Es ist eine Krise, die gerade niemandem passt: Die USA, Russland und Europa haben ihren Fokus auf der Ukraine und vielleicht, wenn noch Zeit ist, auf den Atomgesprächen mit dem Iran. China will alle Aufmerksamkeit auf das wohl merkwürdigste Winter-Olympia seit langer Zeit lenken. Und in Südkorea würden sich die Favoriten der Präsidentschaftswahl bis März lieber mit innenpolitischer Schlammschlacht beschäftigen als mit dem Nachbarn im Norden.

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Nordkorea hat am Sonntag eine Mittelstreckenrakete abgefeuert.
Foto: REUTERS/KCNA

Das wird womöglich nicht mehr lange so gehen. Nach Hyperschallwaffen und anderen neuen Geschossen hat Nordkorea am Sonntag eine Mittelstreckenrakete abgefeuert, schicke Propagandabilder aus dem All waren inklusive. Dass die Verpflichtung von 2018, auf solche Tests zu verzichten, für ihn nicht mehr gilt, hat Machthaber Kim Jong-un schon vor einer Woche festgestellt. Zu diesem Moratorium zählt auch der Verzicht auf Atomtests. Und es ist alles andere als unmöglich, dass Nordkorea auch dieser Schaffenspause bald ein Ende setzt.

Das alles kann – und wird – man schlecht finden und für Erpressung halten. Doch lässt sich kaum leugnen, dass Nordkorea auf der Prioritätenliste seit den Gipfeltreffen mit Donald Trump weit nach unten gerutscht ist. Das Ende der Sanktionen, das sich Kim damals erhofft hatte, ist in die Ferne gerückt. So dreht sich die atomare Eskalationsspirale wieder. Aufmerksamkeit und Gespräche könnten sie vielleicht bremsen – oder es geht so weiter, bis es mit dem nächsten Atomtest kracht. (Manuel Escher, 31.1.2022)