Nach langem Zögern legt Wolfgang Schüssel sein Aufsichtsratsmandat doch zurück.

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Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat sich Zeit gelassen mit seiner Entscheidung, seinen Aufsichtsratsjob beim russischen Ölkonzern Lukoil zurückzulegen. Das hat in den vergangenen Tagen auch zu viel Kritik geführt. Am Freitag teilte Schüssel dann mit, dass er seine "zweijährige Arbeit als Aufsichtsrat abschließen und aus dem Board of Directors ausscheiden" wird. Zuvor habe er noch auf eine Erklärung Lukoils zum Ukraine-Krieg gedrängt.

Schüssel wollte gemeinsame Erklärung

"Seit der Invasion Russlands in der Ukraine habe ich mich mit anderen internationalen unabhängigen Mitgliedern des Board of Directors von Lukoil um eine gemeinsame Erklärung gegen den Krieg bemüht", teilt Schüssel in der Stellungnahme mit. Darin fordere man die Beendigung der Kampfhandlungen, einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand, eine friedliche Lösung der Probleme in seriösen Verhandlungen sowie Mitgefühl mit den tausenden Opfern in der Zivilbevölkerung und den Soldaten.

"Für mich, der sich immer für konstruktive Beziehungen zwischen der EU und Russland eingesetzt hat, ist mit dem kriegerischen Überfall auf die Ukraine, den brutalen Kampfhandlungen und Bombardierungen der Zivilbevölkerung die rote Linie überschritten. Ich unterstütze vollinhaltlich die Beschlüsse der Europäischen Union und der internationalen Staatengemeinschaft und die vielen mutigen Stimmen in Russland, die gegen den Krieg öffentlich auftreten. Die Ukraine muss ein freies und ungeteiltes Land bleiben", erklärte Schüssel.

Lukoil, Russlands zweitgrößter Ölkonzern, hatte am Donnerstagabend tatsächlich zur Beendigung des Krieges aufgerufen. In einer Erklärung auf der Website hieß es, man sei besorgt über die "tragischen Ereignisse in der Ukraine" und unterstütze die Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts. Das geschah allerdings auch erst eine Woche nach Kriegsbeginn.

Wiederholte Aufforderungen zum Rückzug hat Schüssel bisher mit der Begründung zurückgewiesen, es handle sich um ein börsennotiertes Unternehmen und keine Staatsfirma. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) rang am Donnerstag um eine Erklärung, warum sich der Parteifreund nicht von Lukoil zurückzieht. Schüssel agiere als Privatperson in einem privat geführten Konzern, sagte sie.

In Wien soll gebündelt werden

Lukoil, einer der weltgrößten börsennotierten Ölkonzerne, will seine internationalen Aktivitäten künftig in Wien bündeln und errichtet gerade eine Firmenzentrale am Schwarzenbergplatz. An der Börse ging es für den Konzern zuletzt steil bergab. Russische Papiere werden seit Tagen nahezu weltweit nicht mehr gehandelt. Lukoil-Präsident Wagit Alekperow soll in den vergangenen Tagen rund 60 Prozent seines Nettovermögens verloren haben.

Für die in Wien ansässige Firmentochter Lukoil International spricht die Kommunikationsfirma alpha_z. Diese wird unter anderem von Niko Pelinka geführt, der einst ORF-Stiftungsrat des "SPÖ-Freundeskreises" war und nach heftigen Protesten doch nicht Büroleiter von Ex-ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz wurde. Wie die Agentur mit dem Lukoil-Mandat nun umgehen wird, möchte Pelinka vorerst nicht kommentieren.

Rücktritt für Sozialdemokraten "überfällig"

Kritik kam prompt von den Sozialdemokraten. Russland habe seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor einer Woche begonnen, sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung. Tausende Menschen seien gestorben, mehr als eine Million Menschen auf der Flucht. "Dass Ex-Kanzler Schüssel neun Tage gebraucht hat, um sein höchst umstrittenes Engagement bei Lukoil endlich zu beenden, lässt tief blicken", befand Deutsch. "Weniger Einsicht und Anstand haben schließlich zur Entscheidung Schüssels geführt als vielmehr der enorme Druck der Öffentlichkeit. Die Causa Schüssel spricht Bände über den Zustand der Volkspartei." Der Rücktritt sei für Deutsch "in höchstem Maße überfällig" gewesen. (Bettina Pfluger, Jan Michael Marchart, 4.3.2022)