Die größte Zahl, die die alten Griechen als einzelnes Zeichen darstellten, war die Myriade, ein "M", das zur Kennzeichnung als Zahl häufig einen Balken besaß.

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Irgendwann in der Steinzeit muss sich eine schleichende Revolution des Zahlenverständnisses abgespielt haben: Der Mensch erkannte, dass es nicht nur Einzahl und Mehrzahl gibt, einen Stein und viele Steine, sondern, dass sich Mengen auch unterscheiden lassen können.

Zum Beispiel "zwei Steine" und "mehr als zwei Steine". Aus einem über 60.000 Jahre alten Stück Tierknochen, in das jemand neun etwa gleich lange Kerben geritzt hatte, schließen manche Forschende, dass vielleicht bereits die Neandertaler mit einfachen Zahlen hantiert haben. Ohne schriftliche Zeugnisse kann man über die Geburt der Zahlen und damit wohl auch der Mathematik freilich nur spekulieren.

Die Null kam erst spät

Klarer wird der Blick mit dem Erwachen der schriftlichen Hochkulturen. Schon während der ersten Dynastien vor über 5000 Jahren beherrschten die alten Ägypter ein Zahlensystem auf Zehnerbasis, sie kannten die vier Grundrechenarten und vermutlich auch Bruchzahlen – sehr praktisch für die Verwaltung der wachsenden Reiche. Die Null dagegen war eine überraschend späte Erfindung: In schriftlicher Form erstmals aufgetaucht ist sie in einem indischen Manuskript aus dem dritten Jahrhundert.

Mit großen Zahlen jonglieren kann man aber auch ohne sie, wie die alten Griechen vorführten. Lange vor Pythagoras und Platon verwendeten schon die Minoer und Mykener Schriftzeichen für hohe Zahlen. Deren höchste mit einem eigenen Symbol dargestellte Zahl bestand aus einem Kreis mit vier Strichen und bedeutete Zehntausend – im Griechischen "myrias", "die Myriade". In der klassischen griechischen Antike wurde die Myriade mit dem Großbuchstaben "my" geschrieben, also "M", häufig mit einem Strich darüber, um die Zahl vom Buchstaben zu trennen.

Die Herkunft des Wortes ist ungewiss. Einige Sprachwissenschafter leiten "myrias" von dem Wort "meu-" für "feucht" in der indogermanischen Ursprache her, ein Bezug auf die Wellen des weiten Meeres. Andere sehen einen Zusammenhang mit der griechischem Myrmex, der Ameise", die häufig in großer Zahl angetroffen wird.

Grenzwerte 10.000

Womöglich steckte in der Zehntausend als Zahlenzeichen eine gewisse Magie, bildete einst eine Grenze zum Unzählbaren. Parallel zum ägäischen Raum entwickelte sich auch in Ostasien ein Faible für die Zehntausend. Die Myriade als größtes Zahlenzeichen findet sich – in verschiedenen Varianten – in den Schriften von China bis Japan wieder. Und noch eine Gemeinsamkeit zwischen der asiatischen und der europäischen "Myriade" gibt es: Hier wie dort steht die Zehntausend umgangssprachlich für eine eigentlich unüberblickbar große Menge. (tberg, 22.1.2022)