Technisch gesehen war es ja Gehen. Aber darauf kommt es wohl nicht an. Auch nicht darauf, dass mich der Großvater, der mit seinem Enkel erfolglos Drachen steigen lassen wollte, ab meiner zweiten Runde nicht mehr aus den Augen ließ.

Das hätte ich an seiner Stelle wohl auch nicht: Wieso jemand auf einer sonst gerade fast menschenleeren Rasenfläche unbedingt so herumspazieren muss, dass er (also ich) tatsächlich über die am Boden abgestellte Drachensteigutensilientasche steigen muss, ist ja nicht wirklich nachvollziehbar. Auch nicht, wieso dieser Mensch das quasi in Zeitlupe, mehrmals hintereinander und mit dem Handy vor der Nase tut.

Aber der Großvater schaute nur und fragte nicht – und ich war ein bisserl zu fokussiert, um von mir aus diesen einen Satz zu sagen: "Ich komme in Frieden."

Foto: Screenshot Garmin Connect

Also erzähle ich die Geschichte meiner "verwordagelten" (gibt es dieses Alltagswort meiner Kindheit noch?) Peace-Zeichen im Augarten eben hier. Und falls Sie mich deshalb für einen noch hoffnungslos-naiveren Hippie halten als seit der Kolumne von letzter Woche, stört mich das nicht: "Wozu soll das denn gut sein? Ändert oder bewirkt es irgendwas?", muss ja nicht nur ich mich fragen lassen: Kirchenglocken, die "für den Frieden" läuten, Friedensgebete in Kirchen, Lichtermeere oder die "Three ‚Oms‘ for Worldpeace", mit denen in meinem Yogastudio derzeit viele Yogastunden enden, beenden den Wahnsinn nicht. Aber sie sind Zeichen – nach innen wie nach außen. Und – hoffentlich – keine Ausreden, nicht auch anderweitig, faktisch, zu helfen.

Foto: Tom Rottenberg

Aber zurück zum Peace-Zeichen im Park. Das hätte eigentlich gelaufen werden und dabei als "Track" aufgezeichnet werden sollen, damit es danach auf den gängigen Plattformen als Bild oder Logo in der Landschaft stehen kann (im Bild: auf Strava) – und sei es nur auf meinen Tracks. Oder aber, wenn wirklich viele andere genau hier genau die gleiche Strecke laufen, als Logo oder Muster, das auch in den diversen "Heatmaps" aufscheint. Wobei das eher unwahrscheinlich ist: "Heatmaps" zeigen schließlich die in einer Region am intensivsten belaufenen Wege an – da bräuchte es im Augarten wohl ein paar Tausend "Peace-Tracks", um zwischen den "regulären" Laufrouten aufzufallen.

Foto: Screenshot Strava

Die Idee, per Track etwas in die Landschaft zu zeichnen, ist weder neu, noch stammt sie von mir: Wer "GPS-Drawing" oder "GPS-Art" googelt, erhält weit über eine Million Treffer.

Neben zahllosen Bildern und Artikeln wird man da auch zu Apps geleitet, die helfen sollen, Routen möglichst präzise in der Topografie zu planen – egal ob man sie dann wandert, läuft, radelt oder mit dem Auto fährt.

Dazu kommen dann auch schöne und fröhliche, mitunter aber auch groteske Geschichten in den Medien dieser Welt. Meine liebste: jene von einer US-Amerikanerin, die Penisse läuft. Oder lief. Die Frau entdeckte irgendwann, dass eine andere Frau das gleiche "Konzept" umsetzte – und kündigte eine Urheberrechtsklage an. Was daraus wurde? Keine Ahnung. Das ist (zumindest mir) auch nicht wichtig.

Foto: Screenshot Google Suchergebnis

Auch die Idee mit dem Peace-Zeichen im Augarten stammt nur bedingt von mir. Vor ein paar Wochen erzählte mir ein Laufkumpel von seinem Plan, für seine Freundin eine Liebeserklärung zu "tracken".

Ich schickte ihm ein paar Links: Daraus entstand dann sein Plan, beim "Weekly Long Run" anlässlich der Eröffnung der zweiten Filiale des hinter dem Lauf stehenden Laufschuhladens den Namen des Shops mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des großen wöchentlichen Sonntagslaufes zu rennen. Eh nett – aber zu "werblich", um das in Wort und Bild abzufeiern.

Bei mir heftete sich stattdessen die Idee mit dem Peace-Zeichen in den Hinterkopf. Und die Frage, wo man das am besten "zeichnen" könnte: Während die meisten GPS-Zeichner" sich an Straßenzügen entlanghangeln, bräuchte man dafür ja eher ein weites, freies Feld. Idealerweise einen Sportplatz. Beispielsweise die Wiese des WLV-Platzes im Prater.

Foto: Screenshot Komoot

Aber auf den zweiten Gedanken schien mir der Ort dann doch zu beliebig. Zu einfach – weil ohne jeden Kontext. Der Augarten lag da nahe – nicht nur örtlich. Auch nicht, weil die sogenannte "Schüsselwiese" (von der ich nicht einmal sicher bin, ob sie wirklich so heißt) ein schönes, freies "Zeichenblatt" darstellt.

