Das Coronavirus ist eine große Bewährungsprobe für Staaten und deren Gesellschaften. Österreich sollte bei der Bewältigung der Krise eigentlich gut abschneiden – es ist wohlhabend, gebildet und angeblich gut verwaltet. Doch nach zwei Jahren Pandemie zeichnet sich ein ganz anderes Bild ab: Nicht nur Staaten wie Dänemark, die für ihre Effizienz bekannt sind, haben die Pandemie besser gemeistert. Auch das für sein Missmanagement gefürchtete Italien steht nach der anfänglichen Katastrophe heute besser da. Die Durchimpfungsrate ist höher, und anders als Österreich betreibt Italien eine Ampel, mit der Corona-Maßnahmen an die jeweilige regionale Infektionslage angepasst werden. Das ist ein funktionierender Föderalismus.

Auch Österreich pflegt auf kleinerem Raum den Föderalismus – aber einen, der zum Fürchten ist. Weil der Bund die Verantwortung für Testen und Impfen frühzeitig an die Bundesländer abgegeben hat, erleben wir zwischen Boden- und Neusiedler See Kontraste im Corona-Management wie zwischen Kontinenten. Abgesehen vom Burgenland hat nur Wien erfolgreiche Impf- und Testsysteme aufgebaut, die der Metropole zu relativ niedrigen Infektionszahlen verhelfen. Dass die Spitäler in der Stadt dennoch stark belastet sind, liegt vor allem an den vielen Patienten aus anderen Bundesländern.

Wien und das Burgenland stehen im Pandemiemanagement besser da als die meisten anderen Bundesländer.
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Der Erfolg von Wien und dem Burgenland muss nicht unbedingt an den SPÖ-geführten Regierungen liegen; auch das rot regierte Kärnten weist seit Monaten große Mängel auf. Aber es fällt auf, dass die von der ÖVP dominierten Bundesländer im Westen sich zwar ihrer effizienten Verwaltung rühmen, aber in der Corona-Krise in einem skandalösen Ausmaß versagen.

Das große Scheitern

Im Herbst war es in Oberösterreich und Salzburg der Widerstand gegen Maßnahmen, der den Notstand in der vierten Welle gefördert hat. Nach Ende des Lockdowns sperrten Vorarlberg und Tirol trotz Rekordinfektionszahlen als Erste auf. Und nun scheitern die meisten Bundesländer beim Testen sowie beim Sequenzieren von Virusvarianten.

In Tirol wurde der Lockdown trotz hoher Zahlen früher beendet.
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Natürlich ist die Logistik in dünner besiedelten Regionen schwieriger als in der Großstadt. Aber das entschuldigt nicht das Fehlen einer Infrastruktur für PCR-Tests, die rasch und verlässlich darüber Auskunft gibt, ob jemand mit Sars-CoV-2 infiziert ist. Dass das möglich ist, hat Wien bewiesen.

Dass in Osttirol für die Impfung geworben wird, es aber bis zum Jänner zunächst keine Impftermine gab, klingt wie ein Schildbürgerstreich. Noch schlimmer ist die Tatsache, dass Österreich fast blind in den Omikron-Sturm hineinsteuert, weil viel zu wenig sequenziert wird. Auch da herrscht ein großes Ost-West-Gefälle: Wien verfügt über halbwegs gute Daten zur Ausbreitung der Mutation; Tirol und Salzburg, wo täglich britische Skifahrer mit dem Flugzeug landen, können oder wollen es nicht wissen.

Diese Mischung aus Schlampigkeit, Überheblichkeit und Ignoranz kostet Menschenleben und wirft die Frage auf, mit welchem Recht diese Länder auf so viel Autonomie pochen. Dass auch die Bundesagentur Ages oft Grund zum Ärger bietet, ist keine Rechtfertigung.

Vielleicht wird das neue Gecko-Krisenteam das Länderdesaster beenden und das Wiener Erfolgsmodell auf das ganze Bundesgebiet ausrollen. Auch das wäre ein Anlass, Österreichs Föderalismus grundsätzlich zu hinterfragen. (Eric Frey, 21.12.2021)