Neugründer finden sich bei den Corona-Hilfen des Staates nicht selten auf der Verliererseite, vor allem jene aus Gastronomie und Freizeitwirtschaft.

Foto: Imago Images

Wien – Die zahlreichen seit Monaten währenden Streitereien um die Angemessenheit staatlicher Corona-Hilfen für Unternehmen sind um eine Facette reicher. Eine 2019 um Millionen aufwendig umgebaute und Anfang 2020 eröffnete Nobelbar im ersten Wiener Bezirk sieht sich durch das staatliche Förderregime diskriminiert und erwägt, Amtshaftungsansprüche gegen die Republik Österreich geltend zu machen.

Die Konzeption der über die Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes (Cofag) abgewickelten Förderungen sei ungerecht und widerspreche damit dem Gleichheitsgrundsatz, so die Argumentation der mit der rechtsfreundlichen Vertretung betrauten Kanzlei Christandl & Partner.

Höhe des Umsatzersatzes

Inhaltlich geht es um die Höhe des gewährten Umsatzersatzes, den die Anwälte wie auch der Finanzierungsberater des Unternehmens als deutlich zu niedrig qualifizieren. Dadurch sei der Betreiber des Nachtlokals schlechtergestellt worden als andere Antragsteller. Da das Unternehmen eine Neugründung war und somit keine für die Hilfen notwendigen Umsatzreferenzwerte aus dem Vorkrisenjahr 2019 vorlagen, wurde die Hilfszahlung anhand der 2020 geleisteten Umsatzvorauszahlungen (UVA) ermittelt.

Die gemeldeten Umsätze wurden dabei durch die Anzahl der darin umfassten Monate dividiert. Herausgekommen seien "drastisch verzerrte" Werte des tatsächlich realisierbaren Umsatzes, zuungunsten seines Mandanten, führt Anwalt Harald Christandl im an Finanzministerium und Finanzprokuratur gerichteten Schriftsatz aus, der dem STANDARD vorliegt. Aufgrund der wenigen Öffnungstage im Jänner 2020 und der gesetzlichen Einschränkungen (Lockdowns, Beschränkung der Besucherzahl) hätten diese Zahlen keine Aussagekraft, die Beträge seien als Vergleichsgröße untauglich.

Nur 50.300 Euro

50.300 Euro an Hilfen erkannte die Cofag für das erste Corona-Jahr dann zu. 48.000 Euro davon resultierten eigentlich nicht aus dem erwirtschafteten Umsatz, sondern wurden auf Basis der Verrechnung eines Baukostenzuschusses an den Vermieter des Geschäftslokals im Jahr 2019 zuerkannt.

Hier hakt Gerald Zmuegg vom auf Finanzierungen und Covid-Hilfen spezialisierten Beratungsunternehmen Finanzombudsteam ein: "Ein Baukostenzuschuss ist kein Umsatz. Es gab einen Businessplan, dessen Werte in jenen Monaten, die offen waren, punktgenau erreicht wurden. Diese Werte hätte man mangels Vorjahreswerten gemäß der Richtlinie für die Berechnung des Umsatzersatzes heranziehen können." Stattdessen operiere man mit willkürlich festgesetzten Prozentsätzen (beim Ausfallbonus waren das erst 40 Prozent, dann 30.) Auch die Deckelung bei 1,7 Millionen Euro hält Zmuegg für fragwürdig.

Nachforderung abgelehnt

Die Cofag sieht es nicht so. Sie lehnte die vom Barbetreiber erbetene Neuberechnung samt Nachforderung ab. Man halte sich an die Förderrichtlinien und verweist auf allenfalls notwendige Nachprüfungshandlungen. Vor allem beim Fixkostenzuschuss800.000 und beim Verlustersatz bedürfe es Ergänzungsgutachten. Sonderfälle würden mit Fachexperten und Juristen geprüft.

Die Differenz ist erheblich: Christandl beziffert den Umsatzersatzbetrag für November und Dezember 2020 mit 375.519 Euro, also mehr als das Siebenfache des gewährten Zuschusses. "Wir wollen die Republik nicht klagen", sagt Zmuegg im Namen seiner inzwischen 150 Mandanten, die sich bei Staatshilfen im Regen stehengelassen fühlen. "Wir brauchen dringend eine Reparatur der Gesetze und Verordnungen." Die Klein- und Mittelbetriebe vor allem in Gastronomie und Freizeitwirtschaft hätten Schulden aufgebaut wegen der Krise und bräuchten deshalb längere Laufzeiten für Überbrückungskredite, Haftungen etc. Stille Beteiligungen seien kein Ersatz, weil viel zu teuer.

Die Betroffenen erwägen, Amtshaftungsklage wegen Benachteiligung einzubringen. Übrigens auch, weil die Cofag mit Auszahlungen teilweise seit Monaten in Verzug ist. Aufgrund von Überlastung wie Antragstellern mitgeteilt wird. Das sollte bei tausenden zu bearbeitenden Anträgen und 15 Mitarbeitern nicht überraschen.

Externe Experten helfen

Die Zahl der Mitarbeiter sei mit der Ausweitung der Aufgaben laufend aufgestockt worden, inzwischen auf 25 Angestellte, teilte die Cofag mit. Um eine rasche Bearbeitung der Anträge zu gewährleisten, wird betont. Der Cofag stehe also ausreichend Personal und Infrastruktur zur Verfügung. "Aktuell sind inklusive Kernteam und externer Personen 129 Personen unmittelbar in der Antragstellerinformation bzw. -betreuung sowie mit der direkten Antragsbearbeitung bzw. -prüfung für die Cofag tätig. " Hinzu kämen weitere 104 Personen – Förderrechts- und Finanzierungsexperten, Steuer- und Unternehmensberater, Wirtschaftsprüfer, Programmierer, Datenanalysten sowie Kommunikationspersonen, deren Personalkosten in den Verwaltungskosten der Cofag enthalten seien. (Luise Ungerboeck, 10.2.2022)