Sondern wegen des Flakturmes: So verwittert und baufällig der Gefechtsturm mitten im Barockpark auch wirken mag, so gedankenlos die Wienerinnen und Wiener ihn heute kaum mehr wahrnehmen, steht er doch für viele Facetten jener Barbarei, die auch in Europa plötzlich nicht mehr nur in Geschichtsbüchern existiert.

Foto: Tom Rottenberg

Gezeichnet war der Track dann relativ rasch und leicht. Planungstools (ich verwende derzeit Komoot, aber es gibt auch etliche andere) sind logischerweise so programmiert, dass sie keine Kreise machen, sondern immer die Gerade zwischen A und B finden – aber wenn mit genügend Punkten auf dem Plan wird daraus dann doch irgendwann beinahe so etwas wie ein Kreis.

Sollten Sie Ähnliches planen: Vergessen Sie nicht, den Ansichtsmodus hin und wieder zu ändern. Wer nur auf einer Karte zeichnet, kollidiert in der echten Welt nämlich ziemlich sicher irgendwann mit einem nicht eingezeichneten Zaun, einer Hecke, einem Brunnen oder Kiosk – oder trampelt den Bundesgärtnern durch Blumenbeete, die sie gerade anlegen.

Mit der Satellitenansicht lässt sich da einiges an Ungemach vermeiden.

Foto: Tom Rottenberg

Das mit dem "Laufen" funktionierte dann aber trotzdem nicht: "GPS-Art" entlang von Straßenverläufen folgt klaren Rasterlinien. Auf dem freien Feld legt einem die natürliche, beim Navigieren normalerweise irrelevante Ungenauigkeit jedes GPS-Systems dann aber sehr rasch das eine oder andere Ei: Drei Meter weiter links oder rechts spielen im wirklichen Lauf-Leben kaum je eine Rolle – oder werden durch den verfügbaren Weg eh vorgegeben. Sollten Sie aber "frei" einen Kreis mit etwa 70 Meter Durchmesser laufen wollen, wird die Sache interessant.

Auch, weil selbst der genaueste Tracker meist nur alle ein oder zwei Sekunden die Position bestimmt. Da wird beim Versuch, einer gekrümmten Linie zu folgen, die Bewegungsgeschwindigkeit zum relevanten Faktor: Je langsamer Sie gehen, umso eher werden Sie zumindest annähernd auf der Linie bleiben.

Foto: Tom Rottenberg

Effizienter und vermutlich exakter – aber das weiß man halt erst nachher – wäre es wohl gewesen, bestimmte Punkte am Boden zuerst zu markieren und dann anzupeilen.

Allerdings wäre ich wohl auch dann vier- oder fünfmal mit dem Navi vor der Nase über die Wiese gestakst, hätte Parkbänke nicht umgangen, sondern überquert und Großväter beim Drachensteigen irritiert. Ich wäre auch dann stehen geblieben, wenn sich eine kurze Hundeleine quer über meine Route spannte – und hätte auf das "Willst auch einen Kaffee?" eines zwei Meter neben mir picknickenden Paares mit der im Nachhinein mehr als seltsamen Antwort "Danke, ich aber darf nicht vom richtigen Weg abkommen" abgelehnt.

Foto: Tom Rottenberg

Aber vor allem: Vermutlich wären beim Tracken dennoch ein paar unvermeidliche Abweichungen aufgezeichnet worden. Abweichungen von der "Ideallinie", die beim Navigieren oder auf größeren Strecken keine Rolle spielen – hier aber eben doch ins Auge stechen.

Abweichungen, die mir egal sind. Weil es um etwas anderes ging. Um ein Zeichen.

Ein Zeichen, das ebenso wenig bringt oder ändert wie Glockenläuten, Om-Summen, Friedensgebete oder das Anstrahlen von Gebäuden in Wien oder sonst wo in Blau-Gelb.

Das aber trotzdem wichtig ist – solange man sich nicht damit zufriedengibt, es gesetzt zu haben. Und dann wieder zur Tagesordnung übergeht.

Foto: Tom Rottenberg

Weil eines klar ist: dass auch konkretes, faktisches Helfen unerlässlich ist.

Aber statt einer Liste an guten, richtigen und wichtigen Möglichkeiten möchte ich hier deshalb exemplarisch auf eine Initiative verweisen, die mir in den letzten Tagen im Wortsinn immer wieder über den Weg lief.

Vielleicht sind ja auch Ihnen in den letzten Tagen hin und wieder Läuferinnen mit "Startnummern" wie jener der Dame im Bild (beim weiter oben bereits angesprochenen Weekly Long Run diesen Sonntag) aufgefallen.

Foto: Stefan Langer/Weekly Long Run

Diese Startnummern stehen für keinen Bewerb, sondern für eine Spendensammelaktion zugunsten der Kriegsopfer in der Ukraine, allen voran Kinder. Getragen werden sie derzeit vor allem von Laufenden und Radfahrenden, beim Wandern oder beim "Walken" in ganz Europa.

Spenden – nicht nur hier – können und sollen Sie natürlich auch anderswo.

Dazu dann auch noch sichtbare Zeichen zu setzen mag naiv und "nutzlos" sein – nur: Falsch ist es ganz bestimmt nicht. (Tom Rottenberg, 8.3.2022)

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Kopfauslüften am "Tag des Eisbären"

Die glorreiche Sieben: Vom Laufen mit "normalen" Leuten

Foto: Tom Rottenberg