Der enorme Preisauftrieb in den USA weckt sorgenvolle Erinnerungen an die bisher letzte Hochinflationsphase in den 1970er-Jahren.

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Die US-Inflationsdaten für Jänner dürften in der Notenbank Fed die Alarmglocken schrillen lassen. Nicht nur dass der Anstieg der Verbraucherpreise auf Jahressicht mit 7,5 Prozent höher als erwartet ausgefallen ist und damit den höchsten Stand seit 40 Jahren markiert. Vielmehr geben auch die dahinterstehenden Daten Anlass zu Besorgnis und lassen weiterhin sehr hohen Preisauftrieb erwarten. Nun spricht sich ein bekannter Notenbanker offen dafür aus, die Zinszügel schneller und stärker zu straffen, damit die Inflation nicht ins Galoppieren kommt.

Bis auf ein Prozent will James Bullard, Chef des Fed-Ablegers in St. Louis, den Leitzins, der derzeit noch an der Nulllinie haftet, von März bis Juli nach oben schrauben. Da in dieser Phase nur drei Zinsentscheidungen angesetzt sind, bedarf es dazu eines kräftigen Schritts um einen halben Prozentpunkt, um auf den Zielwert zu kommen. Bisher hatten Beobachter nur mit Erhöhungen um jeweils 0,25 Prozentpunkte gerechnet. Ob die Fed schon im März einen größeren Zinsschritt setzen sollte, ließ Bullard allerdings offen.

Hohe Kerninflation

Was bei den Währungshütern Kopfzerbrechen ausgelöst haben dürfte, ist auch der starke Anstieg der sogenannten Kerninflation. Dabei werden die sehr schwankungsfreudigen Preisentwicklungen von Energie und Nahrungsmitteln herausgerechnet. Viele Notenbanker halten diesen Wert für aussagekräftiger für die mittelfristige Inflationsentwicklung. Und die Kerninflation ist im Jänner auf sechs Prozent gesprungen, nach etwas mehr als einem Prozent vor einem Jahr.

Zudem liegt die Kerninflation der Erzeugerpreise bei 8,3 Prozent. Da Produzenten höhere Einkaufspreise nach Möglichkeit an Konsumenten weitergeben, kündigt auch dies einen weiteren Auftrieb der Verbraucherpreise an.

Es besteht daher die Befürchtung, dass die hohe Inflation selbsttragend werden könnte. Wegen der tiefen Arbeitlosenquote von nur vier Prozent können Beschäftigte leichter Gehaltserhöhungen durchsetzen, um die Teuerung auszugleichen. Dieses Wechselspiel aus steigenden Preisen und Einkommen wird als Lohn-Preis-Spirale bezeichnet – welche in den 1970ern zur bisher letzten Hochinflationsphase in den USA geführt hatte, die auch Great Inflation genannt wird.

Phase der Stagflation

Die Kombination aus hoher Teuerung und schwachem Wachstum prägte diese Phase, also eine Stagflation, in der auch die Arbeitslosigkeit wieder zunahm. Eine Wiederholung dieses Szenarios wollen Notenbanker wie Bullard, der als Verfechter einer strafferen Geldpolitik gilt, auf jeden Fall verhindern.

Bereits Ende der 1960er-Jahre versuchte die US-Notenbank mit einer Niedrigzinspolitik das US-Haushaltsdefizit, das durch die Kosten des Vietnamkriegs und Sozialreformen deutlich angestiegen war, zu finanzieren und die schwächelnde Wirtschaft zu anzukurbeln. Der dadurch ausgelöste Nachfrageanstieg traf im Herbst 1973 auf den ersten Ölpreisschock, als ein politisch motiviertes Lieferembargo der Opec-Staaten für einen sprunghaften Anstieg des Ölpreises führte.

Vollbremsung der Fed

Anders als in manchen europäischen Ländern blieb die Geldpolitik in den USA expansiv und führte zu einem Anstieg der Verbraucherpreise im zweistelligen Prozentbereich. Die Entwicklung gipfelte nach dem zweiten Ölpreisschock im Zuge der Iranischen Revolution 1979, als die Kosten für Rohöl ein weiteren Mal sprunghaft angestiegen waren.

Diesem Spuk setzte der damalige Fed-Chef Paul Volker kurz nach Amtsantritt in Form einer geldpolitischen Vollbremsung ein Ende. Der 2019 verstorbene Notenbanker hievte den Leitzins damals kurzfristig über 20 Prozent, um die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen – was als Volcker-Schock bezeichnet wird und eine Rezession auslöste. So weit wollen es diesmal Befürworter einer strafferen Geldpolitik wie Bullard auf keinen Fall kommen lassen. (Alexander Hahn, 11.2.2022)