Hans Menasse war ein begnadeter rechter Flügel und beseelter Erzähler.

Foto: Robert Newald

Hans Menasse war der letzte Große der letzten großen Generation des österreichischen Fußball. Eine Generation war das, die noch die Erinnerung in sich getragen hat an jene Zeit, als in Österreich Weltfußball gespielt wurde. In den frühen 1950ern wurde versucht, Anknüpfungspunkte an die Zwischenkriegszeit zu finden. Hans Menasse, ein rechter Flügel von außergewöhnlichem Format, war so einer.

Hans Menasse ist 1930 in Wien auf eine Welt gekommen, die sich anschickte, aus den Fugen zu geraten. Der Fußball war einer der verzweifelten Versuche, sie zusammenzuhalten. Menasse "war immer fußballnarrisch", wie er dem STANDARD einmal erzählte. Gerne hätte es sich mit Leib und Seele und vor allem Herz der Wiener Austria verschrieben. Aber es kam anders.

Kinderflucht

Im Dezember 1938 mussten er und sein älterer Bruder Kurt aus Wien verschwinden. Die Eltern setzten die zwei in einen Kindertransport nach England. Der Achtjährige kam in ein Heim in London. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Polen wurden Heim und Schule aufs Land verlegt. Hans und sein Bruder lernten die Sprache schnell. Hans auch das Fußballspielen. Er heuerte bei seinem Lieblingsverein an: Luton Town in der zweiten Liga. Schließlich klopfte – Hans Menasse hütete den Brief stets wie einen Schatz – die große Arsenal an. 1947 war das das

Aus einem Engagement bei den Gunners wurde freilich nichts. Denn Hans Menasse war da schon auf der Rückreise nach Wien. In ein in umfassendem Sinn verheertes Wien, in dem die Eltern – die Mutter Katholikin, der Vater Jude – den Krieg durchzitterten. "Dass mein Vater überlebt hat, war wie ein Wunder. Beide Eltern waren nach dem Krieg so was von nervenzerrüttet, das kann man sich gar nicht vorstellen."

Blau-gelber Spieler

Das Herz des Hans Menasse gehörte der Wiener Austria. Das seines Vaters der Vienna. Hans wurde also auf der Hohen Warte eingeschrieben. Des Vaters Liebe zu den Blau-Gelben überdauerte sogar den Raub der Wohnung. Karl Rainer, Vienna-Spieler und rechter Back des Wunderteams, "arisierte" sie kurzerhand.

1950 debütierte Hans Menasse in der Kampfmannschaft. 1954/55 wurde er mit der Vienna Meister. Nur eine Gelbsucht-Erkrankung verhinderte 1954 seine Teilnahme an Österreichs erfolgreichster WM-Teilnahme. Statt ihm lief Rapids Robert Körner auf.

Violettes Herz

1959 ließ Hans Menasse dann auch sein Herz sprechen. Er spielte eine Saison bei der Austria. Bis 1966 kickte er, abwärts vazierend, nebenher. Während er es im Brotberuf zu einer anderen Meisterschaft brachte. Als Wiener Pressebetreuer der United International Pictures holte er – gesegnet mit einem wenig mundfaulen Schmäh – den Glanz Hollywoods in eine immer noch graue Stadt. Mit Joschi Walter diente er der Austria auch als Funktionär.

Hans Menasse war ein begnadeter Erzähler. Er wusste um die Kunst, eine Geschichte zu bauen. Gespräche mit ihm waren so fesselnd, dass man zuweilen die professionelle Intention vergessen konnte – so berückend waren seine bildhaften, anekdotischen Erinnerungen an ein turbulentes Leben. Ein Leben, von dem er auch stets zu vermitteln wusste, dass und wie sehr es ein erfülltes gewesen ist.

Vaterfreude

Zu diesem Erfülltsein gehörte auch die Vaterfreude. Zwei seiner drei Kinder – Robert und Eva – schlagen nach der Vaterart und sind im Erzählergeschäft tätig. Die Tochter machte den Vater in ihrem ans Herz zu legenden Roman "Vienna" zu einer literarischen, also unsterblichen Figur. 2019 erschien unter dem Titel "The Austrian Boy" die Biografie des – wie es im Untertitel heißt – Lebens zwischen Wien, London und Hollywood.

Am 5. März hätte Hans Menasse den 92. Geburtstag gefeiert. Am Montag ist er nach längerer Krankheit in Wien gestorben. (Wolfgang Weisgram, 1.3.2022)