Verbreitet starker bis stürmischer Wind ist am Donnerstag über Österreich hinweggefegt. Im Norden und Osten des Landes sowie in den Niederungen war bis in den Nachmittag hinein mit Böen von 80 bis 100 km/h zu rechnen, vereinzelt auch darüber, warnte die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Auf vielen Bergen erreichte der Sturm Orkanstärke mit 120 km/h und mehr. Außerdem war der Donnerstag extrem mild, speziell in Niederösterreich, Wien und dem Burgenland wurden stellenweise knapp 20 Grad erreicht.

In der Nacht auf Freitag sollte der Sturm überall abklingen, berichtete die ZAMG. Als Sturm-Spitzenwerte am Donnerstagvormittag wurden 148,3 km/h am Feuerkogel (Oberösterreich), 145,8 km/h am Buchberg und 142,6 km/h am Semmering/Sonnwendstein (beide Niederösterreich) gemessen. Auf der Jubiläumswarte in Wien schaffte es die Windspitze immerhin auf 127,1 km/h.

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220 Feuerwehreinsätze in Niederösterreich

In Niederösterreich hat Sturmtief Ylenia den Helferinnen und Helfern einen unruhigen Donnerstag beschert. An rund 220 Einsätzen waren bis zum Nachmittag 2.200 Mitglieder von 190 Feuerwehren beteiligt, teilte Franz Resperger vom Landeskommando mit. Vom starken Wind betroffen waren alle Landesteile. Ein Abklingen der Böen wurde für die Abendstunden erwartet.

Vorübergehend gesperrt war am Vormittag die Südautobahn (A2) im Bereich der Anschlussstelle Industriezentrum NÖ-Süd. Resperger zufolge war der Anhänger eines Lkw von einer heftigen Sturmböe erfasst und umgeworfen worden. Den eintreffenden Helfern bot sich ein spektakulär anmutendes Bild, schwebte doch die Hinterachse des Zugfahrzeugs quasi in der Luft. Der Lenker blieb unverletzt. Von Kfz und Anhänger blockiert wurden alle vier Spuren der Richtungsfahrbahn Graz. Die Aufräumarbeiten, bei denen auch ein Kranwagen des Landesfeuerwehrverbands zum Einsatz kam, dauerten rund eineinhalb Stunden. Aufgrund der Sperre der A2 bildete sich ein kilometerlanger Stau.

Im Raum Schönau an der Triesting in Niederösterreich wurde ein Anhänger fast umgeworfen.
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Nahe dem Bahnhof Gars am Kamp (Bezirk Horn) kollidierte am Nachmittag ein Triebwagen der Reihe 5047 mit einem Baum. Das erste Drehgestell sei dadurch entgleist, teilte ÖBB-Sprecher Christopher Seif mit. Die etwa 30 Fahrgäste seien unverletzt geblieben. Der Zug war in Richtung Horn unterwegs.

Nach dem sturmbedingten Unfall wurde ein Schienenersatzverkehr im Streckenabschnitt Gars–Plank am Kampf eingerichtet. Der ÖBB-Sprecher ging davon aus, dass die Maßnahme bis zum Betriebsschluss am Donnerstag aufrecht bleibt. Der Triebwagen musste mit maschineller Unterstützung wieder ins Gleis gestellt werden.

Allein 60 Einsätze gab es im Bezirk Amstetten. An der Westautobahn (A1) bei St. Valentin stürzten Bäume um. Die Asfinag und die lokale Feuerwehr standen auf der Richtungsfahrbahn Wien im Einsatz. Bei Haag in Richtung Salzburg musste die Plane eines Lkw von örtlichen Einsatzkräften gesichert werden. Aufgrund der Gefahr weiterer umstürzender Bäume wurden mehrere Straßensperren errichtet, berichtete das Bezirkskommando.

In Raabs a. d. Thaya (Bezirk Waidhofen a. d. Thaya) stürzte ein Baum auf das Dach des Restaurants eines Hotelbetriebs. Gäste waren wegen einer vorübergehenden Schließung aufgrund von Umbauarbeiten nicht an Ort und Stelle.

20.000 Haushalte in Oberösterreich vorübergehend ohne Strom

In Oberösterreich hat der Sturm mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 100 km/h Donnerstagvormittag zu einer Reihe von Stromausfällen geführt. Verteilt über das Bundesland waren zwischen 15.000 und 20.000 Haushalte vorübergehend ohne Strom, teilte ein Sprecher von Netz OÖ mit. Von 8 bis 13 Uhr waren laut Landesfeuerwehrkommando 197 Wehren mit 2.700 Männern und Frauen zu 470 Einsätzen ausgerückt.

Umgestürzte Bäume oder abgeknickte Äste auf Freileitungen hatten zu den Stromausfällen geführt. So mussten Feuerwehren auch immer wieder Personen aus steckengebliebenen Aufzügen befreien. In Sierning (Bezirk Steyr-Land) wurde ein Kleinlaster von einer Sturmböe erfasst und auf das Dach geschleudert. Der verletzte Fahrer wurde aus dem eingeklemmten Fahrzeug geborgen. In Ohlsdorf (Bezirk Gmunden) landete ein Lkw im Straßengraben, gab das Landesfeuerwehrkommando einen Zwischenstand.

Ylenia wütet auch in Salzburg

Auch im Bundesland Salzburg hat Ylenia am Donnerstag einige Schäden verursacht und zahlreiche Feuerwehreinsätze ausgelöst. Betroffen war vor allem der Flachgau, die Stadt Salzburg und der Tennengau. Seit 7.00 Uhr rückten 13 Feuerwehren aus, wie Landesfeuerwehrkommandant Günter Trinker am frühen Nachmittag erklärte. Es mussten vor allem umgestürzte Bäume beseitigt werden.

