Barbra Streisand hat ihr Kinn auf den Handrücken gestützt, sie posiert vor ihrem Küchenkasten. Es ist Juni 1994, die New Yorkerin öffnet für die erste Ausgabe der "Instyle" die Türen ihres kalifornischen Anwesens. Das Heft: locker, aufregend, frisch. Sein Konzeptpasst in die prädigitale Clinton-Ära. Es verspricht Nähe zu Hollywoodstars wie Barbra Streisand, Jennifer Aniston oder Sheryl Crow, ohne die Nase in deren Schmutzwäsche zu stecken.

Vor allem wird "Instyle" schnell die neue Shoppingbibel. Handtaschen, Ballerinas und der Himbeerton der Saison werden so easy wie ein Cheeseburger serviert. Kein Vergleich zu den Hochglanzinszenierungen langbeiniger Supermodels in Anna Wintours US-"Vogue".

Zunächst belächelt die New Yorker Modeelite die "Instyle" als kommerzielles "McFashion"-Magazin. Doch das Heft funktioniert, bedient es doch die Bedürfnisse der Neunziger- und Nullerjahre. In der Fast-Fashion-Ära wurde Shopping zum festen Bestandteil der Freizeitgestaltung wie der Popkultur. Das Magazin mit den bekannten Gesichtern auf dem Cover entwickelte sich zum Vorzeigeprojekt des US-Medienunternehmens Time Inc. 1994 startete man mit einer Auflage von 500.000, 2002 verkaufte Chefredakteurin Martha Wilson 1,5 Millionen Hefte. Die Erfolgsgeschichte ging in Europa weiter. Bald gab es Lizenzprodukte. Die deutsche Ausgabe erschien ab 1999 im Burda-Verlag, ab 2001 wurde ein Heft in London produziert.

Bild nicht mehr verfügbar.

1994 lag das amerikanische Magazin "Instyle" zum ersten Mal im Kiosk auf. Das Heft vertraute auf die Strahlkraft von Stars wie Taylor Swift oder hier Julia Roberts.
Foto: Balawa Pics / Action Press / picturedesk.com

28 Jahre und eine Social-Media-Revolution später ist davon nicht mehr allzu viel übrig. Der Verlag Meredith Corporation, der Time Inc. 2017 geschluckt hat, hat im Februar bekanntgegeben: Das Magazin in den USA wird nach der Aprilausgabe eingestellt. Chefredakteurin Laura Brown geht, es werden 200 Stellen abgebaut. Online bleibt die Marke bestehen – doch mit dem Aus für das Heft geht eine Ära zu Ende.

Die Branche hat sich an solche Meldungen gewöhnt. An der Themse hat "Instyle" schon 2016 die Segel gestrichen. Der Magazinmarkt ist weltweit aus den Angeln geraten. Prominentes Beispiel ist der Verlag Condé Nast. Wegen sinkender Verkaufszahlen von Printmagazinen und ausbleibender Anzeigenerlöse wurde dort schon 2018 auf die Bremse gedrückt. Es folgte eine Entlassungswelle, auch bei "Vogue" ist Downsizing angesagt.

Später zog Anna Wintour nach und hob prominente Frauen wie Kamala Harris auf das Cover der US-Vogue. Mittlerweile werden viele Geschäfte auf Instagram gemacht.
Foto: Tyler MITCHELL / Vogue / AFP

Platztausch in der Front Row

Vorbei die Zeit jener Chefredakteurinnen, die dem Image der Ausgaben aus Paris, Mailand oder München ihren Stempel aufdrückten. Vorbei die Zeiten, in denen unzählige "Vogue"-Mitarbeiterinnen während der Modewochen die Reihe eins einnahmen. Mit Eugenie Trochu, Francesca Ragazzi und der ehemaligen Instyle-Chefin Kerstin Weng arbeiten bei der französischen, italienischen, deutschen Ausgabe nun Redaktionsleiterinnen. Ihr Jobtitel: "Head of Editorial Content". Unterstellt sind sie Anna Wintour und Edward Enninful. Sie produzieren einen Großteil der Artikel und Bilderstrecken.

