Ende November kamen bei Sotheby’s in Hongkong sechs Objekte zur Versteigerung, die einen Erlös von etwas mehr als einer Million Euro bescherten und einst in einer Wiener Privatsammlung beheimatet gewesen waren. In jener des 2012 verstorbenen Bauindustriellen Julius Eberhardt, der eine Passion für jahrhundertealte chinesische Artefakte hegte.

In den 1990er-Jahren hatte er sich von Architekt Luigi Blau eine 100 Quadratmeter große Wohnung in der Börsegasse zu einem Privatmuseum umbauen lassen. Die Ausstattung war luxuriös: Die Wände mit Thaiseide tapeziert, der Boden aus schwarzem Hügelstein, und die aus brüniertem Nirosta gefertigten Vitrinen beherbergten mehr als 250 Objekte.

Dieses jüngst sichergestellte Objekt aus der Sammlung Eberhardt erzielte rund 640.000 Euro.
Foto: Sotheby's

Im Sommer 2011 war die wertvolle Kollektion, die Eberhardt der JE-Familien-Privatstiftung vermachen sollte, aus Sicherheitsgründen ausgelagert worden, wie ein Vorstandsmitglied erzählt: zu Kunsttrans, dem bekanntesten Kunst- und Ausstellungslogistiker hierzulande, der auch über Depots zur Lagerung von Kunstobjekten verfügt.

Meldung bei Art Loss Register

Nach Eberhardts Ableben entschloss sich die Stiftung zum Verkauf der Sammlung, die im Herbst 2013 bei Sotheby’s in New York und beim Auktionshaus Nagel in Stuttgart versteigert wurde: bis auf sechs Gegenstände, die im Depot der Spedition nicht mehr auffindbar waren. Das sorgte für einige Unannehmlichkeiten, formuliert es das Vorstandsmitglied höflich.

Es gab jedenfalls Diskussionen darüber, ob diese Objekte überhaupt abtransportiert worden seien, und endete damit, dass die Stiftung eine Diebstahlsanzeige erstattete. Die Erhebungen liefen ins Leere, und die Versicherung galt den Schaden mit 850.000 Euro ab.

Die sechs Objekte wurden sowohl in der Interpol-Kunstdatenbank als gestohlen gelistet als auch beim Art Loss Register (ALR) gemeldet. Letzteres Unternehmen unterhält die weltweit größte Datenbank für in Verlust geratene Kunstgegenstände und ist für den Kunsthandel der führende Anbieter von Due-Diligence-Prüfungen.

Volltreffer

Im heurigen Frühjahr trudelte dort die Anfrage eines Österreichers ein, ob denn ein gewisses Speisegefäß aus Bronze (11. Jh. v. Chr.) in der Datenbank gelistet sei. Der Hintergrund: Er wollte es versteigern lassen, jedoch hatte das internationale Auktionshaus einen Herkunftsnachweis verlangt beziehungsweise eine solche Prüfung in Aussicht gestellt.

Die Abfrage bescherte einen wahren Volltreffer: Es handelte sich um eines der verschwundenen Eberhardt-Objekte im Wert von 80.000 Euro. Das ALR informierte das Kulturreferat im Bundeskriminalamt. Das Landeskriminalamt Wien (LKA) begann in der Folge zu ermitteln.

Dieser vom LKA jüngst sichergestellte Ring (Han Dynastie, 2. Jhd. v. Chr. – 2. Jhd. n. Chr.) war Teil eines Türklopfers. Die zugehörige Taotie-Maske wurde bereits 2013 bei Nagel in Stuttgart versteigert. Der Ring wechselte jetzt für rund 15.000 Euro in Hongkong den Besitzer.
Foto: Sotheby's

Zähe Ermittlungen

Mit einem überraschenden Ergebnis: Der neugierige Österreicher entpuppte sich als Täter. Er war Mitarbeiter einer anderen Spedition, die Kunsttrans ein Lager in der Laxenburger Straße vermietet hatte, zu dem er sogar Zutritt hatte. Bei mehreren Hausdurchsuchungen wurden nicht nur die fehlenden Gegenstände der Sammlung Eberhardt entdeckt, sondern auch noch weitere Kunstwerke, die er alle aus dem Kunsttrans-Lager gestohlen hatte.

Manches verwahrte er in der eigenen Wohnung, anderes auf dem Dachboden des Hauses seiner Eltern: Zeichnungen von Gustav Klimt, Grafiken von Egon Schiele, mehrere Holzskulpturen oder auch ein Porträt Kaiser Franz Josephs mit einer Goldschmiedearbeit des einstigen Hofjuweliers Köchert. Der Haken: Für diese knapp 30 anderen Objekte lag keine Diebstahlsanzeige vor, ein Umstand, der die Arbeit des LKA wesentlich erschweren sollte.

Auch Dom-Museum betroffen

Erst auf mehrmalige Nachfrage der Ermittler bei dem überaus auf Diskretion und weniger auf Kooperation bedachten Kunstlogistiker sollte sich nach einigem Hin und Her auch hier die Herkunft klären: Neben einem Privatsammler war vor allem das Dom-Museum der Erzdiözese Wien betroffen.

Das Fehlen der Objekte, etwa aus der Sammlung Otto Mauer, hatte man dort bereits im Jahr 2015 festgestellt, jedoch nicht zur Anzeige gebracht.

Dem Vernehmen nach kam es zu einem Vergleich mit den Versicherungen von Kunsttrans und dem Museum, die den Verlust mit je einem Drittel des Schätzwertes kompensierten, ein weiteres Drittel wurde dem Museum angerechnet. Warum die Kunstwerke auch bei den erwähnten Datenbanken nie gemeldet wurden, bleibt rätselhaft.

Johanna Schwanberg, seit 2013 Direktorin des Dom-Museums, will sich dazu nicht äußern. Nur so viel: Bei historisch gewachsenen Beständen sei nicht immer alles auffindbar gewesen. Mittlerweile sei alles inventarisiert und der Bestand wieder komplett.

Keine Antworten

Bei Kunsttrans selbst will man zu alledem jedenfalls kein Gespräch führen. Ein vom STANDARD übermittelter Fragenkatalog blieb unbeantwortet, stattdessen informierte man über Firmenprinzipien. "Als qualitativ führendes Unternehmen" dieser Branche gehörten "Professionalität, Sicherheit und Diskretion" zu den wichtigsten Aspekten. Und "diese Maxime verbietet uns zu konkreten Anfragen – von wem und von wo auch immer – Stellung zu nehmen und Auskunft zu geben", um nicht "das in uns gesetzte Vertrauen unserer Kunden nachhaltig zu schädigen".

Die Anzahl der Kunden, deren Gegenstände man in dem damals angemieteten Lager verwahrt hatte, bleibt ein Geheimnis. Kunsttrans will sie nicht nennen und auch keine Auskunft darüber er teilen, ob man ausschließen könne, dass noch andere Kunden von den damaligen Diebstählen betroffen sein könnten, für die das LKA den Tatzeitraum 2012 bis 2013 ermittelte.

Die in den letzten Monaten an mehreren Standorten sichergestellten Objekte hatten ein Wertvolumen von mindestens 1,3 Millionen Euro. Der Täter dürfte sich offenbar einen deutlich höheren Verkaufserlös erwartet haben: Kurz vor seiner Enttarnung hatte er bei Im mobilienfirmen Liegenschaften in einer Preisklasse von mehr als vier Millionen Euro sondiert. (Olga Kronsteiner, 23.12.2021)