Durch einzelne heftige Windböen drohten immer wieder Bäume umzustürzen. Die Einsatzkräfte wurde deshalb auch zu Sicherungsmaßnahmen gerufen. Am Vormittag verzeichnete die Landeswarnzentrale noch weniger Alarmierungen, am Nachmittag hatten die Feuerwehren mehr zu tun. "Aktuell haben wir sechs Einsätze", sagte Trinker kurz vor 14.00 Uhr.

Gegen Mittag hatte eine Windböe im Schlosspark von Hellbrunn in der Stadt Salzburg einen Baum umgeworfen. Vorsorglich ließ die Stadt den Schlosspark, die Hellbrunner Allee, alle städtische Friedhöfe und die Stadtberge für Besucherinnen und Besucher sperren. Wenn sich die Situation wieder beruhige, würde die Sperre wieder aufgehoben, hieß es.

Zwei Tote in Deutschland

In Deutschland hat Ylenia ebenfalls Bäume umstürzen lassen, zu Straßensperren geführt und Zug- und Flugverkehr durcheinandergewirbelt. Zwei Autofahrer wurden von umstürzenden Bäumen erschlagen. Im Bundesland Sachsen-Anhalt bei Südharz starb ein 55-Jähriger Donnerstagfrüh auf einer Landstraße. Ein Baum sei durch den starken Wind auf den Wagen des Mannes gefallen, teilte die Polizei mit. Daraufhin habe sich der fahrende Wagen überschlagen. Auf einer Landstraße in Niedersachsen zwischen Bad Bevensen und Seedorf starb ein 37 Jahre alter Mann. Auch hier stürzte ein Baum auf das Auto.

In Hamburg wurde der Fischmarkt von einer Sturmflut überschwemmt, im ganzen Norden Deutschlands wurde der Bahnfernverkehr vorsorglich bis zur Mittagszeit ausgesetzt. Betroffen waren die Bundesländer Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg. Aber auch im Regionalverkehr kam und kommt es zu Zugausfällen und Verspätungen.

Beträchtliche Sturmschäden in ganz Deutschland (Bild: Chemnitz).
Foto: imago images/Bernd März

Einschränkungen wurden auch für den Flugverkehr gemeldet. Neben den 20 bereits angekündigten Annullierungen streicht die Lufthansa im Tagesverlauf allerdings vorerst keine weiteren Verbindungen. Das sei noch immer Stand der Dinge, teilte ein Unternehmenssprecher Donnerstagfrüh mit.

Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt sind nach Betreiberangaben Verbindungen mit Berlin, München und Hamburg betroffen. Am Flughafen Hamburg fallen rund ein Dutzend Flüge aus.

Sturmflut an der Nordseeküste

An der schleswig-holsteinischen Nordseeküste gab es in einigen Orten eine Sturmflut – in Husum wurde ein Pegelstand von 1,64 Meter über dem mittleren Hochwasser gemessen. An vielen anderen Pegeln blieben die Wasserstände allerdings unter dem Wert einer Sturmflut.

Feuerwehren und Polizeileitstellen berichteten am frühen Morgen vielerorts von zahlreichen Einsätzen, größere Schäden blieben vorerst aber aus. Die Feuerwehr Berlin rief den Ausnahmezustand aus.

Auch in Nordrhein-Westfalen hinterließ der Sturm Spuren. In Kleve am Niederrhein wurde das Zelt einer Corona-Teststation zerstört. In Wuppertal stürzte in der Nacht ein etwa 40 Meter hoher Baum auf die Schienen der Schwebebahn. In dem gesamten Bundesland wurde für Donnerstag außerdem der Schulunterricht abgesagt. Auch in mehreren Regionen Niedersachsens oder etwa Bayerns dürfen Schülerinnen und Schüler wegen der Wettergefahren zu Hause bleiben.

Über 150 km/h

Besonders stürmisch war es in der Nacht im Harzgebirge, dort wurden kurz nach Mitternacht Windgeschwindigkeiten von bis zu 156 km/h gemessen.

Auch in Bayern löste das Sturmtief viele Einsätze von Polizei und Feuerwehr aus. Der Freistaat blieb von größeren Schäden aber zunächst verschont, wie Polizeisprecher mitteilten. An einigen Orten fielen Bäume um. Viele davon stürzten auf Stromleitungen und sorgten dadurch für Stromausfälle. Allein der größte Stromnetzbetreiber des Freistaats, Bayernwerk Netz, verzeichnete laut einem Sprecher 10.000 Betroffene. Der Deutsche Wetterdienst warnte vor schweren Sturmböen in ganz Bayern.

Ab Donnerstagnachmittag lässt der Wind des Tiefs Ylenia zwar langsam nach. Die Verschnaufpause dürfte jedoch nur kurz sein. Bereits für Freitagmittag wird das nächste Orkantief – Zeynep genannt – von den Britischen Inseln kommend erwartet. Laut DWD wird dann wahrscheinlich wieder vor allem die nördliche Hälfte Deutschlands betroffen sein.

Bereits Ende Jänner war das Sturmtief Nadia mit gefährlichen Böen über Nord- und Ostdeutschland gefegt und hatte Millionenschäden verursacht. Nach Ansicht des DWD-Meteorologen Andreas Friedrich sind die jetzigen Stürme, was die Windspitzen angeht, mit Tief Nadia vergleichbar. Die aktuelle Lage ist aus seiner Sicht allerdings brisanter, "weil wir eine Kette von Sturmtiefs haben". (APA, red, 18.2.2022)