SDF-Kämpfer vor dem Gefängnis.

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Dramatische Szenen spielten sich in der syrischen Stadt Al-Hassaka in einem Gefängnis ab. Nach einem Angriff der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in der vergangenen Woche und tagelangen Gefechten hielten sich noch Mitglieder des IS in einem Gebäude verschanzt. 850 minderjährige Insassen missbrauchten sie dabei als "menschliche Schutzschilde". Am Mittwoch verkündete ein Sprecher des kurdisch dominierten Militärbündnisses Demokratische Kräfte Syriens (SDF) aber, dass man wieder volle Kontrolle über das Gefängnis zurückerlangt habe und sich dort alle IS-Kämpfer ergeben hätten.

SDF-Kämpfer suchten in Al-Hassaka nach flüchtigen IS-Kämpfern.
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Mehr als hundert IS-Kämpfer hatten am Donnerstag den Angriff auf das von Kurden verwaltete Gefängnis gestartet, um Häftlinge zu befreien. In der Haftanstalt saßen rund 3.500 mutmaßliche IS-Kämpfer, darunter auch führende Köpfe – aber auch viele minderjährige Angehörige von IS-Mitgliedern aus verschiedenen Ländern.

Kritik an SDF

Menschenrechtsgruppen kritisieren die kurdisch dominierten Kräfte dafür, Minderjährige im Nordosten Syriens in provisorischen, überfüllten Gefängnissen unter inhumanen Bedingungen gefangen zu halten.

Laut SDF starben bei den Kämpfen bisher etwa 200 Häftlinge und 27 ihrer Kämpfer. Mehr als 550 IS-Kämpfer haben sich ergeben. Wie viele Jihadisten fliehen konnten, ist nicht bekannt.

Das Gefängnis in Al-Hassaka, in dem tausende Menschen ohne Anklage oder Prozess gefangen gehalten werden, ist das größte des SDF. Der Angriff des IS vergangene Woche und die weiter andauernden Kämpfe sorgten dafür, dass bis zu 45.000 Menschen in der Umgebung aus ihren Häusern geflohen sind.

"Horrorszenen" in Flüchtlingslagern

Schlechte Nachrichten gibt es auch aus dem Nordwesten Syriens: Dort machen starke Schneefälle vor allem den Menschen in den Flüchtlingslagern zu schaffen. Man hätte "einige echte Horrorszenen" gesehen, erklärte Mark Cutts, der stellvertretende UN-Beauftragte für die humanitäre Hilfe in Syrien. "Unsere humanitären Helfer haben Menschen aus zusammengebrochenen Zelten herausgezogen."

Ein verschneites Flüchtlingslager in Afrin.
Foto: EPA/YAHYA NEMAH

Laut Cutts sind rund 100.000 Menschen in der Region akut von den schweren Schneefällen betroffen, etwa 150.000 kämpften mit den eisigen Temperaturen. Er appellierte an die internationale Gemeinschaft, das Ausmaß der Krise zu erkennen und die Vertriebenen rasch aus den Zelten in sicherere und menschenwürdigere Notunterkünfte zu bringen.

Zu wenig Geld für Hilfe

Gleichzeitig warnte Cutts vor einer Finanzierungslücke: Der Aufruf der Vereinten Nationen von 2021 in Höhe von umgerechnet 3,5 Milliarden Euro ist laut Cutts bisher nur zu 45 Prozent finanziert. Von den für die Winterhilfe im Nordwesten Syriens erforderlichen 74 Millionen Euro seien bisher erst knapp 40 Millionen Euro eingegangen. (ksh, APA, Reuters, 26.1.2022)