Was genau ist eigentlich das Problem daran, dass die mündliche Matura heuer wieder verpflichtend sein soll? Im besten Fall kann man Fragen wie diese, die in Debatten über die Regeln für die Abschlussprüfung derzeit immer wieder gestellt werden, als ehrliches Interesse an der Situation der jungen Erwachsenen werten. Oft ist es auch einfach Unverständnis, das den Schülerinnen und Schülern in Diskussionen – vor allem von älteren Bevölkerungsteilen – derzeit entgegengebracht wird. Man musste schließlich auch selbst einmal vor einer Kommission die Matura ablegen. Es ist dabei nicht nur die Elterngeneration jener, die gerade protestierten, nicht nur die Boomer, die die Schulstreiks nicht nachvollziehen können, sondern auch die, die sich noch allzu gut an ihre eigene Schulzeit erinnern sollten.

An Österreichs Schulen wird gestreikt.
Foto: Stefanie Ruep

Und zum Teil haben die Kritikerinnen der Streikenden mit ihren Argumenten auch recht: Die mündliche Matura ist kein so großes Schreckgespenst wie die schriftliche Prüfung, die vor ihr abgelegt werden muss. Man kann sich viel leichter rausschwurbeln, wenn man einmal nicht mehr weiterweiß. Und ja, in vielen Fällen ist einem die Prüfungskommission ohnehin freundlich gesinnt.

Aber: Es ist schon auch einiges an Ignoranz, die da mitschwingt. Denn es wird völlig ausgeblendet, was jene, die kurz davor sind, ihre schulische Laufbahn zu beenden, in den vergangenen Jahren der Pandemie mitgemacht haben. Die Jungen haben nicht viel gemurrt, sondern mitgespielt, als es darum ging, die Älteren in der Gesellschaft zu schützen. Sie waren in Lockdowns mit ihren Familien eingesperrt, sind von heute auf morgen ins Distance-Learning gewechselt. Sie haben ihre Kontakte reduziert und haben verpasst, worauf man sich als Teenie freut – auf Freizeitaktivitäten, Konzerte und darauf, in Clubs zu gehen oder die Freundinnen und Freunde zu treffen.

Einschränkungen

Das hört sich banal an. Auf vieles davon haben alle verzichtet. Doch sind diese Einschränkungen gerade in einer solch identitätsstiftenden Phase, in der man sich selbst erst findet, besonders hart. Die Folgen der Selbstisolation der Jugendlichen sind bekannt: Die Zahl jener, die über psychische Probleme klagen, ist gestiegen, ebenso derer, die unter Zukunftsängsten und Leistungsdruck leiden. Bei der Beratungshotline Rat auf Draht wurde etwa im Jahr 2021 ein Zuwachs von über 200 Prozent an Beratungen wegen Überforderung in der Schule verzeichnet.

Die Abschlussklassen der vergangenen zwei Jahre wurden von der mündlichen Matura befreit. Wer wollte, konnte freiwillig antreten. Warum das heuer nicht gelten soll – für den Jahrgang, der bereits am längsten von der Pandemie betroffen ist –, ist sachlich nicht nachvollziehbar. Auch nach zwei Jahren Pandemie nimmt die Politik die Anliegen der Jungen nicht ernst. Es braucht hier dringend ein Umdenken. Statt dass ihre Sorgen kleingeredet werden, sollten die Vertretungen der Jungen in das Covid-Management einbezogen werden. (Oona Kroisleitner, 18.1.2022)