Literaturwissenschafterin Barbara Tumfart blickt im Gastblog auf das Leben des österreichischen Dramatikers zurück, dessen Todestag sich am 5. Februar zum 160. Mal jährte.

"Was ich gesungen, wird nicht lange tönen, es ist ja nicht von hohem Geist durchglüht, vielleicht doch singet Einer von den Söhnen, der ländlichen Natur von mir ein Lied. Die fragen nicht nach dem ästhetisch Schönen, nur ihr Gemüth sucht wieder ein Gemüth, auch macht manch Scherz von mir noch heitre Stunden, weil keiner Stacheln birgt, die auch verwunden." (I. F. Castelli, Selbstschau an meine Freunde)

Wien als Lebensmittelpunkt

Ignaz Franz Castelli wurde am 6. März 1781 als einziger Sohn von Ignaz Castelli und Dominika Castelli im sogenannten Hornmacherhaus in der Wiener Innenstadt geboren. Sein Vater war Laienbruder bei den Jesuiten und wurde nach Auflösung des Ordens in die Stellung eines Rechnungsrates beim Staat aufgenommen. Als der Vater 1790 pensioniert wurde und seinen Lebensabend im Waldviertel zubrachte, verblieb der Sohn in der Obhut der Großmutter und seiner Tanten. Er wuchs in Mariahilf auf und besuchte das Gymnasium zu Sankt Anna sowie das Akademische Gymnasium. Das im Jahr 1799 aufgenommene Jurastudium sollte ihm die idealen Voraussetzungen für eine künftige Anstellung im Staatsdienst bringen.

Ignaz Franz Castelli, Lithografie von Fritz Kriehuber, 1842.
Foto: Bildarchiv Austria

Beamter im Brotberuf

Castelli schlug die Beamtenlaufbahn ein, die ihm ein geregeltes Einkommen garantierte. Durch Vermittlung seines Vaters wurde der junge Student als Praktikant im Hofkommissariat aufgenommen und 1.801 Mitarbeiter der landständischen Buchhaltung, einer Abteilung der damaligen Landesregierung von Niederösterreich. Er diente mehr als 40 Jahre in der Finanzbuchhaltung und fand, da ihm seine Tätigkeit oftmals die Gelegenheit für Reisen gab, auch in seinen Memoiren nur lobende Worte für seine Aufgabenbereiche. Ob seine während der Napoleonischen Kriege und der Besetzung Österreichs verfassten patriotischen Lieder 1809 tatsächlich zu einer "Flucht" nach Ungarn führten oder er vielmehr lediglich wichtige Akten und Unterlagen über die Grenze bringen sollte, ist bislang nicht geklärt.

Seine Reise nach Frankreich 1814 brachte ihn mit französischer Kultur in Kontakt. Nach diversen Beförderungen ging Castelli 1843 nach fast 42 Dienstjahren in den Ruhestand. Er verfügte über eine stattliche Pension, die ihm auch weiterhin ausgedehnte Reisen ermöglichte. Seine Funktion als Leiter der Niederösterreichischen Landesbibliothek, die er seit 1833 innehatte, übte er bis 1847 aber unverändert aus.

Das Theater als Lebenstraum

Castelli kam bereits als junger Mann mit dem Theater in Berührung. Seine Fähigkeiten als Laienschauspieler in diversen Dilettantengesellschaften konnte er schließlich durch seinen ersten offiziellen Auftritt am Theater an der Wien 1807 in Franz Xaver Karl Geweys "Der seltene Prozess" unter Beweis stellen. Castelli half aber auch seinem guten Freund Joseph Ritter von Seyfried regelmäßig bei dessen Übersetzungen französischer Stücke; seine erste eigene Bearbeitung des Melodrams "Coeline" von Guilbert de Pixérécourt wurde – allerdings anonym – 1802 unter dem Titel "Die Mühle am Ardennerfelsen" mit Erfolg aufgeführt. Zu jener Zeit erschienen auch seine ersten Gedichte, "Rosenfelds poetische Versuche". Zu seinen größten frühen Erfolgen zählte das Libretto zu dem Singspiel "Die Schweizer-Familie", das am Wiener Theater nächst dem Kärntnertor 1809 seine Uraufführung erlebte. Wahrscheinlich verdankte Castelli seine Anstellung als Hoftheaterdichter 1811–1814 diesem großen Erfolg.

