August Wöginger hielt offenbar einen Bürgermeister für dazu befähigt, Chef eines Finanzamts zu werden. Inhaltliche Gründe dafür, warum er das können sollte, kennen wir keine.

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Konservative Parteien setzen oft darauf, dass Menschen selbst "ins Machen" kommen. Weniger soziales Netz, weniger gesetzliche Regelungen für Chancengleichheit – dafür bitte mehr von der hehren Leistung der Einzelnen.

So hält es die ÖVP auch in ihrer gleichstellungspolitischen Herangehensweise. Nur ran an den Speck, liebe Frauen, geht in die Mint-Fächer, verhandelt härter, ab ins Empowerment-Coaching, "Lean-in!", wie Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin von Meta Platforms und Autorin, den Karrierefrauen von morgen zurief. Auch unsere Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) setzt auf Empowerment und will Frauen etwa durch Umschulungen in besser bezahlte Jobs bringen.

Wer nun aber die aktuell veröffentlichten Chats zwischen ihrem Parteikollegen August Wöginger und Ex-Öbag-Alleinvorstand Thomas Schmid liest, kann je nach Gemütslage eigentlich nur bitter lachen oder ein paar Tränen verdrücken. Ein Bürgermeister und ÖVP-Politiker will die Leitung des Finanzamts Braunau. Inhaltlich hatte der Kommunalpolitiker mit einem solchen Job eigentlich nichts ab Hut, aber egal – viele Männer haben bekanntlich ein recht gutes Selbstbewusstsein in Jobdingen. Außerdem gab es auch ein Hearing, eine Mitbewerberin und die Regelung gemäß einer Gleichbehandlungsklausel, dass bei gleicher Eignung eine Frau genommen werden muss. Sie wissen schon, das ist eine dieser Quotenregelungen, um mehr Frauen in Leitungsjobs zu bekommen und die so vielen Sorge bereiten, dass deswegen nicht mehr Qualifikation zähle, sondern nur mehr das Geschlecht. Genau, so eine fiese Quotenregelung also. Bei der Mitbewerberin handelte es sich übrigens um die Stellvertreterin des bisherigen Chefs der Behörde. Sie leitete diese interimistisch ab der Pensionierung ihres Chefs, sprich: Sie machte bereits genau den Job, für den sie sich bewarb. Ganz schlechte Chancen für den ÖVP-Bürgermeister und Mitbewerber? Mitnichten.

Selbstkritische Einschätzung, das soll's auch geben

Die Kommission hielt nach dem Hearing fest, dass die rhetorischen Fähigkeiten der Bewerberin schlecht waren, die Präsentation auch. Der Bewerberin war selbst bewusst, dass ihre Performance nicht gut gelaufen war, sie sagte, sie sei nervös gewesen und hätte das Gerücht im Nacken gehabt, dass schon ein anderer Bewerber feststehe. Neben ihrer offenbar nicht optimalen Präsentation hatten ihre Fachkenntnisse und ihre langjährigen Erfahrungen in genau diesem Feld, für das sie sich bewarb, offenbar keinerlei Gewicht. Ganz anders beim Mitbewerber, dessen "Fähigkeiten als Bürgermeister" interessanterweise ins Feld geführt wurden – und er bekam den Job schließlich auch. Die Finanzbeamtin legte beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein, das urteilte: Sie sei deutlich besser geeignet gewesen.

Was lernen wir daraus? Quotenregelungen, bei denen bei gleicher Qualifikation Frauen zu bevorzugen sind, können mit maximal plumpen Argumenten und Taktiken ganz leicht ausgehebelt werden.

Und: Frauen vorzubeten, was sie alles abarbeiten müssen, damit wir endlich Chancengleichheit bekommen, ist vor allem vonseiten einer Partei peinlich, deren Mitglieder im Hintergrund herumdoktern, damit man einem Haberer einen Gefallen tun kann, damit der einem einen Gefallen schuldet, und so weiter. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Verhaberung ist keine reine Männersache. Das zeigen etwa Chat-Nachrichten von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die auf eine Einflussnahme bei Postenvergaben bei der Polizei hindeuten. Es ist keine Frage des Geschlechts, ob man bei so etwas mitmacht, es ist eine Frage der Haltung, des Anstands.

Trotzdem ist das, was hier passiert, auch ein frauenpolitisches Problem. Vielleicht ist das Ganze insbesondere ein Denkanstoß für Frauenpolitikerinnen jener Partei, die derzeit ständig mit männlicher Hybris, Postenschacher und trotzdem völlig ungeniertem Weiterschwafeln über "Leistung" auffällt. Ein Denkanstoß dahingehend etwa, wie wichtig gesetzliche Regulative für Gleichstellung sind, zum Beispiel ein starkes Lohntransparenzgesetz mit Sanktionen für alle, die es nicht einhalten. Denn Gleichstellung ist kein Ponyhof, und warum müssen diese Erfahrung immer nur Frauen machen und höchst fragwürdige Personalentscheidungen und Entgeltdiskriminierung vor Gericht oder zur Gleichbehandlungsanwaltschaft bringen?

Sinnloses Unterfangen

So wie die betreffende Finanzbeamtin. Sie hat gemäß sämtlichen Empowerment-Leitfäden alles richtig gemacht: Sie hat sich in einen männerdominierten Bereich gewagt, Finanzen, hat sich dort als stellvertretende Leiterin eine Führungsfunktion erarbeitet und hat sich dem Wettbewerb gestellt. Aber das nützt halt alles nichts, wenn das innerhalb eines Systems geschieht, in dem ihr bei einem Hearing mangelnder rhetorischer Feinschliff attestiert wird, während bei der Besetzung des Jobs jemand wie Thomas Schmid mitmischt, dessen rhetorische Fähigkeiten eher an einen begeisterten Zehnjährigen erinnern – zumindest bei seinen Chat-Nachrichten, um fair zu bleiben – als an einen Öbag-Chef mit einem Jahresverdienst zwischen 400.000 und 610.000 Euro. "Genial!", Bussi-Emoji, Oberarmmuskel-Emoji, "so glücklich!". Und immer viele Ausrufezeichen!!! In so einem System sind sämtliche Frauen in Top-Jobs- und Mint-Berufe-Kampagnen ungefähr so effizient wie Wasser mit einem Sieb zu schöpfen. (Beate Hausbichler, 9.2.2022)