Staatsanwältin Hulda Karlsdottir während der Verhandlung. Im Hintergrund Anders Breivik (links) und sein Verteidiger Øystein Storrvik (rechts).

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Bereits am ersten Tag der Verhandlung über eine vorzeitige Haftentlassung ließ der norwegische Massenmörder Anders Breivik keinen Zweifel daran, dass sich seine politische Einstellung nicht geändert hat. Von Schildern, die einen angeblichen "Genozid an weißen Nationen" anprangern, über den Hitlergruß, den der 42-Jährige auch dem Richter entgegenstreckte: Breivik ist weiterhin Nationalsozialist durch und durch.

An den drei Verhandlungstagen im Turnsaal der Haftanstalt Skien hörte das Gericht Telemark Argumente, die für, und solche, die gegen eine vorzeitige Haftentlassung sprechen. In den kommenden Wochen soll ein Urteil ergehen. Richter Dag Bjørvik sagte dazu: "Im besten Fall in der kommenden Woche, im schlimmsten Fall in zwei bis drei Wochen."

Staatsanwältin: Keine Reue

Mit der Verhandlung erhielt Breivik ein Recht, das jedem norwegischen Haftinsassen zusteht: Nach Verbüßung der Mindestzeit kann ein Antrag auf Entlassung auf Bewährung gestellt werden. Im Fall von Breivik waren das zehn Jahre in weitgehender Isolationshaft. Die ursprüngliche Strafe, die über ihn verhängt wurde, beträgt 21 Jahre. Diese kann regelmäßig überprüft und verkürzt oder bis zu seinem Tod verlängert werden.

Staatsanwältin Hulda Karlsdottir zeichnete in ihren Ausführungen das Bild eines Mörders, der keine Reue den Toten und ihren Hinterbliebenen sowie den Überlebenden gegenüber zeige. Am 22. Juli 2011 hatte Breivik 77 Menschen durch einen Bombenanschlag im Regierungsviertel von Oslo und durch Schüsse in einem Jugendlager der Sozialistischen Partei auf der Insel Utøya getötet. Er bezeichnete die getöteten Jugendlichen noch immer als Kindersoldaten und sich selbst als Kriegsgefangenen und nicht als Verurteilten nach dem Strafgesetz.

Breiviks Ehrenwort

Es sei auch nicht er, der für die Angriffe verantwortlich gewesen sei, sondern die Gruppe "Blood & Honor", Rechtsradikale, die ihn radikalisiert hätten. Er sei der Gruppe 2009 beigetreten, und in diesem Moment sei er als Person gestorben und in "Blood & Honor" aufgegangen.

Auf der anderen Seite argumentierte Breivik, dass er durch seine Morde zahlreiche Menschen beschützt habe. Er selbst will aber seit dem letzten Schuss auf Utøya nicht mehr militant sein und gab darauf sein Ehrenwort. Das sei nicht viel wert, erklärte Karlsdottir vor Gericht.

Psychiaterin sieht Gefahr

Auch die Psychiaterin Randi Rosenqvist erklärte in der Verhandlung, dass sich Breivik in den vergangenen Jahren nicht geändert habe. Sie hatte ihn immer wieder untersucht. Selbst wenn Breivik seine Ziele nun mit einer politischen Partei und nicht militant verfolgen wolle, würde er bald an einen Punkt gelangen, an dem er realisiere, dass er wenig Unterstützung in der Öffentlichkeit bekomme. Wenn er dann unter Stress stehe, könnten Gewaltakte seine Kompensation sein, sagte Rosenqvist. Breivik habe eine "dissoziale und narzisstische Persönlichkeitsstörung", durch die er sich selbst glorifiziere.

Breiviks Verteidiger Øystein Storrvik führte in seinen Abschlussworten aus, dass das Gericht eigentlich darüber entscheiden solle, ob von Breivik die konkrete Gefahr eines Verbrechens ausgehe – nicht über seine Ideologie. Denn dass sich diese nach zehn Jahren Isolationshaft und fehlendem Kontakt zur Außenwelt nicht ändere, sei klar. Breivik brauche verschiedene Ansprechpartner – nicht nur ihn als seinen Verteidiger und das Gefängnispersonal. Sollte er seine maximale Haftstrafe von 21 Jahren unter diesen Umständen verbringen, würde sich sein Zustand weiter verschlechtern und er so gefährlich werden, dass er die erstbeste Person in Freiheit attackieren würde. Deshalb werde seine Strafe immer weiter verlängert werden. Und das sei paradox, sagt Storrvik.

Zum Verhandlungsende hätte Breivik noch einmal selbst die Möglichkeit gehabt, zu seinem Fall Stellung zu nehmen. Doch der Richter unterbrach ihn, als er wieder über die "weiße Rasse" sprach, die immer weiter zur Minderheit werde – eine weitverbreitete Propaganda in nationalsozialistischen Kreisen. "Jetzt sind Sie zu weit gegangen und befinden sich abseits des Themas", so Bjørvik. (Bianca Blei, 20.1.2022)