Castellis Arbeits- und Sterbezimmer, Lithografie von Karl Leybold.
Foto: Bildarchiv Austria

Castelli übersetzte und bearbeitete in der Folge weiterhin insbesondere französische Theatertexte, die eigene dramatische Produktion fiel eher bescheiden aus. Bereits 1810 rechtfertigte er sich für den ihm bereits damals zum Vorwurf gemachten Mangel an "selbst erzeugte[n] Blümchen". Er sah sich vielmehr als "Gärtner, welcher manche liebliche Blume des Auslandes in den heimischen Boden verpflanzte".

Kritiker, Journalist und Redakteur im Dauereinsatz

Auch als Herausgeber diverser Periodika erwies er sich als unermüdlich. So polemisierte er beispielsweise in seinem Theaterjournal "Thalia" (1810–1814) gegen die italienische Oper. Seine zahlreichen Bearbeitungen veröffentlichte er in der Taschenbuchreihe "Dramatisches Sträußchen" (1809–1835). Parallel dazu kam 1812–1817 "Selam. Ein Almanach für Freunde des Mannigfaltigen" heraus. Das Taschenbuch "Huldigung den Frauen" erschien ab 1822, in dem auch Franz Grillparzer, Karoline Pichler oder Christian Friedrich Hebbel Beiträge publizierten.

Vereinsmitglied, Mundartdichter und Tierliebhaber

Castelli war aktives Mitglied in mehreren Künstlervereinigungen der damaligen Zeit, so beispielsweise in der "Ludlamshöhle", der "Concordia" und der "Grünen Insel". In dem 1839 erworbenen, von Moritz von Löhr in ein Biedermeierschlösschen umgebauten Berghof in Lilienfeld in Niederösterreich verbrachte er das turbulente Revolutionsjahr 1848. Er ging dort einerseits seiner regen Sammelleidenschaft in Bezug auf Tabakdosen, Theaterzetteln und Künstlerporträts nach, nützte aber auch seine guten Kontakte, um 1847 den Wiener Tierschutzverein zu gründen. Seinen Lebensabend verbrachte er allerdings wieder in seiner Geburtsstadt.

Castelli in geselliger Runde (3. von links) mit Ferdinand Raimund, Joseph Lanner und Johann Strauss Vater, 1825.
Foto: Bildarchiv Austria

Bereits 1828 offenbarte Castelli sein Interesse und seine Liebe für Dialektdichtung in der Veröffentlichung seiner "Gedichte in niederösterreichischer Mundart", die großen Beifall fanden. Noch 1848 versuchte er sein sprachwissenschaftliches Faible in seinem "Wörterbuch der Mundart in Österreich unter der Enns" unter Beweis zu stellen. Am 5. Februar 1862 starb Castelli an den Folgen von "Gedärmbrand", einer Darminfektion. Er wurde auf dem Hütteldorfer Friedhof bestattet. 1895 bettete man seine sterblichen Überreste in ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof um.

Castellis poetische, dramatische und journalistische Aktivität ist in ihrer Fülle und Vielfalt beinahe unüberschaubar. Die ihm attestierte Mittelmäßigkeit und Schlampigkeit sind sicherlich Gründe dafür, dass seine literarische Tätigkeit bis auf kleine Ausnahmen keine genauere Beachtung fand. In Erinnerung blieb er als Chronist des Biedermeiers ("Wiener Lebensbilder", 1828; "Memoiren meines Leben", 1861) sowie typischer Vertreter der Wiener Gemütlichkeit und der harmlosen Spaßigkeit, der den melancholischen Tiefgang eines Ferdinand Raimund oder die bissige Satire eines Johann Nestroy bewusst ausblendete.(Barbara Tumfart, 10.2.2022)