Noch sinken – auch feiertagsbedingt – die Corona-Neuinfektionszahlen in Österreich. Experten rechnen aber wegen der hochinfektiösen Omikron-Variante bereits in Kürze mit der Trendwende.

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Wie mit der bevorstehenden Omikron-Welle umgehen? Das ist für Österreichs Bundesregierung jetzt die Gretchenfrage. Selbst Länder in Europa, die bereits voll von der stark mutierten Coronavirus-Variante erfasst wurden, gehen unterschiedlich damit um.

In Großbritannien etwa wurden am Heiligen Abend mehr als 122.000 Neuansteckungen verzeichnet, so viele wie noch nie. Gleichzeitig sahen am Stephanitag mehr als 53.000 Fans das Fußballspiel zwischen Manchester City und Leicester im Etihad Stadium. Indes zeichnete sich in den Spitälern in Großbritannien noch keine heftige Omikron-Welle ab. Ob diese zeitverzögert auftritt, wird sich wohl in den kommenden Tagen weisen. Auf die diesbezüglichen Daten wartet man auch in Österreich dringend.

Frage: Wie weit hat sich Omikron in Österreich bereits verbreitet?

Antwort: In Wien ist Omikron seit dem Stefanitag bei den infektiösen aktiven Corona-Fällen bereits dominant. Auch österreichweit zeichnet sich eine massive Dynamik ab, wie aus dem am Montag aktualisierten Variantenbericht der Ages hervorgeht. Demnach wurden in der Kalenderwoche 51 (20. bis 26. Dezember) mindestens 1.218 neue Omikron-Fälle registriert. Mindestens deshalb, weil laut Ages zeitverzögert noch "Nachmeldungen zu erwarten" sind. Diese Fälle wurden via PCR-Testverfahren oder Sequenzierung bestätigt.

In der Kalenderwoche 50 wurden 332 neue Omikron-Fälle detektiert. Im Wochenvergleich ist das also deutlich mehr als eine Verdreifachung. Berücksichtigt man Nachmeldungen, die vor allem aufgrund der Weihnachtsfeiertage zu erwarten sind, könnte es auch eine Vervierfachung der Omikron-Zahlen in nur einer Woche geben.

Frage: Heißt das, dass Omikron jetzt schon bundesweit dominiert?

Antwort: Im Büro von Wiens Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) geht man davon aus. Die offiziellen Zahlen der Ages bestätigen das aber noch nicht. Das Problem: Nur Wien hat dank der PCR-Test-Infrastruktur, wo alle Tests auch auf Omikron überprüft werden, einen Überblick über Varianten. In anderen Bundesländern ist man bisweilen im Blindflug unterwegs.

Insgesamt wurden in Österreich laut Ages bisher 1.697 Omikron-Fälle in Österreich bestätigt – alleine 1.065 davon in Wien. Im Nachbarbundesland Niederösterreich etwa wurden bisher insgesamt nur 160 Omikron-Fälle detektiert, in der Steiermark nur 42, in Kärnten nur 13.

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Frage: Wie sieht die Corona-Lage aktuell aus?

Antwort: Insgesamt wurden am Montag bundesweit 1.550 Corona-Neuinfektionen sowie 16 Todesfälle gemeldet – bei feiertagsbedingt weniger gemeldeten PCR-Tests als üblich. Wegen Omikron dürften die Zahlen aber schon in den nächsten Tagen massiv steigen: Das Covid-Prognosekonsortium geht in pessimistischen Modellen für die erste Jännerwoche von 15.000 Fällen pro Tag aus.

Frage: Was schützt gegen eine Infektion mit Omikron?

Antwort: Über Mund und Nase sowie eng anliegend getragene FFP2-Masken halten auch diese Virusvariante ab. Physischer Abstand zu haushaltsfremden Personen sowie das Meiden größerer Menschenansammlungen, vor allen indoor, helfen ebenfalls. Unter den Impfstoffen wirken drei Teilimpfungen, davon zumindest die dritte mit mRNA-Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna, zu rund 70 Prozent infektionsverhindernd. Wie rasch dieser Schutz schwindet, ist noch unklar. In Israel werden Studien über die Viertimpfung vier Monate nach der Drittimpfung durchgeführt. In Österreich wird der vierte Stich fallweise gegeben, etwa medizinischem Personal.

Frage: Was hilft gegen schwere Omikron-Erkrankungen?

Antwort: Zweimalige Impfungen mit mRNA-Vakzinen dürften hier wirksam sein. Am Montag veröffentlichte auch Astra Zeneca Daten, dass drei Teilimpfungen mit dem Vektor-Vakzin aus Oxford so gut wie zwei mRNA-Stiche schützen sollen. Weiters weisen erste Erkenntnisse darauf hin, dass auch der Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson gegen schwere Erkrankung nutzt. Durchgemachte Erkrankungen ohne mRNA-Booster hingegen schützen offenbar nicht.

Frage: Wie häufig sind Omikron-Durchbruchsinfektionen bei mRNA-geboosterten Menschen?

Antwort: Einzelfallberichte über derartige Infektionen oder auch Erkrankungen sind recht zahlreich. Wissenschaftlich Belastbares dazu gibt es bis dato aber nicht. Die Symptome in diesen Fällen sollen aber milde sein.

Frage: Was genau heißt "milde", was "schwer"?

Antwort: Laut einer WHO-Einteilung reichen ambulante milde Verläufe von Symptomlosigkeit bis zu Symptomen mit und ohne Einschränkung der Tagesaktivitäten. Als hospitalisierte milde Verläufe gelten Spitalsaufenhalte ohne Sauerstoffgabe oder mit Maske bzw. nasaler Atemhilfe. Hospitalisierte schwere Fälle verlangen nach Beatmung, Intubation oder Ecmo.

Frage: Was würde geschehen, wenn man Omikron einfach durch die Bevölkerung durchlaufen ließe?

Antwort: Aus medizinischer Sicht käme es zu Todesfällen, die vermeidbar wären. Laut Hans-Peter Hutter, Public-Health-Experte an der Med-Uni Wien, widerspricht das den ärztlichen Aufgaben, denen zufolge gefährdete Personengruppen mit allen zumutbaren Maßnahmen so weit wie möglich zu schützen sind, etwa durch die Impfung. Man müsse aber auch die Begleitfolgen der Maßnahmen im Blick haben, welche Konsequenzen diese für die Gesellschaft als Gesamtes haben. Viel schwerer zu beantworten sind die ethische und die gesellschaftspolitische Komponente dieser Frage: Wie viele Tote ist die Gesellschaft bereit, in Kauf zu nehmen? (FRAGE & ANTWORT: Irene Brickner, Pia Kruckenhauser, David Krutzler, 27.12.2021)