Wälder spielen bei der Bekämpfung der Klimakrise eine zentrale Rolle. Darüber, wie die Waldnutzung in Zukunft aussehen soll, scheiden sich die Geister. Soll der Wald Rohstofflieferant sein? Garant für Biodiversität? Oder bloßer CO2-Speicher? All diesen Erwartungen gerecht zu werden dürfte in der Praxis nur schwer möglich sein. Das machte zuletzt auch die Debatte über die Waldstrategie der Europäischen Kommission deutlich.

Die Kommission fordert einen drastischen Wandel in der Forstwirtschaft.
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Die Kommission fordert darin einen drastischen Wandel in der Forstwirtschaft. Die Ideen: Die Bewirtschaftung soll künftig nachhaltiger werden, Holz vorrangig für die Verwendung als Baumaterial geschlagen werden. Der Vorschlag, der am meisten aufregt, ist eine "Prämie fürs Stehenlassen". Waldbesitzer, die ihre Wälder gänzlich unberührt lassen, sollen finanziell entschädigt werden.

"Klassischer Zielkonflikt"

Nach der Präsentation der Strategie hagelte es aus waldstarken Ländern wie Deutschland, Schweden und Österreich prompt Kritik. Besonders deutlich fiel sie hierzulande aus: Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) witterte gar eine Überschreitung von EU-Kompetenzen. Johann Seitinger, ÖVP-Landesrat in der Steiermark, sieht eine "Bedrohung für Arbeitsplätze, Eigentum und Klimaschutz". Eine Außernutzung-Stellung von Wäldern "kommt einer Enteignung gleich und ist ökologisch nicht sinnvoll".

Sein Argument: Bewirtschaftete Wälder hätten ein enormes Klimaschutzpotenzial. Denn ungenutzte Wälder sind CO2-neutral. Während junge Bäume wachsen und Kohlenstoff binden, verrotten tote Bäume und setzen CO2 frei. Bewirtschaftete Wälder speichern dagegen doppelt: einerseits im Wald selbst, andererseits in Form von Produkten, die aus dem Holz entstehen. Junge und stark nachwachsende Wirtschaftswälder können also viel CO2 aufnehmen – vorausgesetzt, aus dem Holz entstehen langlebige Produkte. Dazu kommt: Würde nur heimisches Holz verwendet, müsste nicht importiert werden.

Die Bewirtschaftung soll nachhaltiger werden, fordert die Kommission.
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Ganz andere Argumente haben die Befürworter der Strategie, die die ökologischen Vorteile in den Vordergrund stellen. So speichern naturbelassene Wälder etwa mehr Wasser, heizen sich weniger stark auf und garantieren Artenvielfalt. Die Diskussion um den Wald ist ein klassischer Zielkonflikt, erklärt Manfred Lexer, Professor für Waldbau an der Boku in Wien. Das zeige sich auch in den vielen verschiedenen EU-Programmen, die "nicht leicht in Einklang zu bringen" seien.

Die seit Jahren propagierte "Bioökonomie" ziele auf nachhaltige Nutzung biologischer Ressourcen. Dazu komme die Verwendung von Biomasse als Energielieferant. Gleichzeitig soll die Biodiversitätsstrategie die Artenvielfalt beschützen. Aktuell habe im Diskurs aber der Klimaschutz Oberwasser. Wälder sollen demnach als "Kohlenstoffsenken" dienen, die CO2 speichern.

Von der Klimakrise betroffen

Laut Lexer ist in der Waldstrategie der EU-Kommission der "konservierende Gedanke" stärker als andere. Welche Konsequenzen das auf andere politische Ziele hat, werde aber nicht näher diskutiert. "Es ist ganz klar, dass sich das nicht alles gemeinsam ausgehen wird", sagt Lexer. Bei allem Streit ist eines sicher: Österreichs und Europas Wälder sind nicht nur Problemlöser, sondern selbst von der Klimakrise betroffen – und müssen sich an die neuen klimatischen Bedingungen anpassen. Schon jetzt sind die Ökosysteme zum Teil überfordert. Borkenkäferbefall und zunehmende Trockenheit machen den Wäldern zu schaffen, Waldsterben ist die Folge.

Naturbelassene Wälder speichern mehr Wasser, heizen sich weniger stark auf und garantieren Artenvielfalt, sagen Befürworter der EU-Strategie.
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"Große Teile der Waldflächen müssen angepasst werden, um widerstandsfähiger zu sein", sagt Lexer. Der größte Hebel sei die Auswahl der Baumarten und die Bestockung des Waldes. So werde man etwa die Fichtenbestände, die kühlere Bedingungen gewohnt sind, durch andere Baumarten ersetzen müssen.

Wie der Wald überleben kann

"Der Wald muss in Zukunft jedenfalls baumdiverser sein", sagt der Wald-Ökologe Douglas Godbold, der meint, dass "er nur so überleben kann." Dafür müsse eine Abkehr von Mono- zugunsten von Mischkulturen stattfinden. Welche Arten harmonieren, testen Forscher seit 2013 in Tulln. "Wird diese eine Art von Schädlingen befallen, stirbt der gesamte Wald", sagt Godbold. Das schlimmste Szenario, denn jeder Wald bindet CO2, egal ob bewirtschaftet oder nicht. Wichtig sei eine sanfte Forstwirtschaft. Denn große Kahlschlagflächen zerstören den Boden. Der Waldboden könne genauso viel Kohlenstoff speichern wie die Bäume, sagt Godbold. Auch der Schutz des Waldbodens als CO2-Speicher sei der Sache dienlich.

Wälder sind bei Investoren stark nachgefragt

Wälder einfach stehen zu lassen grenzt an Enteignung", sagt Immobilienmakler Klaus Bischof. Er vermarktet Wald- und Forstwirtschaften und ist überzeugt, dass es keine Waldkäufer gibt, die nicht bewirtschaften wollen. Man müsse sich um den Wald auch kümmern. Borkenkäfer gehören bearbeitet, die Aufforstung des Mischwaldes sei notwendig, um Krankheiten und Schädlingen vorzubeugen.

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Der Vorschlag der Kommission werde noch viele Diskussionen nach sich ziehen, ist Bischof überzeugt. Zumal auch die Holzindustrie nicht einfach zu handhaben ist. Der Festmeterpreis liegt derzeit zwischen 80 und 90 Euro. Da sich der Holzpreis seit den 1970er-Jahren nicht wesentlich verändert habe, müssten die Forstwirte schon sehr gut wirtschaften, um eine Rendite von nur einem Prozent zu erzielen. "Der Festmeterpreis müsste eher bei 200 Euro liegen", sagt Bischof.

Wälder sind daher eher Anlageobjekte. Sie versprechen keine große Rendite, dafür einen grünen Fußabdruck. Letzteres ist für Unternehmen interessant, die ihre CO2-Bilanz ausgleichen wollen. Die Nachfrage ist seit Jahren viel größer als das Angebot, sagt Bischof. Der Quadratmeterpreis liegt bei durchschnittlich zwei Euro. Je nach Gebiet gibt es aber große Unterschiede. Entscheidend seien Jagdwert, Bodenwert und Bestandswert. (Julia Beirer, Jakob Pflügl, 10.1.2022)