Wie ist die Lage des Landes? Halbwegs normal, oder ...? Ist die Regierung, die das Firmenschild "Sebastian Kurz’ Nfg." tragen könnte, wirklich voll handlungsfähig?

Gibt es eine schlüssige Corona-Politik? Sind die Anzeichen von Radikalisierung in der zweitgrößten Oppositionspartei FPÖ und an den Rändern der politischen Szene – "Querdenker", "Corona-Leugner" – noch tolerabel? Wird das Erbe von Türkis vernünftig aufgearbeitet? Gibt es einen Plan für die Folgen der Destabilisierung Europas durch Wladimir Putin? Stolpern wir nur dahin in Richtung einer schwierigen Zukunft?

Längerfristig problematisch ist die strukturelle Korruption, die das System Sebastian Kurz hinterlassen hat.
Foto: Heribert CORN

Im Einzelnen: Die türkis-grüne Regierung hat zu keiner schlüssigen Corona-Politik gefunden. Eine zielführende Impfkampagne wurde völlig vernudelt, ein Bündel von komplizierten, einander widersprechenden und sich ständig ändernden Vorschriften dahinadministriert und jetzt auf Geheiß der tourismusgetriebenen westlichen Landeshauptleute mitten in der großen Welle großteils wieder zurückgenommen.

Was ist mit der Bedrohung Europas durch einen russischen Autokraten, der seine alten Einflussbereiche (und mehr) wieder haben will? Österreich hat sich viel zu sehr vom russischen Gas abhängig gemacht. Was sind die Kontingenzpläne der Regierung, wenn Putin durch einen Gewaltakt gegen die Ukraine Europa in Gefahr bringt?

Strukturelle Korruption

Die Regierung hat das Scheitern des türkisen Experiments noch nicht bewältigt. Karl Nehammer ist ein bemühter, von den Machtfantasien und Zynismen eines Sebastian Kurz wohl nicht befallener Bundeskanzler. Eine, seine ordnende Hand ist aber (noch?) wenig spürbar. Längerfristig problematisch ist die strukturelle Korruption, die das System Kurz hinterlassen hat. Ja, Postenschacher, Klientelpolitik und Gängelung von Institutionen von Justiz bis ORF gab es schon immer. Sogar sehr schwerwiegende. Vor 40 Jahren unter SPÖ-Ägide gab es die Fälle Udo Proksch ("Lucona") und Verstaatlichte Industrie ("Noricum", "Intertrading"). Aber am Ende gab es Verurteilungen und Rücktritte.

Das türkise "System Kurz" war nicht einfach nur eine in den Ausformungen (Chats) teilweise lächerliche österreichische Korruptionsfolklore. Es stand wirklich ein System dahinter, nämlich der schleichende Übergang zum autoritären Regieren nach Vorbild von Viktor Orbán und anderen. Die Behinderung der Korruptionsstaatsanwaltschaft durch eigene Vorgesetzte, die massiven ständigen politischen Angriffe durch ÖVP-Handlanger, die Versuche, Razzien in Ämtern gesetzlich zu unterbinden, die Blockade- und Obstruktionspolitik eines Gernot Blümel. Die Gleichschaltung ganzer Ministerien – das ist alles aus dem Handbuch postkommunistischer, nationalpopulistischer Autokraten. Und selbstverständlich die versuchte, teilgeglückte Zähmung der Medien. Die "Sideletter" zur ORF-Besetzung sind Orbán pur. Der Einkauf des verbündeten Immobilien-Tycoons René Benko bei Krone und Kurier ebenfalls.

Das System Kurz ist gescheitert. Aber die Denkweise und manche Personen sind noch da. Irgendwann muss die Arbeit an der Korrektur der systemischen Korruption beginnen. Zu sehen ist davon nichts. Und ist die Regierung genügend gegen die beginnende Radikalisierung gewappnet? Die FPÖ macht sich zur Speerspitze und Schwungmasse der "Impfskeptiker", die in Wirklichkeit großteils Demokratieskeptiker sind. Die in Schulen und Unis und in ihrer Lebensführung echt Corona-geschädigte Jugend begehrt hingegen (noch) nicht auf.

Hat die Regierung für all das ein Konzept? (Hans Rauscher, 2.2.2022)