Es ist eine erfreuliche Nachricht: Corona zum Trotz schaffen die Betriebe Stellen – auch mithilfe der üppigen Staatshilfen, die sie über die Wirtschaftsflaute getragen haben. Zwar sind immer noch mehr als 400.000 Menschen ohne Job, aber die Zahl der offenen Stellen hat ein Rekordhoch erreicht: In den vergangenen vier Quartalen waren im Schnitt 146.000 Posten unbesetzt. In Österreich werden Verkäufer, Handwerkerinnen, technisch Ausgebildete, Fachleute in fast allen Bereichen gesucht – händeringend, wie Betriebe schon seit Jahren beteuern. Nur kurz haben die Sorgen wegen der Pandemie dieses Wehklagen in den Hintergrund gedrängt.

In Österreich werden Fachkräfte in fast allen Bereichen gesucht.
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Gewiss, es gibt jede Menge strukturelle Probleme. Das wurde von der Politik mittlerweile auch erkannt. Bei Lösungsvorschlägen reden viele mit: Sozialpartner, Industrie, Branchenvertreter, Arbeitsmarktexpertinnen, Unternehmer und Unternehmerinnen. Das ist gut so, denn die Sachlage ist komplex. Jobs werden nicht immer dort angeboten, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist, Betriebe suchen Menschen mit Qualifikationen, die es vor Ort oft nicht gibt – und vieles mehr. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.

Die andere Hälfte liegt in den Unternehmenskulturen selbst. Die Flexibilität, die so oft und gerne und ganz selbstverständlich von den Mitarbeitenden gefordert wird, findet sich in vielen Betrieben nämlich nicht.

Da wird an einem starren Gehaltskorsett festgehalten, das sich nach Zugehörigkeitsjahren bemisst, statt auf Engagement und künftiges Potenzial der Beschäftigten abzustellen. So manche Führungskraft reagiert verschnupft, wenn Väter ihren Teil zur Familienarbeit beitragen wollen. "Warum macht das nicht Ihre Frau?" Das bekommt auch so mancher zu hören, wenn er sich freinehmen möchte, weil die Nachmittagsbetreuung des Kindes ausgefallen ist.

Passt die Leistung von Beschäftigten nicht mehr, trennt man sich rasch von ihnen, statt die Bedingungen zu verändern. Auch bei der Aus- und Weiterbildung und der Rücksicht auf Gesundheit herrscht in vielen Betrieben Handlungsbedarf.

Zugegeben, all das ist aufwendig, aber es dient den Interessen der Betriebe mindestens genauso, wie es die Beschäftigten anspornt. Das Jammern über den Fachkräftemangel allein bringt niemanden weiter. Österreichs Unternehmen sollten ihre teils steinzeitlichen Strukturen hinterfragen – und dann endlich handeln. (Regina Bruckner, 5.2.2022)