Auch bei "Instyle" spiegeln die Zahlen die Entwicklung der Printmagazine wider. Die deutsche Ausgabe verkaufte im vierten Quartal 2021 rund 167.000 Hefte. Das ist weniger als die Hälfte dessen, was im vergleichbaren Zeitraum 2013 abgesetzt wurde – damals waren es 402.000 Exemplare. Doch es lohnt sich, genauer hinzusehen. Nicht jeder Verlag zieht dieselben Schlussfolgerungen. Für den deutschen Burda-Verlag scheint das Geschäft mit "Instyle" noch aufzugehen, Anfang Jänner wurde Sophie Grützner als neue Chefredakteurin präsentiert.

Print sei "hochprofitabel in Deutschland und nach wie vor das Herzstück dieser starken Marke". Daran halte man fest, erklärt eine Sprecherin von Burda auf Anfrage. Auch Annette Weber, die prominenteste ehemalige Chefin des deutschen Ablegers, sagt: "Die deutsche Ausgabe der Instyle ist immer einen eigenen Weg gegangen." Das habe sich jetzt als eine gute Entscheidung erwiesen. Die Aufgaben der Chefredaktion allerdings haben sich verändert. Sophie Grützner wird einen "360-Grad-Markenkosmos" betreuen. Dazu gehören nicht nur die Ableger "Instyle Men", "Instyle Beauty" und "Instyle Mini&Me", sondern auch Onlinekanäle, E-Paper, Onlineshop, Merchandisingartikel und Events.

Appetit auf Mode

Wie rasant sich die Welt der Modemagazine innerhalb eines Jahrzehnts verändert hat, lässt sich an Annette Webers Karriere ablesen. Die Deutsche leitete die "Instyle" von 2007 bis 2015. Weber hatte 55 Mitarbeiterinnen, der Rubel rollte, die Chefredakteurin war für ihren selbstbewussten Auftritt bekannt. Das Social-Media-Beben habe man schon damals kommen sehen: "Wir hatten als Erste die Influencerin Chiara Ferragni auf dem Cover, weil wir das Gefühl hatten, dass es an der Zeit ist. Ich erinnere mich gut: Die amerikanischen Lizenzpartner waren wenig begeistert." Macht man so nicht die Konkurrenz groß?

Diese Diskussion wird kaum noch geführt. Im vergangenen Oktober stemmte Chiara Ferragni auf dem Titel der italienischen "Vogue" die Hände in die Hüften. Die Influencerin soll auf Instagram den Verkauf des Hefts ankurbeln. Auch Weber arbeitet heute als Influencerin, zwar nur mit einem kleinen Team, bestehend aus sechs Personen. Doch das Unternehmen laufe, mittlerweile verdiene sie so viel wie damals als Chefredakteurin, erklärt sie am Telefon. Sie glaubt: "Der Appetit auf Mode und Beauty ist ungebrochen. Aber immer mehr Frauen informieren sich auf Social Media und weniger in Magazinen über Modetrends." Als Print-Fan bedauere sie, dass dank der Sparmaßnahmen dort "überall dieselben PR-Bilder" zu sehen seien.

Shopping auf Instagram

Dass die produktlastigen Legeseiten einer "Instyle" nun von den Postings geschäftstüchtiger Influencerinnen abgelöst worden sind, erscheint logisch. Auf Instagram lassen sich Handtaschen lebendiger inszenieren, es wird direkt in Onlineshops verlinkt. Den Einfluss der Influencer können Marken sehr genau bemessen. Die Neuordnung des Marktes kann aber auch eine Chance für Print sein. Zumindest dann, wenn gleichgeschalteter Beliebigkeit eigene Inhalte entgegengesetzt werden. Davon könnten Zeitungsbeilagen und Nischenmagazine profitieren, führte Modemann Alfons Kaiser zuletzt in der "FAZ" aus.

Tatsächlich kamen ambitionierte Hefte auf den Markt. Einige werden von (früheren) Protagonisten der Branche gemacht. Jaime Perlman, einst Kreativdirektorin der britischen "Vogue", hat 2018 in London More or Less gegründet. Das Heft dreht sich ganz um das Thema Nachhaltigkeit in der Mode. Bekannte Fotografen wie Inez Van Lamsweerde and Vinoodh Matadin arbeiten für das Magazin, so verschaffen sie sich Credibility. Auf dem ersten Titel war Kate Moss in Vintage-Mode zu sehen. Instyle-Leserinnen kennen sie anders. (Anne Feldkamp, 17.2.2022)