Wenn der Gaszähler stehen bliebe, würden viele Wohnungen kalt bleiben.

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Erdgas aus russischer Produktion fließt eine Woche nach Kriegsbeginn in der Ukraine weiterhin ungehindert durch die Pipelines nach Westen und auch in die österreichischen Zwischenlager. Bei allen Unwägbarkeiten über den Verlauf des Krieges ist aber nicht abzusehen, wie lange das noch der Fall sein wird.

Österreichs Gasspeicher haben zwar große Füllkapazitäten, sind aber nur mäßig ausgelastet. 18 Prozent ist der aktuelle Stand. Am Dienstag bekräftigte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), dass ein Gesetz die Versorger zu einer höheren Speicherquote verpflichten soll, um im nächsten Winter auch ohne Lieferungen aus Russland Engpässe zu vermeiden. Mittelfristig soll sich Österreich ohnehin von seiner Erdgasabhängigkeit emanzipieren.

Ein detaillierterer Blick

Wir haben den momentanen Zustand zum Anlass genommen, um einen detaillierteren Blick auf die Zahlen hinter Österreichs Erdgasversorgung und -nutzung zu werfen. Grundsätzlich stillen die Österreicher ihren Energiehunger nicht stärker mit Erdgas als viele andere europäische Staaten. 2020 betrug der Inlandsverbrauch laut Eurostat rund 339.300 Terajoule (TJ); pro Kopf und Jahr entspricht das 38 Gigajoule (GJ). Ein Gigajoule Energie lässt sich in rund 26 Liter Benzin umrechnen.

In Deutschland wird mit 41,7 GJ pro Kopf ähnlich viel verbraucht. Auch die Nachbarländer Italien und Ungarn bewegen sich in diesem Bereich. Mit Abstand das meiste Erdgas verbrennen die Niederländer mit 84,5 GJ pro Einwohner. In Osteuropa ist der Gaskonsum durchwegs niedriger.

Umgekehrt sind einige osteuropäische Staaten am stärksten auf Erdgas aus russischer Produktion angewiesen. Kroatien und Nordmazedonien sind zu hundert Prozent von der russischen Föderation abhängig, Finnland und Litauen immerhin noch zu mehr als neunzig Prozent. In Österreich beträgt der Anteil russischer Importe am gesamten Gasverbrauch laut der EU-Energieregulierungsbehörde ACER etwa 64 Prozent.

Zoomen wir auf Österreich. Wofür wird das eingeführte Gas verwendet? Die drei annähernd gleich großen Bereiche, auf die sich 90 Prozent der Nutzung aufteilen, sind die produzierende Industrie, der vor allem gewerbliche Transport und die Haushalte. Nur ein Zehntel des Gases verbrauchen der Dienstleistungssektor sowie die öffentliche Verwaltung. Der Bedarf der Landwirtschaft ist vernachlässigbar.

Zwischen den Bundesländern gibt es allerdings teils deutliche Differenzen. In Oberösterreich und der Steiermark, Bundesländern mit langer Industrietradition, ist die Relevanz der Produktion noch heute am überdurchschnittlich hohen Gasverbrauch ablesbar. In Wien hingegen wären von Ausfällen Privathaushalte am schlimmsten betroffen, das Burgenland hat mit 3,3 Prozent den höchsten Verbrauch im Agrarsektor.

Über alle Haushalte hinweg nimmt Erdgas allerdings gar keine so wichtige Rolle ein. In den vergangenen Jahren sank sein Anteil im Energiemix auf unter 20 Prozent.

Diese Betrachtungsweise ist allerdings eine sehr theoretische, denn der berechnete Durchschnitt ergibt sich sowohl aus Haushalten, die dank alternativer Energiezufuhr völlig ohne Erdgas auskommen, also auch aus solchen Haushalten, die stark auf Erdgas angewiesen sind. Und unter letzteren zeigt sich, dass ein überwiegender Anteil von 88 Prozent des eingeleiteten Gases auf die kritische Versorgung mit Wohnraumwärme entfällt.

Erhitztes Wasser aus der Leitung kommt dagegen nur auf gerundete zwölf Prozent, und die Gasnutzung, die wir dank der Flamme am Gasherd am ehesten visuell wahrnehmen, fällt so gering aus, dass sie im Diagramm kaum erkenntlich ist. (Robin Kohrs, Michael Matzenberger, 9.3.2022)