteilung (ehemals) beschäftigten Mitarbeitern oder anderen Bediensteten wurden nicht durchgeführt. Laut Schuh eine ganz bewusste Entscheidung.

Denn sonst bestehe die Gefahr, zu sehr "expeditiv in andere Bereiche hineinzugehen": Er könne nicht jemanden befragen, der in einem anderen Verfahren Aussageverweigerungsrechte habe, so Schuh. Der von der WKStA wegen Untreue und Bestechlichkeit beschuldigte ehemalige Leiter der Kommunikationsabteilung, Johannes Pasquali, kritisiert genau diesen Umstand.

Wie der Bericht gemacht wurde, widerspreche der Revisionsordnung des Ministeriums. Demnach sei dem Dienststellenleiter rechtliches Gehör einzuräumen, danach müsse den betroffenen Dienststellen der Rohbericht übermittelt werden, diese hätten dann zehn Tage Zeit, Änderungsvorschläge bekanntzugeben.

Wolfgang Peschorn von der Finanzprokuratur: "Der Vorwurf, den die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erhoben hat, hat sich nicht entkräften lassen. Das wurde vor Wochen ja noch anders gesehen."
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Der Schlussbericht wäre dann unter Würdigung dieser Vorschläge zu erstellen. "Das alles ist nicht passiert, obwohl mein Rechtsanwalt in meinem Namen unter Verweis auf die Revisionsordnung schriftlich darauf hingewiesen und darum ersucht hat. Die Finanzprokuratur hat das schriftlich verweigert", sagt Pasquali, der alle Vorwürfe gegen ihn als "grundsätzlich falsch" zurückweist.

16 Empfehlungen

Die Crux: Zwar hat die interne Revision den Bericht erstellt, Leiter Schuh betonte am Donnerstag allerdings, dass es sich dabei nicht um eine klassische Revision gehandelt habe. Betitelt ist das Dokument mit "Studien und Inserate. Untersuchungsbericht der internen Revision".

Während sich Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht dazu äußern wollte, ob Pasquali noch im Finanzministerium tätig ist, gab Schuh zu einer anderen Mitarbeiterin der Kommunikationsabteilung Auskunft: Susanne Thier, Freundin von Sebastian Kurz, habe keine personellen Konsequenzen zu befürchten. Ihre Involvierung sei "nicht der Rede wert" gewesen, vereinzelt sei sie als Sachbearbeiterin aufgetreten.

Brunner will jetzt im eigenen Haus aufräumen. Es brauche eine gelebte Compliance, moderne und transparente Vergabeprozesse, und die Ausgaben für Inserate müssten zurückgefahren werden. Die interne Revision hat in ihrem Bericht insgesamt 16 Empfehlungen abgegeben, was es zu etablieren bzw. überarbeiten gibt. Der Bericht ging nun auch an die WKStA. (Lara Hagen, Fabian Schmid, 18.12.2021)