Es wird hochdosiert empfohlen – gerade in Österreich: Vitamin B. Schließlich werden hierzulande Jobs und Praktika häufig über Freunderlwirtschaft vergeben. Während es Frauen oftmals an nützlichen Beziehungen mangelt, haben Männer meist einen Vorrat.

Der Grund: Frauen netzwerken anders als Männer. Das hat eine Studie der EBS Business School 2018 ergeben. Dafür wurden 37 weibliche Führungskräfte großer deutscher Konzerne zu ihrem Networking-Verhalten befragt. Viele von ihnen gaben an, dass Netzwerken für sie etwas Ausbeuterisches und Egoistisches habe. Für die Chefinnen standen im Laufe ihrer Karrieren persönliche Beziehungen mit Frauen auf derselben oder einer niedrigeren Hierarchieebene statt beruflicher Aufstiegsmotive im Mittelpunkt. Das weiß auch Businesscoach und Psychotherapeutin Sonja Rieder: "Frauen sind sachorientierter und meistens weniger auf Positionen oder Macht aus als Männer."

Für die die 29-jährige Absolventin Johanna ist Networking "ein Mittel zum Zweck, weil es in vielen Branchen nicht anders geht, dass man Karriere macht oder überhaupt einen Job bekommt". Aber ihre Freizeit verbringe sie damit nicht gerne, gibt sie zu.

Reine Frauennetzwerke können nicht nur positiv sein: Sie bergen die Gefahr, dass Frauen nur im eigenen Saft marinieren.
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Kein Smalltalk beim Fußball

Das liegt vermutlich auch an den Aktivitäten, die für die Networking-Veranstaltungen gewählt werden. Viele Frauen fühlen sich nicht willkommen, da das Programm oft nach stereotyp männlichen Interessen ausgerichtet ist. Zum Beispiel Kontakte knüpfen beim gemeinsamen Fußballspielen oder Golfen. Die Studienteilnehmerinnen erzählten, dass sie sich dafür nicht interessierten und deshalb Frauennetzwerke bevorzugten.

Reine Communitys für Frauen dürften jedoch nicht so effektiv wie gemischte Netzwerke sein. Schließlich sitzen in den meisten Branchen Männer an den Hebeln; sie bestimmen Budgets und treffen die Entscheidungen im Unternehmen. Die Netzwerkerinnen könnten sich gegenseitig zu sehr in ihrer Empörung aufwiegeln, gibt Rieder zu bedenken: "Es ist durchaus wichtig, wütend zu sein, weil man mehr vom Kuchen haben will. Wut gibt Kraft. Aber wenn eine Frau in eine Führungsposition will, muss sie auch taktisch handeln und ihre Emotionen beiseitestellen können".

Und es bestehe auch das Risiko, dass die Frauen zu sehr im eigenen Saft marinieren, ohne etwas an der Gesamtsituation ändern zu können. Unter anderem auch, weil Männer oft gar nichts von den Themen wissen, die Frauen im Berufsleben beschäftigen. Gerade wer aufsteigen wolle, sollte mit beiden Geschlechtern kommunizieren, rät Rieder. Das liege auch an den Strukturen, da besonders in internationalen Konzernen die Spielregeln für Beförderungen immer noch von Männern gemacht würden. Frauen müssten lernen, ihre Kontakte nach diesen vorherrschenden Regeln aufzubauen, wenn sie eine Leitungsfunktion anstrebten, meint Rieder. Aber: "Ich bin nicht gegen reine Frauennetzwerke, sie reichen nur allein nicht aus. Es kann aber Mut machen und bestärken".

Empathie essenziell

Bereits in ihren Ursprüngen waren Frauennetzwerke auf gegenseitige Unterstützung und Emotionales ausgelegt. "Diese Befindlichkeit ist bei Frauen nach wie vor stärker als bei Männern", sagt Rieder. Gerade darin liegt für die Coachin die Essenz für erfolgreiches Netzwerken: Man sollte sich überlegen, was man zu geben habe. Und: "Frauen sind zum Beispiel sehr empathisch, das ist gut fürs Netzwerken, da ich so ein Gespür dafür habe, was mein Gegenüber brauchen kann."

Die Studie der EBS Business School zeigt auch, dass Frauen beim Netzwerken strukturell benachteiligt werden. Die Vereinbarkeit von Networking-Events, die meistens abends stattfinden, und familiären Verpflichtungen stellt Frauen vor eine Herausforderung.

"Ich bin nicht gegen das reine Frauennetzwerk, es reicht nur allein nicht aus." – Sonja Rieder, Businesscoach

Sonja Rieder rät ihren Klientinnen mit Kindern, trotzdem ab und zu dabei zu sein, um Kontakte zu knüpfen. "Manche Frauen sehen leider ein Feierabendgetränk als Zeitverschwendung ohne sachlichen Nutzen. Aber es von vornherein abzulehnen ist ein bisschen, wie das Kind mit dem Bade auszuschütten."

In den vergangenen zwei Jahren hat sich pandemiebedingt das Networking auf Social Media verlagert. "Für Introvertierte kann das eine gute Möglichkeit sein, die eigenen Themen hinter der Sicherheit eines Bildschirms an ein Publikum zu bringen", sagt Rieder. Sie wendet aber ein: Online seien eher die jungen Frauen besonders aktiv – zumal sie damit aufgewachsen seien –, aber auch die ältere Generation bringe sich immer mehr ein.

Fleiß allein hilft nicht

Da stellt sich die Frage: Muss überhaupt jede Frau netzwerken? Ja, findet Rieder. "Es ist ein Risiko, dem Networking ganz fernzubleiben." Schließlich könne man nie wissen, was in der Zukunft komme und welche Kontakte dann nützlich seien. Auf jeden Fall netzwerken sollten Freiberuflerinnen und Frauen, die in einem großen Unternehmen vorankommen wollten. Man brauche Personen, die einen auf dem Weg dahin unterstützten. "Es ist ein Mythos, dass ich rein durch sachorientierte Arbeit und Fleiß vorankomme."

Wo hakt es also noch? "Frauen sind meist besonders soziale Wesen und geschickt darin, Netzwerke zu stricken. Allerdings verwenden wir diese oft zu zaghaft", beobachtet die Studentin Fanny. Frauen sollten sich trauen, "direkt und unverschämt zu kommunizieren, sich gegenseitig Jobs und andere Möglichkeiten verschaffen – Smalltalken können nur Männer". Und sollen Netzwerke die Chancengerechtigkeit im Job erhöhen, sollten sie laut Absolventin Johanna "nicht nur in einer elitären Blase stattfinden, sondern auch unter Personengruppen, wie Menschen mit Migrationshintergrund oder Arbeiterkindern." (Nadja Riahi, 28.1.2022)