Was ist der große Unterschied in der Personalführung zwischen einem Luftfahrtunternehmen und einem Spital? Die Unternehmensberaterin Martina Rupp-Waldsam wechselte aus der Unternehmensberatung in das Personalmanagement und ist nun im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder tätig.

STANDARD: Team Eisbär oder Team Wolf? Einzelgängerin oder Rudeltier, wo sehen Sie sich eher?

Rupp-Waldsam: Eindeutig Team Wolf. Bevor ich in meiner jetzigen Position angefangen habe, war ich eine Zeit lang als Unternehmensberaterin selbstständig. Ich merkte, dieses Eisbären-Dasein war mir zu einsam, zu einzelkämpferisch. Ich sehnte mich wieder nach einem Team. Es liegt einfach mehr in meinem Naturell mit vielen Leuten zu tun zu haben. Und ich bin sehr glücklich mit der Entscheidung, wieder im Rudel zu arbeiten.

Martina Rupp-Waldsam: "Die Teams halten stärker zusammen. Die schwierige Zeit hat sie zusammengeschweißt."
Foto: privat

STANDARD: Was begeistert Sie am Personalmanagement?

Rupp-Waldsam: Auch im Spital der Barmherzigen Brüder geht man langsam weg von der reinen Personalverwaltung, also Koordinierung, Abrechnung, Urlaubsanträge und Ähnlichem. Man denkt Personalmanagement weiter. Wir haben das sogenannte HR Business Partner Modell in unserer Strategie stehen. Das umzusetzen und voranzutreiben, treibt mich an.

STANDARD: Was ist ein HR-Business-Partner-Modell?

Rupp-Waldsam: Es gibt vier Schwerpunkte in diesem Modell. Zum einen die generelle Personaladministration, also die Verwaltung unserer über 1000 Mitarbeitenden im Spital. Im zweiten Bereich geht es um die Zufriedenheit und Weiterentwicklungsmöglichkeiten des Personals. Ferner bin ich als Personalleiterin auch dafür zuständig, bei Veränderungsprozessen im Unternehmen den Blickwinkel der Mitarbeitenden einzubringen. Und als last but not least stehe ich dem Management zur Seite, die Geschäftsziele durch geeignete HR-Maßnahmen zu unterstützen. Ich bin somit nicht mehr nur Verwalterin, sondern auch Gestalterin.

STANDARD: Muss man Menschen in einem Krankenhaus anders führen als in einem Luftfahrtunternehmen?

Rupp-Waldsam: Ich war verwundert, wie viele Parallelen es auch zu anderen Unternehmen gibt. Wir haben es mit Menschen zu tun – es menschelt. Die Konflikte und Anliegen sind ähnlich. Aber es gibt einen großen Unterschied!

STANDARD: Ich tippe auf das Gehalt ...

Rupp-Waldsam: Das ist nicht der entscheidende Punkt. Der Antrieb der Angestellten im Spital ist nicht zuerst Geld, sondern sie erleben ihre Arbeit als sinnvoll . Man sieht, wenn es den Patienten besser geht und man erfährt von ihnen auch oft Dankbarkeit. Das ist ein unmittelbares Feedback auf die Arbeit. Diese Wertschätzung direkt zu erleben, macht die Arbeit im Krankenhaus aus.

STANDARD: Wertschätzung und Respekt sind ein akutes Thema. Was ist zu tun?

Rupp-Waldsam: Das ist definitiv ein schwieriges Thema, weil Personen das auch verschieden wahrnehmen. Ich persönlich glaube, dass sehr viel über Kommunikation möglich ist: zuhören und Anliegen ernst nehmen. Mir ist klar, dass das im beruflichen Alltag, vor allem im Spital nicht ganz so leicht ist. Es ist wahnsinnig viel los: fünf Leute wollen gleichzeitig was von dir und jeder hat ein Problem. Das ist die Kunst der Führungskraft, trotzdem ein Ohr für die Mitarbeitenden zu haben.

STANDARD: Herrscht seit der Pandemie noch größerer Personalmangel bei Ihnen?

Rupp-Waldsam: Ja, wir haben Bedarf an Pflegekräften. Im Vergleich zu anderen Häusern geht es uns aber relativ gut. Denn wir bilden selbst Personal in unserer Pflegeakademie aus. Hier versuchen wir schon früh, Auszubildende an unser Haus zu binden. Neuerdings bieten wir finanzielle Förderungen für herausragende Studierende an. Wir hatten schon vor Corona einen Bedarf an Pflegekräften im Spital. Schon deshalb, weil wir als Unternehmen gewachsen sind. Seit der Pandemie ist dieser Bedarf nicht explizit mehr geworden. Was sich aber verändert hat, ist das mediale und politische Interesse dafür. Das Thema, das uns schon länger beschäftigt, ist in der Allgemeinheit präsenter.

STANDARD: Sehen Sie jetzt mehr Fluktuation?

Rupp-Waldsam: Ich habe mich selbst gewundert, aber trotz der Pandemie haben bei uns wenige Menschen gekündigt, es gab kaum einen Wechsel. Eine Veränderung ist aber deutlich: Die Teams halten stärker zusammen. Die schwierige Zeit hat sie zusammengeschweißt.(Natascha Ickert, 16.3.2022)