Österreich braucht dringend ein politisches Reset. Wie in einer Kolumne am 5. Februar, dargelegt, hat ein sehr beträchtlicher Teil der Bevölkerung das Vertrauen in die Regierung und die Institutionen verloren. Im Hintergrund wartet Radikalisierung. Die Corona-Politik, ihre unvermeidlichen und ihre vermeidbaren Fehler, ist ein Auslöser, das Gefühl, dass es die ÖVP und die FPÖ in ihren Machtfantasien zu weit getrieben haben, ein anderer. Bei manchen kommt die Enttäuschung über die Grünen dazu, die dem Partner ÖVP nicht genug moralischen Widerstand entgegensetzen.

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Die ÖVP stellt den Kanzler und herrscht in den meisten Bundesländern.
Foto: REUTERS/LISI NIESNER

Vorweg ist zu sagen, dass ein Teil der frustrierten, wütenden, auch nihilistischen Staats- und Demokratieverweigerer nicht zu erreichen sein wird. Umso dringender ist die Wiederherstellung eines Konsenses zwischen Regierenden und jenen Regierten, die zwar wütend über allerhand Skandale sind, aber eigentlich nur ordentlich regiert werden wollen.

Dazu gibt es eine Reihe von gesetzlichen Maßnahmen, die alle ihre Verdienste haben: strengere Antikorruptionsrichtlinien, ein neues Korruptionsstrafrecht; die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, ein neues Parteienfinanzierungsgesetz, eine wirklich effektive Kontrolle der Parteifinanzen, ein Informationsfreiheitsgesetz.

Mentalitätsänderung

Aber das große Reset muss von anderswoher kommen. Es geht um eine Mentalitätsänderung, ein neues Mindset in der Politik. Am dringendsten notwendig hat das die ÖVP. Sie stellt den Kanzler und herrscht in den meisten Bundesländern. Sie hat sich besonders in den letzten türkisen Jahren in eine Mischung aus eiserner Machtpolitik und gasförmiger Inszenierungspolitik verstrickt. Strikte Postenbesetzung durch Parteigänger, Klientelpolitik für die Reichen, Umkrempelung von Institutionen, wie der Sozialversicherung, nur des Machtgewinns wegen gingen Hand in Hand mit völlig substanzloser Show wie "Die Pandemie ist vorbei" und Kopftuchverboten. Andere betreiben auch Machtpolitik oder versuchen es, aber die ÖVP tat dies mit geradezu stalinistischer Konsequenz. Die FPÖ wurde dabei kurzfristig auf die Reise mitgenommen.

Die Nehammer-Wöginger-Mikl-Leitner-Schützenhöfer-Wallner-Stelzer-ÖVP hat jetzt die letzte Chance, sich zu besinnen. Wenn sie eine staatstragende Partei sein will, wenn sie nicht in einem Korruptionsstrudel untergehen will, muss sie die Reste der Kurz-Partie abwerfen und gleichzeitig dringend nach besserem Personal Ausschau halten. Es gibt genügend qualifizierte, kompetente Bürgerliche, die man zusätzlich zu den provinziellen Stahlhelmen heranziehen könnte.

Es sieht nicht sehr danach aus, dass sich die ÖVP aus dieser geistigen Verengung lösen kann. Wenn das nicht gelingt, ist ein Machtwechsel die Alternative. Eine Koalition aus SPÖ, Grünen und Neos würde zumindest eine Zeitlang mit dem ganzen Korruptionskomplex Schluss machen, weil sie sich so etwas einfach nicht leisten könnte. In der Regierungspraxis wäre es wahrscheinlich noch schwieriger, aber zumindest könnte man davon ausgehen, dass ein neues Denken eine Chance hat.

Wer immer das unternimmt, muss vor allem eines klar signalisieren: Wir legen bei unserem Personal Wert auf Kompetenz und Intelligenz, nicht auf Parteigesinnung und Seilschaften.(Hans Rauscher, 8.2.2022)