Pía León kochte früher im Spitzenrestaurant Central in Lima. Heute führt sie ihr eigenes Lokal namens Kjolle.

Foto: Gustavo Vivanco / The World‘s 50 Best Restaruants

Die Freude ist noch immer groß. Im Vorjahr wurde Pía León vom weltweit renommierten Gastro-Ranking "50 Best Restaurants" zu "World’s Best Female Chef 2021" gekürt. Auf die Frage, was sie denn nun zur besten Chefköchin mache, serviert sie zunächst ein paar Standardfloskeln: Es gebe viele gute Frauen, es brauche mehr Sichtbarkeit, sie hoffe, mit dem Gewinn andere Frauen anzuspornen. Doch plötzlich wirkt es so, als habe man sie beim Lügen erwischt.

Nach einer kurzen Pause bricht es fast frustriert aus León heraus: "Ich sag es einfach, warum nicht: viel Arbeit." Sie sei konstant gut in ihrem Job. Das mache sie besser als andere. Erwischt, denkt man: ehrgeizige Einzelkämpferin! Doch dann sagt León, ohne zu zögern und genauso selbstbewusst: "Es ist mir wichtig, eine gute Führungsperson zu sein." Sie schätze die Nähe zu ihren Teammitgliedern. "Das ist sehr wichtig und sehr wertvoll für mich", sagt sie.

Minimalistische Diversität: In ihrem Restaurant Kjolle kocht León Gerichte aus je drei bis fünf Zutaten aus Peru. Die Chefköchin will so die Vielfalt peruanischer Erzeugnisse erlebbar machen.
Foto: Gustavo Vivanco / The World‘s 50 Best Restaruants

Dieses Element stellt sich schnell als zentral in Leóns Arbeit heraus: Sie spricht lieber über ihre Leidenschaft für ihren Job und vor allem die Gemeinschaft, die ihn möglich macht, als über sich selbst. Das beginnt schon, wenn sie über ihren Werdegang spricht. "Wir haben zusammen gekocht", erzählt sie über ihre Familie, "Ich habe es geliebt." Sie habe früh erkannt, dass sie nicht nur hobbymäßig in der Küche stehen wolle.

Nach einer Ausbildung in der Gastronomieschule Le Cordon Bleu begann sie in den Restaurantküchen Limas zu arbeiten. "Es war hart, natürlich", sagt León über diese Zeit. Ständig wechselnde Arbeitszeiten, schuften, wenn andere genießen, rauer Umgangston: Die Restaurantküche gilt nicht nur in Peru als herausforderndes Arbeitsumfeld.

Als León 2009 im Edelrestaurant Central anfing, war sie die einzige Frau im Team. "An manchen Tagen habe ich geweint", sagt sie, betont aber, dass sie ihre Arbeit dennoch geliebt habe.

Und erneut erzählt sie von Gemeinschaft: Sie habe von ihren Kollegen gelernt, sich so ihren Respekt erarbeitet. Und Erfolg. Fünf Jahre nach ihrem Start wird sie Head Chef des Restaurants. Das Central wird 2014, 2015 und 2016 zum besten Restaurant Südamerikas ernannt und ist auch weltweit immer wieder unter den besten 50 Restaurants.

2018 eröffnete sie ihr eigenes Restaurant Kjolle.
Foto: Gustavo Vivanco / The World‘s 50 Best Restaruants

Diversität

Was für andere der Höhepunkt ihrer Karriere wäre, war für León nur ein Zwischenschritt. 2018 eröffnete sie ihr eigenes Restaurant Kjolle. Dabei setzt sie auf Diversität. Es ist dabei nicht nur jene Art von Vielfältigkeit gemeint, die dazu geführt hat, dass ihr Team zu knapp einem Drittel aus Frauen besteht und Dienstpläne Rücksicht auf Mütter nehmen. "Unsere Mission ist es, all die Diversität von Peru zu zeigen", sagt León.

Die Chefköchin könnte den einfachen Weg gehen und ein, zwei lokale Zutaten in ihren Speisen verwenden. Einfach ist aber nicht Leóns Ding, auch wenn sie auf Minimalismus setzt: "Ich will meine Speisen nicht unter zu vielen Zutaten begraben." Drei bis vier Zutaten sind ihr pro Speise genug, die dafür aber alle aus Peru kommen.

Das liegt auch daran, dass sie mit Mater Iniciativa zusammenarbeitet. Diese Forschungseinrichtung widmet sich peruanischen Produkten und ihrem kulinarischen Einsatz. Es ist keine rein geschäftliche Kooperation: Betrieben wird die Initiative von Leóns Ehemann Virgilio und Leóns Schwägerin Malena Martínez.

Mittlerweile ist auch ihr Sohn Cristóbal regelmäßig im Restaurant. Es war hart, als er 2016 auf die Welt gekommen war. "Ich war zuerst beim Baby, dann bin ich ins Restaurant gegangen, dann zurückgekommen, um ihn zu füttern", sagt León. Heute genieße sie es, wenn ihr Sohn mit ins Restaurant komme. "Seine besten Freunde sind die Köche", sagt sie lachend, "ich glaube, er genießt es sehr."

Foto: Gustavo Vivanco / The World‘s 50 Best Restaruants

Zu Gast bei Obama

Cristóbal war auch dabei, als León einem größeren Publikum bekannt wurde. Die beiden waren 2021 in einer Folge der von Michelle Obama moderierten und produzierten Netflix-Serie Waffles + Mochi zu sehen. "Wir waren nicht nur begeistert, eine ausgezeichnete Chefköchin zu zeigen", sagt Serien-Co-Entwicklerin Erika Thormahlen, "wir waren auch wirklich fasziniert davon, eine arbeitende Mutter zu zeigen, die ihr Handwerk und ihre Leidenschaft mit ihrem Kind teilt."

Thormahlen lobt neben Leóns Professionalität auch ihre Nahbarkeit: "Die Freude, die sie beim Kochen mit ihrer Familie mitgebracht hat, ist beispielhaft für die Mission unserer Show."

León spricht begeistert über den Dreh und die Botschaft, die sie vermitteln wollte: "Kochen ist nicht kompliziert, es ist nicht unmöglich." Jeder Mensch könne es tun. "Warum also nicht gemeinsam als Familie?", fragt sie. In ihrem Fall stimmt das in mehreren Hinsichten. Im Interview nennt sie ihr Team "eine große Familie aus Freunden". Ihre Rolle darin ist dann trotz aller Gemeinschaft die einer Anführerin: "Ich sehe mich selbst als die Mutter." (Ana Wetherall-Grujic, RONDO, 8.3.2022)