Noch geht Apples App Store in Russland.

Foto: imago images/ZUMA Wire

In Russland wird es eng für die Freiheit im Internet: Angesichts des Ukraine-Kriegs wurden in den vergangenen Tagen zahlreiche beliebte Plattformen gesperrt oder zumindest stark beeinträchtigt. Facebook geht mittlerweile gar nicht mehr, Twitter wird massiv gedrosselt, bei Tiktok dürfen russische Nutzer keine neuen Videos hochladen – eine vom Hersteller selbst angesichts eines neuen Zensurgesetzes vorgenommene Beschränkung. Und auch viele Nachrichtenseiten sind aus Russland derzeit nicht mehr zu erreichen.

VPNs bieten Abhilfe

Freilich sind solche technischen Sperren nie perfekt, und das ist auch hier der Fall. Mithilfe eines VPN-Dienstes, der den Datentransfer über einen Server im Ausland umleitet, lassen sich all diese Beschränkungen umgehen. Ein Trick, der auch russischen Usern durchaus bewusst sein dürfte, wie nun aktuelle Statistiken zeigen.

Dominanz

VPN-Apps dominieren derzeit das Ranking in Apples App Store für Russland fast schon im Alleingang, wie eine Auswertung von Similarweb zeigt. In den Top 10 finden sich derzeit sieben VPN-Apps. Dazu kommt mit "1.1.1.1" eine App von Cloudflare, die einen ähnlichen Zweck verfolgt, nämlich DNS-Abfragen umzuleiten, worüber ebenfalls viele Sperren ausgehebelt werden können.

Lediglich der in Russland und der Ukraine gleichermaßen viel genutzte Messenger Telegram sowie ein Spiel ("Talking Ben the Dog") schaffen es sonst noch in die Top 10. Auf Platz elf, zwölf und 14 sind übrigens erneut VPN-Apps, dazwischen positioniert sich noch Tiktok.

Schwierige Prognose

Die Frage ist natürlich, wie lange die russischen Zensoren diesem Treiben zusehen. Immerhin geht etwa China, das eine erheblich stärkere Kontrolle über den eigenen Teil des Internets ausübt als Russland, schon seit Jahren gegen VPN-Apps vor. Da Apple solchen Ansuchen in China regelmäßig nachkommt, hätte man wohl in Russland nur wenig Argumentationsgrundlage, um ähnliche Forderungen abzulehnen.

Zumal die Alternative eine ist, die Apple wohl verhindern will: eine komplette Sperre des App Store in Russland. Das wäre auch für die iPhone-Besitzer der absolute Worst Case: Da es auf diesen keinerlei Möglichkeit gibt, Apps jenseits von Apples Quellen zu installieren, wäre damit die Neuinstallation von solchen Apps schlicht nicht mehr möglich.

Theorie

In einem nächsten Schritt könnten die russischen Zensoren dann versuchen, für bereits installierte Apps die einzelnen VPN-Endpunkt gezielt zu blockieren – ohne dass diese noch eine Chance haben gegenzusteuern. Unter Android stellt sich dieses Problem so hingegen nicht. Selbst wenn der Play Store gesperrt wird, könnten sich die User noch immer Apps aus anderen Quellen besorgen.

Diese Realität zeigt auch, wie zweischneidig alle Sperren durch westliche Unternehmen für das russische Internet sind. Ein Rückzug der eigenen App Stores durch Apple und Google würde es etwa dort beheimateten Usern erheblich schwerer machen, auf Informationen jenseits der staatlichen Propaganda zuzugreifen. (Andreas Proschofsky, 8.3.2022)