Wer sich rechtzeitig um einen Liegeplatz gekümmert hat, also zu Kriegsausbruch bereits über Anleihen oder Gold verfügte, konnte in diesen sogenannten sicheren Häfen andere Verluste ausgleichen.

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Für Anleger war das noch junge Jahr 2022 bisher eine bittere Enttäuschung – zunächst hat es schwach begonnen, dann stark nachgelassen. Zu den ursprünglichen Sorgen, der hohen Inflation und der anstehenden Zinswende kam dann auch der überraschende Ausbruch des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, der die seit Ende des Kalten Kriegs etablierte Weltordnung erschüttert. Die Folgen sind auch für die Aktienmärkte verheerend, vor allem in Europa.

Wichtige Kursbarometer wie der deutsche Leitindex Dax oder der Euro Stoxx 50 haben seit ihren Hochs mehr als 15 Prozent eingebüßt. Besonders gebeutelt wurde der Wiener Aktienmarkt, der bereits um mehr als ein Fünftel gefallen ist und sich damit nach offizieller Definition in einer sogenannten Baisse befindet, also einer Phase fallender Kurse. Und auch die erfolgsverwöhnte Wall Street wirkt ziemlich angeschlagen.

Schäfchen ins Trockene

Allerdings besteht die Finanzwelt nicht nur aus risikoreichen Investments wie Aktien, es gibt auch sogenannte sichere Häfen, in denen Anleger in unsicheren Zeiten ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Wie haben sich diese geschlagen und wie viel Stabilität können sie gewähren, sollten an den Börsen weitere Verwerfungen anstehen?

·Anleihen In einem breitgestreuten Portfolio sind Anleihen ein Fixstarter. Grundsätzlich sollen sie zwei Funktionen erfüllen, nämlich eine gewisse Sicherheit verleihen – denn in Krisenzeiten flüchten Anleger in Schuldverschreibungen finanziell solider Staaten wie Deutschland oder den USA. Zudem sollen diese auch einen regelmäßigen Ertrag beisteuern, was in Europa in den vergangenen Jahren jedoch durch die Zinspolitik und die Anleihenkaufprogramme der Europäischen Zentralbank (EZB) unterbunden wurde – stattdessen gab es zeitweise sogar eine negative Rendite bei zehnjährigen deutschen Staatsanleihen. Anleger zahlten also wissentlich drauf, macht das Sinn?

Ja, sagt Christian Nemeth, Vorstand der Zürcher Kantonalbank Österreich, denn: "Die Flucht in sichere Anlagen als stabilisierendes Element ist nach wie vor da." Denn seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs haben solide Staatsanleihen Kursgewinne verbucht, was jedoch deren Rendite – den jährlichen Ertrag vom Kauf bis zur Tilgung – wieder fast auf null drückte. Dadurch konnten aber jüngste Kursverluste bei Aktien zumindest etwas ausgeglichen werden.

Politischer Einfluss

Allerdings erinnert Nemeth daran, dass der derzeit dominierende politische Einfluss nur von kurzer Dauer sein werde, mittelfristig würden die wirtschaftliche Entwicklung, Inflation und die Notenbanken die Marschrichtung vorgeben. In den USA erwartet Nemeth wegen des hohen Inflationsdrucks Erhöhungen des Leitzinses bis auf 2,75 Prozent bis 2024, mit zeitlicher Verzögerung werde auch die EZB folgen – für den Anleihemarkt eine schwere Zeit, da Zinserhöhungen mit zwischenzeitlichen Kurseinbußen verbunden sind.

Wer die Sicherheit von Staatsanleihen im Depot will, muss diese ertraglose Zeit überdauern. "Man kann dieses Dilemma nicht auflösen", sagt Nemeth. Versuche, diese ertraglosen Schuldverschreibungen durch höher verzinste Anleihen oder Immobilienaktien zu ersetzen, funktionieren ihm zufolge nicht.

·Gold und Bitcoin Ebenfalls als sicherer Hafen gilt das Krisenmetall Gold, das auch als Inflationsschutz gilt. In dieser Hinsicht habe das Edelmetall jedoch im Vorjahr trotz eines Anstiegs der US-Teuerung auf mehr als sieben Prozent enttäuscht, sagt Nemeth. "Erst mit dem Krieg hat Gold einen Schub bekommen." Im vergangenen Monat stieg der Dollarpreis für eine Feinunze um etwa acht Prozent und hat ebenfalls Verluste bei Aktien ausgeglichen.

Noch besser haben sich Kryptowährungen entwickelt, Bitcoin gewann auf Monatssicht etwa ein Viertel. Dadurch hat sich der Kryptomarkt auch wieder von der Entwicklung der Technologieaktien abgekoppelt, die ihn zuvor prägte – ein Vorteil bei der Risikostreuung.

·Währungen Die finanziellen Verwerfungen des Ukraine-Kriegs zeigen auch, wie wichtig die Streuung der Anlagen auf unterschiedliche Währungsräume ist. Wie üblich flohen Anleger etwa in den US-Dollar der weltgrößten Wirtschaftsmacht – Wall-Street-Aktien und US-Anleihen verzeichneten dadurch ausgleichende Währungsgewinne. Ähnliches gilt für den Schweizer Franken, der in Europa als sicherer Hafen gilt und sich mit Riesenschritten der Kursparität zum Euro nähert. Gut für jene Anleger, die auch in eidgenössische Anlagen investiert haben – schlecht für jene, die noch immer einen Frankenkredit offen haben. (Alexander Hahn, 6.3.2022)