Am Donnerstagnachmittag stimmt der Nationalrat über das Impfpflichtgesetz ab.

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Durchaus emotional dürfte die heutige Abstimmung über die Impfpflicht in allen Parteien diskutiert worden sein. Innerhalb der SPÖ, die am Mittwoch noch Geschlossenheit demonstrierte, soll es zu hitzigen Debatten gekommen sein – und soll es zu Gegenstimmen kommen, wenn am Donnerstagnachmittag über das neue Gesetz abgestimmt wird. Was ist da zu erwarten?

Eines Vorweg: Die Mehrheit geht sich so gut wie fix aus. Die Regierung braucht, um das Gesetz durchzubringen, nur eine einfache Mehrheit, die sollte sie schaffen. Zudem wird voraussichtlich auch bei der SPÖ und den Neos der Großteil der Abgeordneten mit der Koalition stimmen.

Auffällig war allerdings, dass zu Sitzungsbeginn am Vormittag zahlreiche Mandatarinnen und Mandatare als abwesend gemeldet wurden: 14 von insgesamt 183. Sieben Fehlende stammen dabei aus den Reihen der Regierungsfraktionen, wobei das mitunter auch Erkrankungen geschuldet ist. Bei der ÖVP sind vier Personen nicht da (Kira Grünberg, Gudrun Kugler, Carina Reiter und Johann Singer), bei den Grünen drei (Ewa Ernst-Dziedzic, Ulrike Fischer und Martin Litschauer). Ernst-Dziedzic ist der Sitzung ferngeblieben, weil sie der Vorlage nicht zustimmen will. Eine entsprechende Ankündigung der Mandatarin war in der Klubsitzung am Mittwoch erfolgt. Die beiden anderen sind erkrankt, betont man.

Widerstand in der SPÖ

In der Opposition ist davon auszugehen, dass die FPÖ geschlossen gegen das Gesetz stimmen wird. Die beiden anderen Oppositionsparteien SPÖ und Neos waren, als die Impfpflicht im November verkündet wurde, mit im Boot der Regierung – zumindest deren Parteichefinnen: Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger war damals sogar bei der Pressekonferenz anwesend, Pamela Rendi-Wagner ließ ihre Zustimmung zumindest ausrichten.

Was die Klubs angeht, so ist die Einigkeit aber doch nicht ganz vorhanden: Bei den Neos werden wohl einige Abgeordnete gegen die Impfpflicht stimmen, angekündigt haben das bereits Gerald Loacker und Johannes Margreiter, wenige weitere Gegenstimmen sind möglich.

In der SPÖ wurde am Mittwochabend noch in einer Klubsitzung emotional diskutiert, auch da sind einzelne Gegenstimmen nicht ausgeschlossen. Dem Vernehmen nach betrifft das Teile der Gewerkschaftsfraktion, der Abgeordnete Rudolf Silvan hat sich vorab der Impfpflicht gegenüber skeptisch gezeigt und fehlt bei der Nationalratssitzung. Auch der Gewerkschafter Josef Muchitsch dürfte gegen das Gesetz sein, war am Donnerstagmorgen allerdings anwesend. Die Abgeordnete Petra Vorderwinkler ist dem Vernehmen nach ebenfalls gegen das Gesetz – und nicht anwesend. Auch Robert Laimer und Max Lercher fehlten im SPÖ-Klub zu Beginn der Nationalratssitzung.

Unter den anwesenden Abgeordneten dürfte sich aber eine überwiegende Mehrheit für die Impfpflicht aussprechen. Bis zur Abstimmung stehen jedoch noch einige andere Punkte auf der Tagesordnung des Nationalrats, die Impfpflicht wird wohl erst am frühen Nachmittag Thema sein. Ist das Gesetz erst einmal im Plenum beschlossen, muss es noch durch den Bundesrat. Das wird aller Voraussicht nach am 3. Februar passieren, auch da hat die Regierung die Mehrheit.

Drinnen die Abstimmung, draußen die Demo

Während im Parlament die Abgeordneten zusammensitzen, formierte sich schon am Vormittag draußen eine Versammlung von Impfpflicht- und Maßnahmengegnern auf dem Heldenplatz. Nachdem dort eine Bannmeile verhängt wurde, löste die Polizei sie aber bereits am frühen Vormittag auf. Gegen Mittag zogen etwa hundert Demonstrierende daher, begleitet von der Polizei, den Ring entlang. Sie versammelten sich zum Teil auch spontan beim Volkstheater und blockierten dort den Verkehr – die Polizei ließ sie gewähren.

Auch der Chef der rechtsextremen Identitären, Martin Sellner, war – wie häufig bei derartigen Demos – vor Ort. Die bekannten Rädelsführer der Corona-Demos hielten sich bisher zurück und dirigierten das Geschehen über den Messenger Telegram. Das erklärte Ziel ist offensichtlich, an mehreren Orten in der Wiener Innenstadt für Chaos zu sorgen.

Auf Plakaten und Bannern waren die bekannten Schriftzüge zu sehen: Da wurde Stimmung gegen die Impfung und gegen einen "experimentellen Impfzwang" gemacht, außerdem hieß es: "Nur Gott soll mich führen". Die Teilnehmenden riefen "Widerstand" und "Wir sind das Volk" – auch das ist nicht neu. Das schien einige "Grüne für Grundrechte" nicht zu stören, von denen sich etwa 20 Personen der Demo angeschlossen haben. (Theo Anders, Vanessa Gaigg, Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 20.1.2022)