Es gibt ein Urlaubsfoto des Bundeskanzlers, das ihn - dicht an dicht - in einer Hütte mit (ausschließlich) Männern sitzend zeigt. Sein Sprecher datiert es mit 29. Dezember 2021 und legt Wert darauf, dass die 2G-Regel eingehalten worden sei:

https://twitter.com/Kosak_Daniel/status/1479720014119043073
Daniel Kosak

Am 30. Dezember, also einen Tag nach der Aufnahme dieses Fotos,  verlautbarte der Bundeskanzler auf Facebook, er wolle pandemiebedingt nicht am Neujahrskonzert teilnehmen:

https://www.facebook.com/nehammerkarl/posts/4762716323822882
Karl Nehammer

Am 7. Jänner erfahren wir, der Bundeskanzler sei positiv auf Covid-19 getestet worden.

Der Bundeskanzler habe sich, so lesen wir, am Mittwochabend, also am 5. Jänner, "offensichtlich" bei einem Mitglied seines Sicherheitsteams angesteckt, was am Freitag zu einem positiven Test geführt habe. Dieses "offensichtlich" ist bemerkenswert, gemeint ist wahrscheinlich "offenbar". "Offensichtlich", "offenbar" oder "anscheinend" ist hier aber nichts, denn es ist meines Wissens gerade eben nicht zwingend oder auch nur hoch wahrscheinlich, dass man am Freitag mit (annähernder) Gewissheit eine Infektion vom Mittwoch nachweisen kann. Richtiger als "offensichtlich" wäre daher ein "vielleicht", ein "möglicherweise" oder - meinetwegen, wenn man einen "Spin" zulassen will - auch ein "wahrscheinlich".

Aerosole in Innenräumen

Wer von der Infektion am Freitag, 7. Jänner, gelesen hat, erinnert sich vielleicht an die Pressekonferenz vom Vortag, also Donnerstag, 6. Jänner. Dort sprach und verkündete der Bundeskanzler geradezu demonstrativ ohne Maske, dass auch im Freien bei Nichteinhaltung eines Sicherheitsabstands von zwei Metern Masken zu tragen seien.

Kanzler Nehammer bei der PK ohne Maske.
Foto: APA/HANS PUNZ

Im Internet wird nun an allen möglichen Stellen spekuliert, wo und wie sich der Bundeskanzler angesteckt hat. Dem will ich mich gar nicht anschließen. Ich will auch nicht darüber nachdenken, ob es kommunikativ geschickt ist, sich in Herrenrunden maskenlos fotografieren zu lassen und (fast) gleichzeitig demonstrativ die Teilnahme am Neujahrskonzert abzusagen und maskenlos bei einer Pressekonferenz zu sprechen.

Stattdessen will ich fragen, ob im Monat 23 der Pandemie in Österreich, in der fünften Welle und nach dem vierten Lockdown, nicht endlich Anlass besteht, zur Kenntnis zu nehmen, dass diese Krankheit sich durch Aerosole in Innenräumen verbreitet und deshalb Regeln gelten und Vorbilder geschaffen werden müssen, die die Wahrscheinlichkeit einer Infektion in Innenräumen effektiv reduzieren und nicht nur symbolisch wirken, wie sporadisch getragene Masken, herumstehende Plexiglasscheiben oder 2G.

Dazu sind - konsequent getragene - Masken ein effizientes Hilfsmittel. Mehr als nur eine "klare Aufforderung zum Home Office", die der Gesundheitsminister bei eben dieser Pressekonferenz äußerte, wäre ein weiteres. In diesem Zusammenhang erinnern wir uns dann nochmals an die Pressekonferenz und ihre Folgen, zum Beispiel an diesen Tweet des Gesundheitsministers im Anschluss:

Es ist sehr begrüßenswert und vernünftig, dass der Gesundheitsminister sich nach diesem Kontakt mit einer infizierten Person in Selbstisolation begibt, zumal beide während der Pressekonferenz teilweise ohne Maske waren, Mückstein auch zum Husten oder Niesen:

Keine Kontaktpersonen mehr

Leider ist es nun aber so, dass auf derselben Pressekonferenz verkündet wurde, dass hinfort, wer dreifach geimpft ist, nicht (mehr) Kontaktperson ist und daher von einer Infektion in seiner Nähe weder verständigt wird noch in Quarantäne darf/muss. Wer also nicht Bundesminister oder etwas Ähnliches ist, erfährt von der Infektion des Sitznachbarn nichts und tut nichts.

Vielleicht ist die Infektion Nehammers also - endlich - doch noch einmal der benötigte Anlass, noch einmal, in größtmöglicher Ruhe und Transparenz, zu evaluieren, wo Infektionen wie wahrscheinlich sind, wie wir gesellschaftlich damit umgehen und was wir (alle, nicht nur die Regierung) daraus normativ machen. (Nikolaus Forgó, 11.1.2022)

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