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Rigorose Null-Covid-Politik in China: Hongkonger müssen ihre Hamster abliefern, weil bei manchen Tieren Covid-Infektionen festgestellt wurden.

Foto: Reuters

Es ist eine beträchtliche Zahl: 20 Prozent aller sich im Umlauf befindlichen US-Dollar wurden in den vergangenen zwei Jahren gedruckt. Um ein Fünftel hat die amerikanische Zentralbank damit die Geldmenge erhöht, um die Pandemie an der Wirtschaftsfront zu bekämpfen.

Ähnlich reagierten alle Zentralbanken der Welt: Zinsen runter, Geld flüssig machen, Inflation riskieren – alles schien besser, als mit der Pandemie noch eine Rezession obendrauf zu bekommen. Alle?

Nicht alle. Die chinesische Zentralbank ging als einzige der großen Wirtschaftsblöcke einen anderen Weg. Der Leitzins lag dort in den vergangenen Monaten bei über drei Prozent – Werte, die im Niedrigzins-Westen seit der großen Finanzkrise 2008 nicht mehr erreicht worden sind. Und ausgerechnet jetzt, wo man in den USA angekündigt hat, die Leitzinsen sachte wieder anzuheben, um die Inflation einzudämmen, macht man in China das Gegenteil.

China senkt Leitzins

Am Montag senkte die People’s Bank of China den Leitzins um zehn Basispunkte auf 3,7 Prozent. Auch die Kosten für mittelfristige Kredite wurden zum ersten Mal seit April 2020 um 0,1 Prozent auf 2,85 Prozent gesenkt. Nebenbei pumpte man noch 200 Milliarden Yuan (rund 30 Milliarden Euro) in den Finanzkreislauf.

Dass die chinesische Zentralbank derzeit gegen den Strom schwimmt, hat mehrere Gründe. Und sie drehen sich, wie alles in China, um das Wirtschaftswachstum. Anders als westliche Volkswirtschaften wächst und wuchs die chinesische auch während Corona weitgehend nach Plan.

Eine monetäre Stimulierung der Konjunktur war deswegen kaum nötig. Im Gegenteil: Das stabile Wachstum ließ sogar Raum, um ein paar Probleme zu beseitigen.

So konnte man gegen die Gaming- und Weiterbildungsbranche vorgehen. Chinesische Kinder zocken zu viel, weswegen man es in Peking für notwendig erachtete, die maximale Spieldauer zu begrenzen und damit der boomenden Gaming-Industrie gegen das Knie zu treten.

Ebenso erging es der privaten Weiterbildungsbranche, die unter anderem für Englischkurse sorgte, aber eben auch das Meinungsmonopol der Kommunistischen Partei zu unterlaufen drohte.

Immobilienbranche unter Druck

Die größte Baustelle war und ist aber die systemrelevante Immobilienbranche. Bis zu ein Drittel des chinesischen Bruttoinlandsprodukts hängt davon ab, dass ständig neue, immer gleiche Hochhäuser aus dem Boden gestampft werden.

Die Unternehmen schoben seit Jahren einen ständig wachsenden Schuldenberg vor sich her. Ende 2020 erließ man Regeln, die dieses Wachstum auf Pump eindämmen sollten. Das hatte zur Folge, dass der Immobilienkonzern Evergrande in Zahlungsschwierigkeiten geriet.

Zu einem großen Knall ist es bisher nicht gekommen, doch der Brand schwelt weiter und drückt so auch auf die Konjunktur. Und schließlich beginnt Chinas Zero-Covid-Strategie langsam nach hinten loszugehen. Denn mit der leicht übertragbaren Omikron-Variante häufen sich die Lockdowns.

Millionenstädte abgeriegelt

Noch immer werden in China ganze Städte abgeriegelt, selbst wenn sich nur wenige Menschen infiziert haben und die Erkrankung mild verläuft. In den vergangenen Wochen traf es die Millionenstädte Xian und Tianjin sowie mehrere kleinere Städte in der Provinz Henan. Immer wieder fallen also auch Produktionen aus. Auch der größte Containerhafen der Welt, Ningbo, vermeldet immer wieder Infektionen und steht dann still.

Das chinesische Bruttoinlandsprodukt war 2021 um 8,1 Prozent gewachsen. Dieses Jahr sollen es nur 4,4 Prozent werden – das klingt viel für westliche Standards, ist aber am unteren Limit für eine Wirtschaft, in der noch immer hunderte Millionen nur knapp über der Armutsgrenze leben.

Nebenbei versucht man die Schuld weiterhin auf das Ausland zu schieben. Vermutete man in den ersten Monaten der Pandemie noch Tiefkühlprodukte wie Lachs aus Norwegen als Virenschleudern, könnte, so die Regierung, jetzt ganz generell Pakete aus dem Ausland die neuesten Omikron-Infektionen verursacht haben.

Böses Ausland

Chinesen sind deswegen dazu angehalten, keine Waren mehr aus dem Ausland zu bestellen. In Sachen Absurdität aber hält derzeit die Sonderverwaltungszone Hongkong den ersten Platz: Weil Wissenschafter Covid-Infektionen bei Hamstern festgestellt haben, müssen die Hongkonger dieser Tage ihre Haustiere abliefern. (Philipp Mattheis aus Peking, 22.01.2022)