Justizministerin Alma Zadić (Grüne) spricht sich für "unabhängiges Kinderrechte-Monitoring" aus.

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Wien – Zwar stehen die Kinderrechte in Österreich im Verfassungsrang. In der Praxis jedoch genießen sie in Asyl- und Fremdenrechtsverfahren – und darüber hinaus auch in manchen Sorgerechtskonflikten – oft nur wenig Respekt. "Es braucht eine permanente Kindeswohlkommission, die über die Berücksichtigung dieser Rechte in Verwaltungsverfahren wacht", sagte der Kinderpsychiater Ernst Berger am Montag bei einer Pressekonferenz der Initiative Gemeinsam für Kinderrechte.

Nach mehreren umstrittenen Abschiebungen Minderjähriger aus Österreich waren Berger und weitere vier Fachleute vergangenes Jahr von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) mit einen Bericht über das Kindeswohl in Asyl- und Fremdenrechtsverfahren beauftragt worden. Die unter der Leitung der Juristin Irmgard Griss verfasste Expertise umfasste elf Empfehlungen zur Verbesserung der Situation.

Enttäuschte Hoffnungen

Nun stehen Griss und Berger erneut vor der Presse. Die Hoffnung, dass den Kommissionsempfehlungen Taten folgen würden, seien "enttäuscht worden", sagte Griss anlässlich der Abschiebung des 13-jährigen Husein S. nach Aserbaidschan am vergangenen Dienstag.

Sechs Jahre lang hatte der Bub mit seinen Eltern in Österreich gelebt. Er ging hier in die Mittelschule und galt als guter Nachwuchs-Tischtennisspieler, war gut integriert und spricht fließend Deutsch. Seine Mutter, die ebenfalls gut Deutsch kann, hatte die Zusage für eine Arbeitsstelle als Putzfrau in einem Hotel und für eine eigene Mietwohnung.

Husein S. gilt in Österreich als Tischtennis-Talent. Er wurde nach Aserbaidschan abgeschoben.
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Bescheid mit Textbausteinen

Humanitäres Bleiberecht wurde der Familie, deren Asylanträge davor rechtskräftig abgelehnt worden waren, dennoch nicht gewährt. Auch Aufschub für den Buben gab es keinen. Vielmehr, betonte Griss, sei sie beim Durchlesen des Ausweisungsbescheids auf Satzbausteine gestoßen, die für einen 13-Jährigen keinen Sinn machten – etwa, was die Frage ehrenamtlicher Tätigkeit oder der Selbsterhaltungsfähigkeit betreffe.

Durch die Abschiebung wurde Husein mitten im Schuljahr aus seinem Leben gerissen. Das stehe in krassem Widerspruch zu den Kindeswohlbericht-Empfehlungen, sagte Griss. Der Bub hat seine Mitschülerinnen und Mitschüler aus der Schubhaft in der Wiener Zinnergasse heraus nur bitten können, ihm den Lehrstoff nachzuschicken – eine traumatisierende Situation.

"Kindeswohlbriefe" geplant

Große Hoffnung, dass das fixe Kindeswohlmonitoring rasch umgesetzt wird, macht man sich bei der neuen Initiative nicht. Man werde jedoch zivilgesellschaftliche Schritte setzen, sagte Katharina Glawischnig von der Asylkoordination Österreich. Im Fall einer akuten Kindeswohlgefährdung solle ein "Kindeswohlbrief" geschrieben und an die Behörden gesendet werden.

Das Schreiben werde darlegen, weshalb eine Abschiebung aus Sicht des Bündnisses ungerechtfertigt wäre. "In manchen Fällen wird man sicher nicht mehr konkret helfen können, aber unser Ziel ist es auch, das Bewusstsein der Gesellschaft und der Politik zu schärfen", sagte Griss.

Refugee Law Clinic

Außerdem sollen Ausweisungsbescheide, die Minderjährige (mit)betreffen, im Rahmen der mit der Universität Wien zusammenarbeitenden Refugee Law Clinic wissenschaftlich aufgearbeitet werden.

Eine vergleichbare Schutzbriefaktion, damals für Asylsuchende jedes Alters, gab es bereits in den 1990er-Jahren – damals in Kooperation mit dem UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR. Auf Vorschlag eines zivilgesellschaftlichen Gremiums wurden manche Flüchtlinge unter Schutz gestellt.

Zadić führte Gespräche in der Regierung

Aus dem Büro von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hieß es, man befürworte ein "unabhängiges Kinderrechte-Monitoring" und habe darüber "in der Regierung schon Gespräche geführt". Aus dem Büro von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) war zu erfahren, dass eine Reihe von Forderungen der Kindeswohlkommission bereits erfüllt worden seien. (Irene Brickner, 21.2.2022)