Seit September 2008 können Lehrlinge bereits während der Lehrzeit drei der vier Teilprüfungen der Berufsreifeprüfung absolvieren.

Foto: Michèle Pauty

Es betrifft zwar nur gut eine Handvoll Lehrlinge, aber als erster Schritt hat der neue Kollektivvertrag (KV) für außeruniversitäre Forschung Signalwirkung für andere Branchen. Denn erstmals wurde darin vertraglich geregelt, dass die Kurszeiten beim Ausbildungsmodell "Lehre mit Matura" als Arbeitszeit angerechnet werden. Insgesamt werden den Lehrlingen, die neben dem Lehrabschluss auch die Matura ablegen, mindestens 520 Stunden (65 Tage) garantiert angerechnet.

Seit September 2008 besteht für Lehrlinge die Möglichkeit, bereits während der Lehrzeit drei der vier Teilprüfungen der Berufsreifeprüfung (Deutsch, lebende Fremdsprache, Mathematik und ein Fachbereich aus dem jeweiligen Lehrberuf) zu absolvieren.

Die letzte Teilprüfung kann nach Erreichen des 19. Lebensjahres abgelegt werden. Damit stehen neben der beruflichen Qualifikation den Absolventen auch die Türen für ein Hochschulstudium offen. Laut Forschungsbericht des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft nahmen im Mai 2020 rund fünf Prozent der Lehrlinge am Projekt "Lehre mit Matura" teil.

Aufwertung der Lehre

Für Christian Hofmann, Bundesjugendsekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten, ist das Anrechnen der Vorbereitungskurse auf die Arbeitszeit ein wichtiger Schritt bei der Aufwertung der Lehre, und er hofft, dass weitere Branchen folgen werden. Es gebe seit dem Vorjahr in bestimmten Branchen die Möglichkeit zur Bildungsfreistellung – fünf Tage sind es beispielsweise in der Energiewirtschaft, zehn Tage in der Papierindustrie: Damit könnten zwar die Prüfungstermine ohne Inanspruchnahme von Urlaubstagen absolviert werden, die Kurse müssten aber weiterhin außerhalb der Arbeitszeit besucht werden, erklärt Hofmann.

Die berufliche Ausbildung und die Vorbereitungskurse für die Berufsreifeprüfung führen zu einer starken Doppelbelastung. Bei jenen, die den Ausbildungsweg der Lehre mit Matura vorzeitig abbrechen, ist in den meisten Fällen auch Zeitmangel der Grund. "Nach 38 oder 40 Stunden Arbeit dann noch den Maturakurs am Abend zu besuchen ist sehr anstrengend", sagt Hofmann.

Mehr Möglichkeiten

Von politischer Seite wird die Lehre mit Matura propagiert, in den Unternehmen, sagt Hofmann, stoßen Lehrabsolventen aber dennoch rasch an eine gläserne Decke. Denn für viele Führungspositionen werde ein Studium vorausgesetzt, und dafür brauche es eine Matura. "Seit gut zwei Jahren versuchen wir die Anrechnung der Kurszeiten in verschiedenen Branchen kollektivvertraglich zu verankern, in der außeruniversitären Forschung ist das nun gelungen", ergänzt Hofmann.

Rund 2500 Mitarbeitende zählt die Branche. Von Arbeitgeberseite gab es bei den Kollektivvertragsverhandlungen keine allzu großen Widerstände. Im Gegenteil: "Dadurch zeigen wir, dass die Ausbildung für die Unternehmen einen sehr hohen Stellenwert hat", sagt die Vertreterin der Arbeitgeber, Forschung-Austria-Präsidentin Gabriele Ambros. (ost, 25.1.2022)